Unklare Zukunft für Digital-Radio

Auch nach einigen teilweise in den Regelbetrieb überführten Pilotprojekten für DAB steht hinter der Zukunft des Digital-Radios ein großes Fragezeichen.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Nicola Prietze
  • dpa

Seit mehr als zehn Jahren diskutiert die deutsche Rundfunkbranche über die Einführung des digitalen Radios DAB (Digital Audio Broadcast). Doch auch nach einigen teilweise in den Regelbetrieb überführten Pilotprojekten in mehreren Bundesländern steht hinter der Zukunft von DAB noch immer ein großes Fragezeichen. Eine Fachtagung in Darmstadt illustrierte am Freitag das Dilemma, in dem Radiosender und Gerätehersteller stecken.

Eines der Hauptprobleme: Keiner der Experten kann sagen, was genau das digitale Radio dem Hörer eigentlich außer Musikklang in CD-Qualität bieten kann, zumal Studien zufolge die meisten Hörer den Unterschied gar nicht wahrnehmen. DAB-Befürworter führen stets den so genannten Zusatznutzen ins Feld, den die digitale Technik ermöglicht, weil das terrestrisch verbreitete digitale Radioprogramm weniger Platz im Kanal benötigt. Dadurch ist Raum frei für zusätzliche Informationen wie Titel der gespielten Musikstücke, Wetterbericht oder Staumeldungen. Doch es weiß auch noch niemand genau, welche dieser Angebote der Radiohörer, das unbekannte Wesen, gern nutzen würde.

Zudem haben Internet und WAP-Handys das DAB-Radio inzwischen teilweise überholt. Sie bieten schon heute Informationen und Serviceleistungen, die auch DAB für Otto Normalradiohörer attraktiv machen sollen. Wie ein DAB-Radio aussehen müsste, das alle heute technisch machbaren Angebote wie Text- und Bildübertragung, Telefonieren, Internetzugang und Speichermedium als Multifunktionsgerät in sich vereinen könnte, vermag aber ebenfalls niemand zu sagen. Dennoch werden seit Jahren zweistellige Millionenbeträge in den Aufbau eines digitalen Sendernetzes investiert – bezahlt zu einem großen Teil aus den Rundfunkgebühren.

Dass der digitale Hörfunk den analogen einmal ablösen wird, steht für die meisten Experten fest. Der Chefingenieur der Deutschen Welle, Peter Senger, schätzt, dass es in etwa zehn Jahren keinen analogen UKW-Hörfunk mehr geben wird. Solange aber der Radiohörer nicht weiß, warum er sich für mehrere hundert Mark ein Digitalradio kaufen soll, will wegen der hohen Entwicklungs- und Produktionskosten keiner der Gerätehersteller das Risiko eingehen, DAB-Radios in großer Stückzahl herzustellen. Und solange es kein preiswertes Geräteangebot auf dem Markt gibt, machen die Radiosender keine Werbung für die neue Technik. Somit entsteht auch keine Nachfrage. Radiosender und Industrie sollten sich endlich auf eine gemeinsame Aktion verständigen, forderte der Geschäftsführer der Bayerische Medien Technik GmbH, Helwin Lesch.

Nach Angaben von Rüdiger Malfeld, der sich als Sendeleiter im Westdeutschen Rundfunk (WDR) mit Digitalradio beschäftigt, besitzen in ganz Deutschland erst wenige tausend Menschen die neuen Geräte. Die digitalen Pilotprogramme, die der WDR bereits heute ausstrahlt, laufen daher mehr oder weniger ins Leere. "Fragen Sie mal bei mir zu Hause, was DAB ist – da kommen die Leute auf 'Dortmunder Actien- Brauerei' oder 'Direktanlage-Bank'." Solange Digitalradio noch nicht als Marke etabliert sei, mache es keinen Sinn, viel Geld in eine Marketingkampagne zu stecken, sagte Malfeld.

Ohne die Aussicht auf große Hörerzahlen und damit Werbekunden zögern auch die privaten Radiosender, in die digitale Übertragung zu investieren. "DAB bietet uns kurz- bis mittelfristig keine Aussicht auf Refinanzierung oder gar Gewinne, sondern müsste über das Kerngeschäft UKW quersubventioniert werden", sagte der Vertreter der kommerziellen Anbieter auf dem Podium, Roland Hensle. "Deshalb bleibt für uns UKW auf lange Sicht zentral in der Hörfunkübertragung."

Josef Trappel, Medien-Projektleiter beim Baseler Beratungsinstitut Prognos, forderte die Privaten vehement auf, sich ein Konzept zur Nutzung des digitalen Hörfunks zu überlegen. "Es herrscht ein Gefühl der Orientierungslosigkeit in der Branche, das die strategische Planung erschwert. Alle herkömmlichen Medien sehen sich von der Digitaltechnik bedroht, aber niemand hat eine Strategie, wie man sich positionieren sollte", kritisierte er. Wenn die Privaten nicht mitzögen, sei das Digitalradio zum Scheitern verurteilt.

Um sich aus dem Dilemma herauszuwinden, hält Malfeld ein gestuftes Verfahren für sinnvoll: Zunächst müsse das digitale Sendernetz Flächen deckend ausgebaut sein, dann sollten sich die Beteiligten auf ein gemeinsames Vorgehen abstimmen. Wenn bis dahin nicht Mobilfunk- und Internetanbieter schneller sind und eigene Multifunktionsgeräte auf den Markt bringen, könnte DAB noch eine Chance haben. (Nicola Prietze, dpa) / (jk)