Cyberwar und Noopolitik

Für John Arquilla, der den Begriff Cyberwar geprägt hat, sind Einbrüche in Computersysteme nur ein kleiner Teil des Cyberwar.

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Nun ist also auch Deutschland endgültig vom Cyberwar-Virus befallen. Laut Spiegel soll in diesem Jahr auch hierzulande virtuell Krieg gespielt werden. John Arquilla, heute Professor für Information Warfare und Special Operations an der Naval Postgraduate School, hat den Begriff "Cyberwar" 1990 erfunden. Zusammen mit seinem Kollegen David Ronfeldt überlegte der Vordenker damals im Auftrag der Rand Corporation, einem Think Tank des Pentagon im sonnigen Santa Monica bei Los Angeles, wie sich die moderne Informationstechnik auf das Militär auswirkt.

Der Begriff Cyberwar wird heute inflationär gebraucht. Häufen sich Crackereinbrüche auf Server, finden die Medien in der Regel recht schnell einen "Experten", der von einem "Krieg" im Netz spricht. Das ist nicht ganz im Sinne der Erfinder, wie John Arquilla klarstellt. Die beiden Vordenker hatten vor allem die im Golfkrieg praktizierte Idee im Hinterkopf, dass eine gegnerische Streitmacht nicht funktionieren kann, wenn man ihre Informations- und Kommandoflüsse kontrolliert. Einbrüche in die Computersysteme des Gegners "sind ein kleiner Teil" des Cyberwar. Letztlich könnten Cracker sogar die lebenswichtigen Infrastrukturen eines Landes im Visier haben, aber das ist für den Pentagon-Berater inzwischen nur noch eine Seite der Medaille.

"Ihre Hacker-Aktien können sie verkaufen", scherzt der Stanford-Absolvent. Beim Hacken drehe sich alles um das Medium und um die Zerstörung von Informationsskanälen. Wichtiger sei es jedoch oft, die Kommunikationsinfrastrukturen offen zu halten und über sie die eigentliche Botschaft von freien Märkten und freien Menschen, die Amerika und die westlichen Demokratien zu verkaufen hätten, zu verbreiten. Mit dieser Message habe man das Potenzial in Händen, die gesamte Welt zu formen, glaubt Arquilla in einer Umkehrung der Kernthese des Medientheoretikers Marshall McLuhan. "Noopolitik" haben er und Ronfeldt diese Form der Informationsdoktrin in ihrem jüngsten Buch getauft, in Anklang an die Evolutionstheorien des Jesuiten Teilhard de Chardin, der von der Entwicklung einer "Noosphäre", eines Lebensraums des Geistes, schwärmte.

Letztlich seien Noopolitik und Cyberwar aber zwei Seiten derselben Story. Denn wenn die USA dem Rest der Welt nicht klarmachen könnte, dass es die Informations- und Medienrevolution nicht allein zu ihrem eigenen sozialen, politischen und ökonomischen Vorteil verfolge, könnten Länder, die eine Vormachtstellung Amerikas fürchten, ihre strategische Chance in Netzattacken sehen. Arquilla unterfüttert so die im US-Kongress viel beschworene Angst vor der "asymmetrischen Bedrohung".

Trotz seiner Nähe zum Pentagon übt Arquilla während seinen Überlegungen rund um drohende Auseinandersetzungen auch Kritik an Regierungsentscheidungen. Indirekt widerspricht der Experte etwa den angeblichen Plänen der Bush-Regierung, eine Art "virtuelles Raketenabwehrsystem" aufzubauen, wie dies vor kurzem vom Handelsblatt gemeldet wurde. Letztlich verbirgt sich dahinter allerdings nur der entstaubte, bereits von Clinton vorangetriebene Gedanke zur Errichtung eines Federal Intrusion Detection Network (Fidnet).

Arquilla plädiert dagegen dafür, den Schutz der kritischen Infrastrukturen weitgehend der Privatwirtschaft zu überlassen: Der Markt könnte sich seiner Ansicht nach noch eher als alle Planung von oben "als ein mächtiges Instrument erweisen, um die Informationssicherheit zu verbessern." Zumindest in Amerika - "aber vielleicht sogar weltweit." Die Voraussetzung dazu ist für ihn übrigens die freie Verfügbarkeit von Kryptographie.

Mehr in Telepolis und das Interview mit John Arquilla: Das Cyberwar-Virus breitet sich aus und Be Prepared: Cyberwar is Coming - Or Maybe Not. (Stefan Krempl) / (fr)