Islamische Staaten gegen den Internationalen Strafgerichtshof

Auch der ägyptische Präsident Mubarak hat den sudanesischen Präsidenten al-Bashir empfangen, selbst al-Qaida sucht den neuen Konflikt auszubeuten

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) gegen den amtierenden sudanesischen Präsidenten al-Bashir erweist sich als bislang unwirksam (Wendepunkt für die Menschenrechte und das Völkerrecht?). Arabische und afrikanische Staaten lehnen ihn ab und bezeichnen ihn als einseitig sowie als Politisierung der internationalen Justiz (Iran, Syrien und Hamas solidarisch mit dem sudanesischen Präsidenten).

Mit dem ersten Haftbefehl gegen einen amtierenden Staatschef wollte man beim Strafgerichtshof wohl ein Fanal setzen. Al-Bashir werden Kriegsverbrechen und Vergehen gegen die Menschlichkeit in Darfur vorgeworfen. So wird er direkt für den Tod von 35.000 Menschen verantwortlich gemacht.

Al-Bashir machte sich über den Haftbefehl lustig, war am Montag bereits provokativ ins benachbarte Eritrea gereist und ist am Mittwoch vom ägyptischen Präsidenten Mubarak, einem engen Verbündeten der USA, empfangen worden. Ägypten ist wie Eritrea nicht dem Rom-Statut beigetreten und kritisiert die Ausstellung des Haftbefehls. Ägypten intendiert, als Mittler einen Friedensplan für Darfur auszuhandeln und den UN-Sicherheitsrat dadurch zu veranlassen, den Internationalen Strafgerichtshof aufzufordern, das Vorgehen gegen den sudanesischen Präsidenten einzustellen. Die Reisen von al-Bashir werden in arabischen Medien als Herausforderung des ICC und der ihn unterstützenden Staatengemeinschaft dargestellt.

Die Bush-Regierung ist nicht nur dem ICC nicht beigetreten, sondern hat auch versucht, durch Erpressung anderer Regierungen sein Zustandekommen zu verhindern oder zumindest seine Macht zu schmälern. Wie sich die Obama-Regierung zum ICC verhält, ist noch unklar. So wird Bashir vorerst empfohlen, sich dem ICC zu stellen, ob die US-Regierung ihn aber festnehmen würde, wenn er US-Territorium betritt, wollte man nicht sagen.

Al-Bashir will auch am Gipfel der Arabischen Liga in Katar teilnehmen, der am 27. März stattfindet. Die Mitgliedsländer haben bereits versichert, dem Haftbefehl nicht Folge leisten zu wollen. Allerdings scheint auf die Länder Druck ausgeübt zu werden, zudem müsste der Bashir dorthin fliegen und wäre auch so vielleicht eher im Luftraum festzunehmen, als wenn er nach Eritra oder Ägypten auf dem Landweg reist. Katar hat bereits versichert, sich dem Druck nicht zu beugen, und al-Bashir noch einmal gebeten, am Gipfel teilzunehmen.

Dass die arabischen und afrikanischen Despoten eine internationale Gerichtsbarkeit fürchten und schon aus diesem Grund den ICC klein halten wollen, auch wenn viele der arabischen Staaten Israel anklagen wollen, während des Gazakriegs Kriegsverbrechen begangen zu haben, ist durchsichtig.

Auch al-Qaidas Sawahiri will den neuen Konflikt mit dem Westen für sich ausbeuten, zumal er ebenso wie Bin Laden lange Jahre dort gelegt haben. In einer neuen Audiobotschaft soll er gesagt haben, dass nun der "Kreuzzug" seinen Blick auf den Sudan gerichtet habe. Leicht fällt selbst dem Terrorchef die Begründung nicht, warum die Umma, die Gemeinschaft aller Muslime, den Präsidenten in Schutz nehmen soll. Das Argument gleich dem von Bush, dass der Feind des Feindes der eigene Freund sei. Sawahiri betonte, dass er nicht al-Bashir und sein Regime, auch nicht seine Taten in Darfur rechtfertigen wolle. Man müsse das aber umfassend und abgelöst von Darfur sehen. Es gehe um Interventionen in muslimische Länder durch die "zionistischen Kreuzzügler", was man daran sehe, dass keine Haftbefehle für "Bush, Blair, Olmert, Barak, Musharraf und Putin" ausgestellt worden seien.

Das sudanesische Regime sei wie alle anderen Regierungen zu schwach, sich gegen künftige Angriffe zu verteidigen. Sawahiri ruft die Sudanesen auf, sich auf einen "langen Guerilla-Kampf" vorzubereiten, wie dies auch in Somalia und im Irak geschehen sei. Sawahiri wirft dem Sudan natürlich auch vor, dass es nun ernten würde, was es gesät habe, beispielsweise durch die Ausweisung der Mudschaheddin, die dann unter Mullah Omar von den Taliban Schutz gefunden hätten.

Amnesty International drängt die Arabische Liga, Bashir festzunehmen und auszuliefern, wenn er am Gipfel teilnehmen sollte. Ägypten und die anderen Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga sollten Bashir nicht vor der internationalen Justiz schützen, forderte Irene Khan, Generalsekretärin von ai anlässlich des Besuchs in Kairo: "Seine Anwesenheit in Ägypten sollte eine Gelegenheit gewesen zu sein, den vom Internationalen Gerichtshof ausgestellten Haftbefehl auszuführen." Sie wirft Ägypten vor, dass es das internationale Recht untergrabe, wenn sie al-Bashir Immunität gewährleiste: Das internationale Recht "gewährt eine solche Immunität für schwere Kriegsverbrechen niemandem, auch nicht einem amtierenden Staatsoberhaupt." Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hatte den Haftbefehl gefeiert, da nun auch "Präsidenten keinen Freipass für schreckliche Verbrechen" in Anspruch nehmen könnten. Auch Gerechtigkeit für Darfur, eine letztes Jahr gestartete Kampagne zahlreicher Menschenrechts- und Hilfsorganisationen, begrüßte den Haftbefehl.

Im Deutschlandfunk forderte Luis Moreno Ocampo, der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes, die Staatengemeinschaft auf, den Haftbefehl durchzusetzen. Er machte klar, dass die internationale Strafverfolgung von schweren Verbrechen damit einen wichtigen Schritt nach vorne machen könnte: ""Bringt die Menschheit die Kraft auf zu verhindern, dass derartige Verbrechen wieder geschehen?"

Die Strategie des ICC ist, dass al-Bashir nicht mehr ins Ausland reisen können soll und so zum Gefangenen im eigenen Land wird. Alle Staaten werden aufgefordert, ihn zumindest nicht einreisen zu lassen. Dann soll der Druck erhöht werden, dass er an das ICC überstellt wird. Das werde einige Zeit dauern, räumt Ocampo ein. Allerdings würden nun bereits auch Länder wie China, Russland und die USA mit dem ICC zusammenarbeiten. Er gibt sich jedenfalls optimistisch:

In zwanzig Jahren werden die meisten Länder der Erde diesen Vertrag von Rom unterzeichnet haben. Wenn das nicht geschieht, wird die Welt ein Problem haben. Wenn das nicht geschieht, dann besteht die Gefahr, dass die Welt so aussieht wie Darfur heute aussieht.

Luis Moreno Ocampo