Brexit auf der Kippe?

Der High Court hat entschieden, dass das Parlament das letzte Wort über die Einleitung das EU-Ausstiegsverfahren haben muss

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Gegner eines Brexit feiern das Urteil des High Court. "Brexit means Brexit" sagte die Regierungschefin Theresa May in ihrer Antrittsrede vor drei Monaten, doch diese Aussage gerät mit dem Urteil der drei Richter nun ins Wanken. Sie haben festgestellt, dass "das Parlament souverän ist", das sei der "oberste Grundsatz der britischen Verfassung".

Also kann die Regierung nicht einfach Gesetze über das Parlament hinweg verändern oder kippen. Das trifft auch auf das formelle Austrittsgesuch aus der Europäischen Union zu, Referendum hin oder her.

Die Regierung ist geschockt, da davon ausgegangen wird, dass auch viele Tory-Abgeordnete gegen den Ausstieg sind und damit eine Parlamentsmehrheit für den Brexit mehr als fraglich ist. Handelsminister Liam Fox hat im Laufe des Donnerstag erklärt, die Regierung sei "enttäuscht" über das Urteil: "Das Land hat in einem vom Parlament abgesegneten Referendum für den Austritt gestimmt und deshalb hat die Regierung entschieden, das Ergebnis des Referendums zu respektieren."

Doch die Regierung macht gute Miene zu bösem Spiel. Sie erklärte, am Zeitplan zum Ausstieg werde sich nichts ändern. Zudem kündigte der Brexit-Minister David Davis in der BBC Rechtsmittel gegen das Urteil an. Er sprach davon, dass das Parlament mit großer Mehrheit das Referendum beschlossen habe und damit sei mit dem Referendum das "größte Mandat der Geschichte" herausgekommen. "Das Ergebnis des Referendums muss respektiert werden", unterstrich auch Davis.

Die Regierung hofft darauf, dass der Supreme Court noch im Dezember über die Frage endgültig entscheidet, damit Artikel 50 wie vorgesehen und damit der EU-Austritt in Gang gesetzt werden kann. Die Anhörung von Gegnern und Befürwortern soll Anfang Dezember stattfinden. Nigel Farage, deutlichster Verfechter des Brexit, sieht schon den "Betrug" heraufziehen. Er befürchtet, "alles werde unternommen", um die Umsetzung von Artikel 50 "zu blockieren oder zu verzögern". Er warnte vor dem "Volkszorn", der damit provoziert werde.

Unter den Klägern, die über das Urteil jubeln, befindet sich auch die Fondsmanagerin Gina Miller. Sie hatten argumentiert, dass es einen Parlamentsbeschluss brauche, um Artikel 50 in Gang zu setzen, da sonst "fundamentale Rechte" verletzt würden. Das sei auch deshalb nötig, weil der Beitritt Großbritanniens zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einst ebenfalls über einen Parlamentsbeschluss geschehen sei. Um das rückgängig zu machen, bedürfte es ebenfalls eine Entscheidung der Abgeordneten.

Klar ist mittlerweile, dass die Horrorszenarien, die für den Brexit angekündigt wurden, bisher jedenfalls nicht einmal im Ansatz zu beobachten sind. Tatsächlich ist die Wirtschaft im Königreich im dritten Quartal, also nach der Brexit-Entscheidung, gegenüber dem Vorquartal um 0,5% gewachsen, statt zu schrumpfen, wie so einige "Experten" angekündigt hatten. Das ist ein fast doppelt so starkes Wachstum als in der Eurozone mit 0,3%. Im Vergleich zum Vorjahresquartal wuchs die britische Wirtschaft um 2,3% ebenfalls deutlich stärker als in der Eurozone.

Zu erwarten war hingegen, dass mit der Brexit-Entscheidung das britische Pfund deutlich schwächer werden würde, wie es sich auch eingestellt hat. Das bedeutet, dass Ausfuhren in andere Währungsräume deutlich billiger werden und die Exporte antreiben. Zudem wird darüber das Königreich für ausländische Touristen billiger und der Anreiz verstärkt, auf den Inseln den Urlaub zu verbringen. Jedenfalls sorgte das billigere Pfund schon für einen regelrechten Tourismusboom im Königreich.

Mit der Entscheidung der Richter hat sich das Pfund am Donnerstag wieder deutlich verteuert. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, dann sind tatsächlich die erwarteten negativen Folgen für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt zu erwarten, die bisher nicht zu beobachten sind.