Deutsche IT-Verbände zu Trumps Sieg: Angst vor sozialer Spaltung und Protektionismus

Die hiesige IT- und Internetwirtschaft zeigt sich betroffen angesichts des überraschenden Wahlsiegs von Donald Trump in den USA. Das Votum wird als Signal gewertet, die digitale Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen zu stärken.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 78 Kommentare lesen
Deutsche IT-Verbände zu Trumps Sieg: Angst vor sozialer Spaltung und Protektionismus

Donald Trump

(Bild: dpa (Archiv))

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Der Sieg von Donald Trump in den Präsidentschaftswahlen in den USA über die demokratische Herausforderin Hillary Clinton hat nicht nur die Finanzmärkte durcheinandergewirbelt und die Politik konsterniert, sondern auch die deutsche Digitalwirtschaft kalt erwischt. "Der Grundsatz des Respekts gerade gegenüber demokratischen Entscheidungen gilt auch mit Blick auf die aus deutscher Perspektive erstaunlichen Ergebnisse", konstatierte der Geschäftsführer des IT-Branchenverbands Bitkom, Bernhard Rohleder. Das Resultat wertete er als "Signal, die digitale Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen und die Inklusion weltweit zu stärken".

Mehr Infos

"Die digitale Wirtschaft steht für Grundwerte wie die freie Meinungsäußerung und Toleranz gegenüber Andersdenkenden", sagte Rohleder. Sein Verband wolle daher "weiterhin für Freiheit und internationale Vernetzung eintreten". Das Bildungswesen müsse verbessert, der freie Zugang zu Informationen gewährleistet, die Spaltung der Gesellschaft verhindert werden. Dies seien neben einem "eigenen klaren Kopf" die "besten Mittel gegen diffuse Ängste und Populismus".

Oliver Süme, Vorstand Recht und Politik des eco, Verbands der Internetwirtschaft, erinnerte gegenüber heise online daran, dass "Trump sich im Wahlkampf wiederholt in alarmierender Weise gegen die Erhaltung eines freien und offenen Internets positioniert hat". Es sei daher nur darauf aufzubauen, "dass solche Ankündigungen realpolitisch nicht weiter verfolgt werden". Die deutsch-atlantische Partnerschaft müsse weiter auf Basis von Abkommen wie dem – rechtlich aber noch umkämpften – Privacy Shield funktionieren.

Angesichts der von Edward Snowden aufgedeckten Spähpraxis der NSA und dem damit ausgelösten Vertrauensverlust für das Internet appellierte Süme zudem an die US-Seite, sich künftig nicht für "noch mehr Überwachung und gegen den Schutz bürgerlicher Freiheiten im Internet zu entscheiden".

"Das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl erfüllt uns mit Sorge", räumte Oliver Grün, Präsident des Bundesverbands IT-Mittelstand (BITMi) gegenüber heise online. "Es scheint vor allem auszudrücken, dass eine Mehrheit der Bürger von der bestehenden Politik und den positiven Elementen der Globalisierung nicht mehr erreicht werden und einen Wechsel will". Auch Grün rief dazu auf, "gegen Populismus und Nationalisierung zu kämpfen und den Menschen die Chancen und Vorteile der Digitalisierung viel deutlicher klar zu machen als bisher".

Trump hatte im Wahlkampf mit nationalistischen Äußerungen für Aufsehen gesorgt. Er sprach sich gegen Freihandel aus und warb dafür, die heimische Industrie stärker abzuschotten. Die weiteren Gespräche zwischen der EU und den USA über die geplante, ohnehin schon umstrittene Handelspartnerschaft TTIP dürften sich damit noch schwieriger gestalten oder ganz auf Eis gelegt werden.

Matthias Wahl, Präsident des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW), monierte, dass Trump während seines gesamten Wahlkampfes recht vage geblieben sei, was seine tatsächlichen Ziele angehe. Wenn der designierte US-Präsident tatsächlich bestehende Handelsabkommen aufkündigen wolle, werde das ein Problem für die Weltwirtschaft. Wahl forderte Trump daher auf, "Farbe zu bekennen". Die digitale Wirtschaft in Deutschland und der gesamten EU erwarte "verlässliche Rahmenbedingungen für die bewährte transatlantische Zusammenarbeit". Alles andere wäre "Gift für die Weltwirtschaft".

"Protektionistische Maßnahmen sind in einer komplexen und globalisierten Welt keine Lösung", befand auch Bernhard Mattes, Präsident der amerikanischen Handelskammer in Deutschland (Amcham). "Auf Präsident Trump wartet die Aufgabe, die gespaltene amerikanische Gesellschaft zu vereinen und das Land mit einer weltoffenen Perspektive zu stärken."

Die neue politische US-Führung sollte den Wirtschaftsaufschwung und die amerikanische Innovationsstärke fördern sowie die Zusammenarbeit mit der EU stärken, meinte Mattes. Dazu gehörten "wichtige Projekte" wie TTIP, "die von der nächsten US-Administration ehrgeizig und mutig vorangetrieben werden sollten". Auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) warnte Trump vor einer Abschottung.

Fraglich ist, inwieweit Trump seine politischen Ideen verwirklichen kann. Auch der "mächtigste Mann der Welt" ist wohl nicht allmächtig. Tobias Basse von der Landesbank NordLB hält es für gut möglich, dass der US-Kongress die protektionistischen Ansätze Trumps weitgehend blockieren wird. Trump habe viele Feinde und zahlreiche Republikaner seien für Freihandel.

Die Hoffnung auf einen "Trump light" und einen kurzfristigen positiven wirtschaftlichen Anschub könnte auch erklären, weshalb sich die Börsen nach einer Talfahrt am Mittwoch wieder weitgehend erholten. Der Dax kehrte am Vormittag fast auf sein Niveau vor dem "Trump-Schock" zurück. Die Turbulenzen waren unter dem Strich bislang schwächer als nach der Brexit-Entscheidung. (anw)