Deal mit VeriSign/NSI über .com-Domain verschoben

Network Solutions geriet auf der ICANN-Tagung unter Beschuss; der Deal über den weiteren Betrieb der .com-Domain durch NSI wurde verschoben.

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Von
  • Monika Ermert

VeriSign/Network Solutions muss noch auf den geplanten Deal für die .com-Domain warten: Die Direktoren der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) entschieden sich nach heftigen Protesten der ICANN-Gremien und der Tagungsteilnehmer in Melbourne für eine Vertagung der Entscheidung zu den neuen Verträgen mit dem Ex-Monopolisten. VeriSign-Vertreter und das ICANN-Büro hatten auf den sinkenden Marktanteil des Ex-Monopolisten und die Verträge mit den Betreibern der sieben neuen Top Level Domains verwiesen: Eine Trennung von Adressmarketing und dem Betrieb der zentralen Datenbank (Registry) sei nicht länger notwendig.

Die beiden von Usern im vergangenen Herbst in den Vorstand gewählten At-large-Direktoren Andy Müller-Maguhn und Karl Auerbach und der spanische ICANN-Direktor Amadeu Abril i Abril forderten demgegenüber, diese Trennung aufrechtzuerhalten. Grundsätzlich einig war sich der Vorstand, dass ICANNs Gremien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden muss. Auch die Öffentlichkeit hat nun noch Gelegenheit, sich zu dem Vertragsentwurf zu äußern, der VeriSign die Kontrolle über .com bis 2007 und darüber hinaus sichert. Am 2. April entscheiden die Direktoren in einer Telefonkonferenz.

"Ich sehe keinen großen Gewinn für die Internet Community", sagte Karl Auerbach in der Diskussion zu den Vertragsentwürfen. Weniger Emotionen als vielmehr die Gesetze des Finanzmarktes solle man bei der Entscheidung berücksichtigen, sagte ICANN-Direktor Jonathan Cohen. Vielleicht sei gerade in einer so "schwierigen Zeit" für die New Economy ein Unternehmen wie VeriSign ein Garant für eine gewisse Stabilität. Die Zusicherung eines Monopols für eine bestimmte Zeit würden das Unternehmen für den Kapitalmarkt interessant machen. ICANNs Vorsitzender Vint Cerf warb mit dem Hinweis auf VeriSigns Verzicht von .org und .net für den Vorschlag. Für .net will sich VeriSign allerdings nach 2004 auf jeden Fall wieder bewerben.

Das Dreigestirn Abril i Abril, Müller-Maguhn und Auerbach warnte dagegen ganz generell – auch mit Blick auf die neuen Registries – davor, Datenbank und Adressverkauf in einer Hand zuzulassen. Es handle sich dabei um eine Änderung von wesentlichen ICANN-Grundsätzen, meinte Abril i Abril. Der Jurist warnte vor allem auch vor einem Verlust an Glaubwürdigkeit für die ICANN, wenn man sich von VeriSign in die Eilentscheidung drängen lasse. Selbst der neue Präsident Stuart Lynn hatte offensichtlich Bedenken gegen die Art und Weise geäußert, in der der Vertrag durchgeboxt werden sollte. Mehrere Nachfragen unter anderem der beiden deutschen Direktoren Müller-Maguhn und Helmut Schink – ob Veränderungsvorschläge möglich seien – wiesen ICANN-Anwalt Joe Sims und ICANN-Präsident Vint Cerf zurück.

Der ausgeübte Druck passe nun gar nicht zum Anspruch von ICANN und mache die ganze Struktur sinnfrei, äußerte Müller-Maguhn gegenüber heise online: "VeriSign hat offenbar bewusst seine Vorstellungen so knapp auf den Tisch gelegt, dass Domain-Name-Supporting-Organisation und -Direktoren gar nicht ordnungsgemäß informiert werden konnten." Diese Strategie könne man, so Müller-Maguhn, wohl nur noch als "mafiös" bezeichnen.

Wettbewerbsfeindliches Verhalten wurde VeriSign bei der Sitzung auch von Seiten der Registrare vorgeworfen. Beispielsweise bei der Vorregistrierung der nicht-englischsprachigen Domains habe VeriSign die Registrierungen der spanischen Internames erst mit Verzögerung zugelassen, dadurch habe das Unternehmen 90 Prozent der registrierten multilingualen Domains verloren. Eine offizielle Klage bei den europäischen Wettbewerbsbehörden habe man "noch nicht" erhoben, erklärte der Internames-Vertreter. Das Direktorium entschied sich bei der Sitzung zu einer Warnung mit Blick auf die nicht-englischen Domains. Man sei "besorgt" wegen der Verwirrung, die die verschiedenen Tests bei den Nutzern verursachen könnten. Einer Reihe von Direktoren ging der Beschluss nicht weit genug, Müller-Maguhn forderte eine Warnung zum Schutz der User, Abril i Abril forderte den Stopp der Tests.

Insgesamt sah die ICANN-Vorstandssitzung in Melbourne mehr grundsätzliche Auseinandersetzungen als gewöhnlich. Erstmals konnten die so genannten At-large-Direktoren, die von den ICANN-Mitgliedern (at large members) gewählt wurden, eigene Akzente setzen. Dazu gehörten beispielsweise die von Müller-Maguhn und Auerbach vorgeschlagene Einrichtung einer eigenen Fachgruppe für private Domain-Inhaber und die Erweiterung des At large Study Committees (ALSC) zur Untersuchung der Online-Wahlen für das ICANN-Direktorium um ausgewiesene At-large-Vertreter. Durchsetzen konnten sie die Vorschläge auch deshalb nicht, weil die fünfköpfige At-large-Fraktion keineswegs geschlossen abstimmte.

Zumindest erstaunlich ist nach den Diskussionen um den VeriSign-Vertrag der Beschluss des Vorstandes, die Vertragsgestaltung für die neuen Top Level Domains komplett in die Hände der ICANN-Hauptamtlichen zu legen. Der Vorstand ermächtigte ICANNs neuen Präsidenten und CEO, Stuart Lynn, die Verträge mit den neuen Top Level Domains zu unterzeichen, sobald sie komplett ausverhandelt sind. Die Direktoren können über die weit reichenden Verträge nur noch innerhalb einer Sieben-Tage-Frist nach Veröffentlichung der unterschriftsreifen Verträge Einwände erheben. Das ist wieder ziemlich wenig Zeit, vor allem angesichts der Tatsache, dass die Verträge mit rund zwei Dutzend Anhangsdokumente versehen sind. Müller-Maguhn und Abril i Abril forderten auch hier vergeblich eine Grundsatzentscheidung zur Trennung von Registrar- und Registryfunktion. (Monika Ermert) / (jk)