Kein Ansturm auf Green Cards

Die Green-Card-Regelung für ausländische Computerexperten ist schleppend angelaufen, vor allem Arbeitgeber waren sehr zurückhaltend.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 59 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • dpa

Die Green-Card-Regelung für ausländische Computerexperten ist schleppend angelaufen. Die Arbeitsämter in Deutschland gaben am Dienstag die ersten der lange umstrittene Arbeitserlaubnisse an Informatiker vor allem aus Asien und Osteuropa aus. Nach einer dpa-Umfrage blieb ein Ansturm in Arbeitsämtern und Unternehmen aus.

Bei der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) in Bonn haben sich bisher zwar knapp 19.000 ausländische Computer- Spezialisten nach der Green Card erkundigt. Viele Arbeitgeber hielten sich aber mit Anträgen bei den Arbeitsämtern zunächst zurück.

Mit der Regelung können in zwei Schritten bis zu 20.000 hoch qualifizierte Experten aus Ländern außerhalb der Europäischen Union angeworben werden. Die Bundesregierung will damit den Mangel an Arbeitskräften in der Computerbranche mildern. Das Interesse an der Green Card war am ersten Tag regional unterschiedlich. Mit einem ersten verlässlichen bundesweiten Überblick rechnet die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit nicht vor Dienstag kommender Woche. Danach sollen die Antragszahlen im Wochenrhythmus erhoben werden.

In der Aachener Region nahmen am Dienstag bereits 21 IT-Spezialisten aus zehn Nationen ihre Arbeit mit der Green Card auf oder erhielten die Zusicherung für die Arbeitserlaubnis. Die Direktorin des Arbeitsamtes, Gabriele Hilger, bezeichnete das als guten Start. Der in Aachen arbeitende indonesische Computerspezialist Harianto Wijaya hatte bereits am Montag als erster Ausländer von Arbeitsminister Walter Riester seine Green Card bekommen.

Ein Experte des Landesarbeitsamtes in Hessen, bei dem 60 bis 70 Anträge eingingen, sagte: "Wenn es nach den Einschätzungen der Arbeitgeber geht, müssten noch einige tausend Anträge auf uns niederhageln." Diese Größenordnung sehe er aber "noch nicht so ganz". In Bayern und Baden-Württemberg sieht es ähnlich aus. Bei rund 2.500 freien Stellen in der IT-Branche liegen im Freistaat etwa 70 Anträge für eine Green Card vor. In der Region Berlin wurden zehn Anträge "von sechs bis sieben Firmen" gestellt, darunter von Siemens und dem Internet-Unternehmen datango.

In Schleswig-Holstein gingen bis Dienstag erst zwei Anträge auf Green Cards ein, in Niedersachsen fünf, von denen zwei bewilligt wurden. In Hamburg wurden fünf solcher Arbeitsgenehmigungen bereits ausgestellt. Auch in Sachsen hielt sich die Nachfrage in Grenzen. Dort erhielt eine der ersten Frauen die 30-jährige russische Computerspezialisten Nadja Kouporova eine von drei der Spezial-Arbeitsgenehmigungen. Die Mathematikerin arbeitet – bisher von Tschechien aus – für das Softwareunternehmen Peppercon AG.

Bei einigen Unternehmen hielt sich die Euphorie in Grenzen. Bei BMW betonte man, die Initiative greife zu kurz. Derzeit suche das Unternehmen rund 600 Ingenieure, aber nur rund 100 IT-Spezialisten. Die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung berichtete von nicht sehr erfolgreichen Bemühungen. Die Bewerber seien bisher nicht ausreichend qualifiziert.

Siemens in München gab sich dagegen optimistisch: Man wolle versuchen, 300 von 1.000 freien Stellen zumindest vorübergehend mit Green-Card-Inhabern zu besetzen. Das verhaltene Medieninteresse bezeichnete Sprecherin Sabine Metzner als "schade". Die Aktion sei erst angelaufen. Einen "Run" oder eine "plötzliche Umstellung auf indisches Kantinenessen" habe ohnehin niemand erwartet.

Der Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Unternehmer, Hans Stein, bezeichnete die Green Card im Deutschlandradio Berlin als "Tropfen auf den heißen Stein". Für die Wirtschaft sei es unbedingt notwendig, dass ausländische Arbeitskräfte eine unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung erhielten und diese auch für andere Branchen gelte.

IG Metall-Chef Klaus Zwickel nannte die Green-Card-Regelung ebenfalls "nicht viel mehr als einen Tropfen auf den heißen Stein". Der Mangel an Computer-Experten lasse sich nur mit einer umfassenden "Bildungs- und Ausbildungsoffensive bekämpfen. Von rund 40.000 zugesagten Ausbildungsplätzen in der IT-Branche fehlten noch immer bis zu 7.000."

Bei der ZAV in Bonn haben bisher 18.833 Ausländer nach der Green-Card-Regelung gefragt. Darunter waren 3.167 Anfragen von indischen Spezialisten für Informationstechnologien (IT). Aus Pakistan kamen 2.524 Anfragen. 1.512 Interessenten meldeten sich aus Algerien. In der Länderauswertung folgten Bulgarien (842), Russland (783) und Jugoslawien (511). Aus der Ukraine meldeten sich 478 Bewerber, aus Ungarn 336 und aus Ecuador 301. Die Zahl der Stellenangebote belief sich am Vortag des Inkrafttretens der Green-Card-Regelung auf 414 Offerten.

Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel betonte die Notwendigkeit, auf Landesebene eine so genannte Blue Card einzuführen. Damit solle der Bedarf auch anderer Branchen etwa an Ingenieuren und Naturwissenschaftlern gedeckt werden, bis genügend Deutsche ausgebildet seien, sagte er in einem Rundfunkinterview. (dpa) (chr)