Gerichtsurteile wären gegen Trump nicht durchsetzbar

Vor zwei Jahren hat US-Anwalt John Mitchell die Krise um den Supreme Court prophezeit. Jetzt traut er einem Präsidenten Trump zu, Gerichtsurteile zu ignorieren. Das würde eine Verfassungskrise auslösen. Doch mehr Sorge bereiten Mitchell Trumps Berater, etwa beim Thema Copyright.

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Ronald Reagan und Donald Trump geben einander die Hand
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Vor zwei Jahren haben die Republikaner die Mehrheit im Senat erobert, vergangene Woche haben sie diese Mehrheit knapp verteidigt. Vor genau zwei Jahren befürchtete US-Anwalt John Mitchell eine Krise im Supreme Court: Die Republikanische Mehrheit könnte Obama zwingen, einen weniger qualifizierten Kompromisskandidaten zu bestellen, erklärte Mitchell damals im Gespräch mit der c't. Denn der Präsident ernennt zwar die Bundesrichter, benötigt aber die Zustimmung des Senats.

Supreme Court Justice Antonin Scalia starb im Februar 2016.

Gekommen ist es schlimmer: Seit dem Ableben des konservativen Supreme Court Justice Antonin Scalia verweigert der Senat, Obamas moderaten Vorschlag zu bearbeiten. Die republikanische Führung blockiert sogar, die Qualifikation des nominierten Richters Merrick Garland zu prüfen. Sie wahrt noch nicht einmal den Anschein, dass es darauf ankomme.

Für Mitchell ist die republikanische Arbeitsverweigerung Ausweis interner Uneinigkeit: "Wenn sie die politische Macht hätten, würden sie Obamas Nominierung niederstimmen", sagte er im Gespräch mit der c't nach den US-Wahlen vergangener Woche. Das unterbesetzte Höchstgericht nimmt indes weniger Fälle an und vertagt besonders brisante Entscheidungen auf unbestimmte Zeit. Bei untergeordneten Bundesgerichten sind noch wesentlich mehr Richterstellen unbesetzt.

Zwar werde Trump nun einen konservativen Richter nominieren, womit es wieder eine rechte Mehrheit im Supreme Court geben werde. "Aber die Republikaner können nicht zu weit nach rechts gehen, weil die Demokraten im Senat viele Stimmen haben", glaubt Mitchell, "Es wird jemand sein, der großen Unternehmen gegenüber freundlich gestimmt ist. Aber jemand der zum Beispiel komplett gegen Abtreibung ist, würde auf gehörig öffentlichen Widerstand stoßen."

Anwalt Mitchell ist spezialisiert auf freie Meinungsäußerung, freien Wettbewerb, Religionsfreiheit, Datenschutz und Copyright.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Heute sorgt sich der Jurist weniger um den Supreme Court und auch nicht um den designierten Präsidenten: "Meine Sorge ist nicht so sehr Trump als viel mehr, wer ihn beraten wird. Jene Leute, die die Entscheidungen treffen werden", erklärte der Jurist. "Die weniger offiziellen Rollen als 'Advisor' sind es, wo es gruselig wird."

Das mache auch vielen Bürgern Angst, insbesondere Muslimen. Die Tatsache, dass Trumps Wahlerfolg noch zu keinen Gesetzesänderungen geführt hat, stiftet nur bedingt Trost: "Der Patriot Act gibt der Regierung so viel Raum, Nicht-Staatsbürger in einem geheimen Vorgang, ohne Gericht, als Bedrohung zu definieren und die Bürgerrechte zu entziehen." Menschen könnten eingesperrt und abgeschoben werden, ohne dass es jemand erfahre.

Doch auch Gesetze, die der Macht des US-Präsidenten Grenzen setzen, könnten ins Leere laufen: "Trump könnte es auf die Spitze treiben und Gerichtsentscheidungen ignorieren. Dann gibt es keine Polizei, die eine Gerichtsentscheidung gegenüber der Regierung durchsetzen könnte." Diese Gefahr gab es schon unter Ronald Reagan, auf den das Trump-Lager gerne Bezug nimmt.

Reagan hatte vom US-Parlament beschlossene Gelder für Sozialleistungen nicht auszahlen lassen. Erst nachdem er verklagt und verurteilt worden war, fügte sich Reagan. "Heute ist der ideologische Graben zwischen Republikanern und Demokraten viel tiefer", unterstrich Mitchell. Wenn sich Trump weigerte, einem Urteil Folge zu leisten, könnte das eine veritable Verfassungskrise auslösen.

Zwar könne das Repräsentantenhaus den Präsidenten anklagen ("impeachment"). Das weitere Verfahren würde dann allerdings im Senat unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten ablaufen. Überhaupt sei das Verhältnis zwischen US-Parlament und Trump ungeklärt: "Die Republikaner im Parlament sehen in Trump keinen Republikaner. Er hat sich nie zu deren Ideologie bekannt. Niemand kennt seine Ideologie." Mitchell verwies auf eine Parallele zu Reagan: "Er würde heute nicht als Republikaner gelten. Zum Beispiel war er für Einschränkungen beim Waffenbesitz. "

Schlagseite der c't 8/14

(Bild: Ritsch-Renn / c't CC-NC-ND 3.0)

Mit einer unerfreulichen Entwicklung im Bereich des Copyright hat der Anwalt in seiner täglichen Arbeit zu kämpfen: "Rechteinhaber versuchen, ihre Rechte dazu zu nutzen, sich weitere Rechte herauszunehmen, die sie nicht haben. Bei Patenten wurde das vom Supreme Court bereits als illegal erkannt."

"Wenn Sie zum Beispiel Software erwerben, gehört die Kopie demjenigen, dem der Datenträger gehört, auf dem die Software gespeichert ist. Sie können den Datenträger mitsamt der Software verkaufen. Aber in den Lizenzbedingungen wird die Weitergabe eingeschränkt." Solche Einschränkungen seien vom Copyright nicht gedeckt, weil das Recht des Urhebers an der legal erworbenen Kopie erschöpft sei.

"Beispielsweise Microsoft und Adobe 'lizenzieren' gerne Nutzungen, die von ihrem Copyright gar nicht erfasst sind. Das ist wie eine Lizenz, die einschränkt, wer ein Buch lesen darf. Das ist rechtlich nicht gedeckt", so Mitchell, "Die Gerichte haben das lange Zeit nicht durchschaut. Das Justizministerium hat auch nichts unternommen." Das Problem bestehe vor allem bei Software, und, in geringerem Ausmaß, bei Filmen und Musik. Bei Büchern versuchten Verlage durch im Inneren abgedruckte Einmalcodes ähnliche Ergebnisse zu erzielen.

"Ich glaube nicht, dass Trump das Copyright persönlich kümmert", meinte der Jurist, "Aber wenn jemand aus Trumps innerem Kreis aus der Unterhaltungsindustrie kommt, könnte sich das auf die Entwicklung des Copyright auswirken. Zum Nachteil der Gesellschaft."

Dieser Artikel ist Teil einer Serie zur Lage nach den jüngsten Wahlen in den USA. c't trifft dazu in der US-Hauptstadt Washington, DC, Experten mit unterschiedlichen Einstellungen und Arbeitsgebieten. Die Gesprächspartner vertreten dabei ihre persönliche Meinung, nicht die einer Organisation, der sie unter Umständen angehören.

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(ds)