Humanoids 2016: Airbags für Roboter

In Cancún diskutieren Wissenschaftler über humanoide Roboter. Dabei kommen auch Themen zur Sprache, die nur auf den ersten Blick befremdlich erscheinen. Wie ist etwa mit Stürzen umzugehen? Sollten Roboter Airbags tragen oder Airbags Roboter werden?

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Humanoids 2016: Airbags für Roboter

Warten auf den mexikanischen Zoll: Die Testspiele im Workshop zu Fußball-Robotern mussten verschoben werden.

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Es klappt nicht immer alles so wie geplant. So sollte im Rahmen der Konferenz Humanoids 2016, die mit mehreren parallelen Workshops in Cancún, Mexiko, begonnen hat, auch ein Roboter-Zehnkampf ausgetragen werden. Cheforganisator Eduoardo Bayro-Corrochano erklärte jedoch, nachdem Teilnehmer den Raum für die Wettkämpfe nicht finden konnten, dass er vom Veranstalter dieses Humanoid Robot Decathlon nichts mehr gehört habe. Womit die Konferenz zu Forschungen über humanoide Roboter, die sich zum 16. Mal überhaupt und zum ersten Mal in Lateinamerika trifft, um eine Attraktion ärmer war.

Aber es gibt ja noch andere spannende Vorhaben. So wurde von Daniel Lofaro (George Mason University) ein Raum für den Workshop zu Fußball-Robotern vorbereitet. Der Workshop werde nicht nur aus Vorträgen, sondern auch aus einem Live-Experiment bestehen, versprach Lofaro, bei dem jeweils drei Mini-Darwins gegeneinander Fußball spielen – ferngesteuert von Menschen, die das Spielfeld dabei einmal aus der Vogelperspektive und einmal mithilfe von Virtual-Reality-Brillen durch die Kamera des Roboters sehen. Lofaro will damit einen Zugang zu den Problemen der Wahrnehmung eröffnen. Das Experiment musste aber zunächst auf 14 Uhr, dann auf 16 Uhr und schließlich auf die folgenden Tage verschoben werden: Die Roboter steckten im Zoll fest.

Gordon Cheng mit einer Baymax-Puppe, die alle Referenten des Workshops von Disney Research geschenkt bekamen.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Im Workshop Can we build Baymax?, der sich den aufblasbaren Roboter aus dem Disney-Kinofilm
"Big Hero 6" zum Vorbild genommen hat – und damit besser als alle anderen das Thema der gesamten Konferenz verkörperte: "From Fiction to Reality" – zeigte sich, dass aufblasbare Roboter schon jetzt keine reine Fiktion mehr sind.

Marc D. Killpack (Brigham Young University) demonstrierte dies eindrucksvoll am Beispiel von King Louie, dem am Robotics and Dynamics Laboratory entwickelten Roboter, der durch Luftdruck aufrecht gehalten und gesteuert wird. Es gibt Strukturkammern, eine Art pneumatisches Gerippe und Aktuationskammern, die sich an den Gelenken befinden und die Gliedmaßen bewegen, indem Luft hineingeblasen oder herausgesaugt wird. Als eine mögliche Anwendung für solche Roboter nannte Killpack die Reinigung von Solarpanels: Bei so weichen und nachgiebigen Aktuatoren müsse niemand befürchten, dass Solarzellen beschädigt werden könnten, selbst wenn der Roboterarm nicht so genau positioniert werden kann wie bei einem klassischen, aus festem Material gefertigten Industrieroboter.

King Louie

(Bild: Robotics and Dynamics Laboratory )

Aber Roboter müssen nicht gleich wie Luftballons aussehen, um als weich und nachgiebig zu gelten. Auch metallene Roboterarme können diese Eigenschaften erwerben, brauchen dafür aber einen guten Tastsinn. Gordon Cheng (TU München) berichtete von seinen Forschungen zu taktilen Sensoren, die robust und flexibel genug sind, um die Oberfläche eines Roboterarms abzudecken. In einem Video zeigte er, wie sich das Netzwerk dieser Sensoren auch dann selbstständig wieder neu konfigurierte, wenn ein Sensor gezielt zerstört wurde, indem mit dem Hammer ein Nagel hindurch getrieben wurde.

Einen interessanten Ansatz verfolgt Akihiko Yamaguchi (Carnegie Mellon University), der Kameras nutzt, um Berührungen zu detektieren. Die Methode sei erheblich billiger als traditionelle Verfahren, so Yamaguchi, aber sehr leistungsfähig. Die Kamera befindet sich unter einer durchsichtigen Membran aus Silikon, auf der sich optische Marker befinden. Aus deren Positionsverschiebungen lassen sich die jeweils an der Stelle wirkenden Kräfte errechnen.

Besonders große Kräfte treten bei Stürzen auf. Diese schmerzliche Erfahrung machten nicht nur die Forscher des japanischen National Institute of Advanced Industrial Science and Technology (AIST) bei der Darpa Robotics Challenge im vergangenen Jahr. Für Shuuji Kajita war dieses Erlebnis aber der entscheidende Anstoß, über wirksame Schutzmechanismen nachzudenken. "Mir war klar, dass ein Roboter, der nicht hinfallen darf, keine Zukunft hat", sagte Kajita. Die Roboter des von seinem Team verwendeten Roboters HRP-2 habe nach dem Sturz einen Monat gebraucht, um wieder richtig einsatzfähig zu sein.

Vorbild Baymax: Ein Modell des Disney-Charakters soll die Teilnehmer des Workshops inspirieren, einen Weg von der Fiktion zur Realität zu finden.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Kajita wollte genau wissen, welche Kräfte bei Roboterstürzen wirken, und führte dafür Experimente mit Dummys durch, die hinsichtlich Größe, Masse und Position des Schwerpunktes dem HRP-2 entsprachen. Bei einem ungebremsten Sturz maßen die Forscher bis 132 G, also das 132-fache der Erdschwerkraft. Mithilfe von Schutzkleidung, wie sie etwa Inlineskater für ihre Knie verwenden, ließ sich das schon auf etwa 70 G reduzieren. Als noch effektiver erwiesen sich Airbags, wie sie für Forstarbeiter und Motorradfahrer angeboten werden. Hier maßen die Forscher nur noch 20 bis 30 G und wagten einen Versuch mit dem HRP-2. Bei diesem Sturz löste sich lediglich ein Interface im Kopf und eine Verbindung im Nacken. Alles in allem sei der Roboter „fast in Ordnung“ gewesen und habe innerhalb eines Tages repariert werden können, so Kajita.

Airbags will Kajita als eine Sofortmaßnahme verstanden wissen, die rasch umgesetzt werden kann, um humanoide Roboter vor den schlimmsten Schäden zu bewahren. Zukünftig sollen sie aber mit Methoden der aktiven Sturzkontrolle verknüpft werden, bei denen der Roboter sich beispielsweise zusammenrollt, ähnlich den Techniken, die bei Kampfsportarten angewandt werden. Es wäre auf Dauer wohl auch etwas zu aufwendig, nach jedem Sturz den Airbag austauschen zu müssen. Da ist es dann vielleicht wirklich sinnvoller, den Airbag gleich selbst zum Roboter zu machen. (kbe)