Erneuerbare Energien: Neue Gezeitenkraft-Turbine in Kanada produziert erstmals Strom

Eine vor der Küste Neuschottlands versenkte Gezeitenkraft-Turbine speist nun Strom ins Netz. Die Stromkunden kommt das teuer, die Provinzregierung hofft auf 22.000 Arbeitsplätze.

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Turbine auf Lastkahn

Die Turbine nutzt die Meeresströmung und kommt ohne Staudamm aus.

(Bild: Christopher Briand/Critical Exposure)

Lesezeit: 3 Min.

Die Bay of Fundy liegt zwischen Neubraunschweig im Norden und der Halbinsel Neuschottland im Süden.

(Bild: Decumanus CC-BY-SA 3.0)

Eine vor zwei Wochen im Meer versenkte Turbine lieferte Dienstag erstmals Strom in das neuschottische Stromnetz. Sie nutzt die starke Meeresströmung im Minas-Becken der Bay of Fundy zur Stromproduktion. Die bis zu zwei Megawatt Leistung sollen jährlich 1.000 Tonnen verstromte Kohle ersetzen. Der Betreiber Cape Sharp Tidal möchte nächstes Jahr im selben Testgebiet eine zweite, baugleiche Turbine installieren.

Michel Samson, Energieminister der ostkanadischen Provinz, feierte die Aufnahme der Stromproduktion als "stolzen, historischen Moment in Neuschottlands globaler Führerschaft in der verantwortungsvollen Entwicklung neuer und erneuerbarer Energiequellen." Es ist eine hohe Wette: Die öffentliche Forschungseinrichtung FORCE, die das Experiment begleitet und überwacht, hat 30 Millionen kanadische Dollar (rund 21 Millionen Euro) in die Erschließung des Testgebiets investiert.

Turbinenbetreiber Cape Sharp Tidal plant Investitionen von geschätzt knapp 40 Millionen kanadischen Dollar (28 Millionen Euro), von denen ein Großteil bereits geflossen ist. Dazu kommen 6,3 Millionen Dollar (4,4 Millionen Euro) Subventionen. Einen Teil seiner Investitionen wird Cape Sharp Tidal von den Bürgern über deren Stromrechnung zurückbekommen: Zur Unterstützung der Gezeitenkraft-Experimente wurde ein Einspeisetarif von 530 Dollar (371 Euro) pro Megawattstunde festgelegt. Das ist etwa das Neunfache des Durchschnitts-Einspeisetarifs.

Geht die Wette auf, sollen Produktion und Export von Gezeitenkraftwerken bis zu 22.000 Arbeitsplätze in Neuschottland schaffen. Für die im Inlandsvergleich arme Provinz mit nicht einmal einer Million Einwohnern wäre das ein beträchtlicher Wirtschaftsschub. Dafür muss sich aber beweisen, dass in Serie produzierte Turbinen bei den Stromgewinnungskosten mit anderen Energieträgern mithalten können – zumindest auf Inseln und entlegenen Küstenregionen in aller Welt, die derzeit Diesel verstromen.

In den kommenden Jahren wollen drei bis vier weitere Unternehmen ebenfalls Turbinen im Minas-Becken installieren. Sie werden jeweils unterschiedliche Konstruktionen ausprobieren und ebenfalls von dem hohen Einspeisetarif profitieren. Gemeinsam mit FORCE wollen alle Teilnehmer herausfinden, wie effizient und dauerhaft welche Konstruktion ist und welche Auswirkungen es auf die Meeresfauna gibt.

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Kanada möchte bis 2030 aus der Kohleverstromung aussteigen, mit Ausnahme von Kraftwerken, die das anfallende CO2 speichern ("sequestrieren"). Für Neuschottland, das bereits mehr in erneuerbare Energie investiert hat als andere Provinzen Kanadas, gibt es eine Sonderregelung, die anderweitige CO2-Reduktionen berücksichtigt. Der Strompreis ist dort bereits der höchste aller Provinzen.

Die Schließung der Kohlegruben auf Cape Breton, Neuschottlands größter Insel, hat zu hoher Arbeitslosigkeit und Landflucht geführt. Gemeinsam mit den Kohlegruben machte 2001 auch das lokale Stahlwerk, ein großer Kohleverbraucher, dicht. In der Region lebt heute jedes dritte Kind in Armut. (ds)