Zahlen, bitte! 7 Sekunden Kinderreim als Grundstein der Musikindustrie

"Mary had a little lamb ..." – die erste Aufnahme von Thomas Alva Edisons Phonographen war gerade einmal sieben Sekunden lang, legte aber den Grundstein für die Musikindustrie.

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Zahlen, bitte! 7 Sekunden für die Geburt der Musikindustrie
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Von
  • Volker Zota
Inhaltsverzeichnis
Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Heute vor 139 Jahren – am 29. November 1877 – legte Thomas Alva Edison seinem Feinmechaniker Johann Krüsi die Skizze eines Apparates vor, der erstmals Aufnahmen der menschlichen Stimme anfertigen und auch abspielen sollte. Eine an einer Membran befestigte Nadel stichelte dabei das Signal in eine auf eine Walze gespannte Zinnfolie. Wenige Tage später, am 6. Dezember, gelang mit dem Prototypen dieses "Phonographen" – von Edison auch "Sprechmaschine" genannt – die erste, circa sieben Sekunden lange Tonaufzeichnung:

"Mary had a little lamb, its fleece was white as snow. And everywhere that Mary went, the lamb was sure to go."

Edison selbst diktierte diesen Kinderreim in den Phonographen und legte damit praktisch Grundstein für die Audio-Aufnahmetechnik. Die Originalaufnahme gibt es nicht mehr. Ob man auf einer 2012 restaurierten Aufnahme aus dem Jahr 1878 tatsächlich Edisons Stimme hört, ist fraglich. Zum 50. Geburtstag seines Phonographen nahm Edison die historischen Worte jedoch erneut auf:

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Während man die ersten Phonographen noch mit einer Handkurbel bedienen musste, hatten spätere Versionen einen Elektromotor, der die Walze mit 120, 125, 144, oder 160 Umdrehungen/Minute antrieb. Die Aufnahmedauer pro Walze lag bei circa zwei Minuten, später durch doppelte Rillendichte bei vier Minuten. Verschiedene Walzentypen steigerten nach und nach die Klangqualität. Weitere Entwicklungen ermöglichten es, die Aufnahmen zu vervielfältigen.

Mit der Erfindung des Grammophons durch Emil Berliner im Jahr 1887 begann der Siegeszug der deutlich praktischeren Schallplatte, die allerdings nur für die Wiedergabe bestimmt war. Mit den Schellack- und später Vinyl-Scheiben wuchs die Musikindustrie zu einem weltumspannenden Milliardengeschäft. Auf die Schallplatte folgten Tonband, Music Cassette (MC), Audio-CD mit ihrer Abtastrate von 44.100 kHz, DAT, MiniDisc, SACD und DVD-Audio. Sie alle beruhten – wenn auch technisch und klanglich erheblich weiterentwickelt – auf demselben mechanischen Grundprinzip eines rotierenden physischen Datenträgers.

Bereits seit den 1960er Jahren wurde mit digitalen Aufzeichnungsverfahren experimentiert, ab den 70er Jahren auch digital aufgezeichnet. Doch erst die rasante Verbreitung des Anfang der 1990er Jahre spezifizierten Audiokompressionsformats MP3 führte dazu, dass Musik im großen Umfang übers Internet verteilt und die Musikindustrie gehörig durcheinander gewirbelt wurde.

Geschichte der Audiomedien (17 Bilder)

1877 – der Phonograph von Thomas Alva Edison

Schon vor Edison versuchten Erfinder, die menschliche Stimme aufzuzeichnen. 1857 baute Édouard-Léon Scott de Martinville den Phonautographen, der Töne mit einer an einer Membran befestigten Schweinsborste auf einem berußten Glaszylinder aufzeichnete, sie aber nicht abspielen konnte. Damit gelang die bis dato älteste bekannte Aufzeichnung einer menschlichen Stimme. Allerdings wurde die im Jahr 1860 angefertigte zehnsekündigen Aufnahme des Liedes "Au Clair de la Lune" erst 2008 hörbar gemacht.

Während Edison an seinem Phonographen arbeitete, entwickelte auch der Franzose Charles Cros das sehr ähnliche Konzept des Paléophones, das allerdings nie gebaut wurde. (vza)