Nach EuGH-Urteil: Befürworter der Vorratsdatenspeicherung unbeeindruckt

Obwohl der Europäische Gerichtshof zum wiederholten mal gegen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung entschieden hat, geben sich Befürworter unbeeindruckt. Das eigene Gesetz sei nicht betroffen, meint etwa die Union.

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Vorratsdatenspeicherung

(Bild: dpa, Felix Kästle)

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Von
  • Monika Ermert
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Einer der juristischen Väter der Cybercrime Konvention des Europarates, Henrik Kaspersen, nannte eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung schon mal eine "Big Brother Aktion". 12 Jahre und zahlreiche ähnlich lautende Gerichtsurteile später glauben das konservative Politiker immer noch nicht und verweisen auf den Anschlag von Berlin.

Die Speicherung von Verkehrsdaten bleibe ein "sehr wichtiges Aufklärungsinstrument für Polizei und Strafermittler", ließ die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Elisabeth Winkelmeier-Becker einen Tag nach dem Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs mitteilen. Auch der Berliner Anschlag muss herhalten für die Argumentation. "Mit der Vorratsdatenspeicherung können beispielsweise die Ermittlungen von etwaigen Hintermännern, Gehilfen, Lieferanten von Schusswaffen und der Abläufe vor und nach einer schweren Straftat erheblich erleichtert werden", meint Winkler-Becker. Die CDU-Politikerin wiederholte, in ihrer Partei halte die im kommenden Jahr in Kraft tretende deutsche Regelung für vereinbar mit dem Urteil.

Vorratsdatenspeicherung

Der Vorsitzende der Parlamentarischen Linken in der SPD, Matthias Miersch, begrüßte das Urteil dagegen als Anlass dafür, die in der Vergangenheit in seiner Partei sehr kontrovers geführte Debatte wieder aufzunehmen. "Die SPD wird in diesem Rahmen an einem angemessenen Ausgleich zwischen Freiheit und Sicherheit arbeiten", sagte Miersch der Rheinischen Post. Das EuGH habe mit seinem Urteil "einen weiteren Pflock" für den Schutz personenbezogener Daten und privater Kommunikation eingeschlagen, erklärte auch die Bundesdatenschutzbeauftragte Angelika Voßhoff. Der Deutsche Journalisten-Verband sieht darin "Anlass zur Hoffnung". "Das gibt uns Auftrieb für unsere Verfassungsbeschwerde", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall.

Kurze Speicherfristen, Ausnahme von Berufsgruppen und der Richtervorbehalt, unterscheidet auch nach Ansicht eines Sprechers des Bundesjustizministeriums die deutsche Regelung von den von den Luxemburger Richtern verworfenen Gesetzen in Großbritannien und Schweden.

Die offizielle Marschroute der Regierung insgesamt lautet: kein Problem, die deutsche Regelung ist europarechtskonform. Immerhin wird noch einmal "geprüft", so die Sprachregelung, der sich auch das Bundesinnenministerium anschloss, das auf Nachfrage von heise online kurzerhand auf die Zuständigkeit des Justizministers verwies.

Gegner der Vorratsdatenspeicherung, nicht nur in Deutschland, sehen sich dagegen in ihren Klagen bestärkt und hoffen auf eine ähnlich lautende Entscheidung aus Karlsruhe noch vor der Wiedereinführung im kommenden Jahr. In Schweden, dessen Regelung von Luxemburg verworfen wurde, sprach der Gründer der Piratenpartei, Rick Falkevinge, von einem "totalen Sieg" gegen "12 Jahre Bullshit". In Frankreich, wo ebenfalls gegen die Vorratsdatenspeicherung geklagt wurde, nachdem der Gesetzgeber die ursprüngliche Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs gegen die Vorratsdatenspeicherung als ohne Wirkung für die eigene Regelung erklärt hatte, begrüßte LaQuadrature das neue Urteil als entscheidend im laufenden Rechtsstreit.

Begrüßt wurde das Urteil auch von Providerverbänden, etwa im Nachbarland Österreich, wo die Vorratsdatenspeicherung abgeschafft wurde und der Datenschutzrat gerade eine Aufarbeitung zum Nutzen anriet. Deutsche Provider könnten mit dem gestrigen Urteil im Rücken auch gegen die Speicherpflicht klagen und aus einem Verwaltungsgerichtsverfahren heraus eine Vorlage in Luxemburg erwirken. Der eco Verband forderte schon einmal postwendend ein Moratorium, um nicht unnötig in eine Infrastruktur zu investieren, die einem späteren Gerichtsurteil zum Opfer fällt. Vielleicht überzeugt ein weiteres europäisches Urteil dann auch Berlin. (mho)