Projektionstechnik: Großes Kino

Der Filmemacher Douglas Trumbull hat ein Filmformat mitsamt Projektionstechnik entwickelt, das Kinobesucher wieder in den Bann ziehen soll. Nun muss er nur noch Hollywood auf sich aufmerksam machen.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Elizabeth Woyke

In einem kleinen Theater in den Berkshire Hills in Massachusetts sichtet Filmemacher Douglas Trumbull eines seiner neuesten Werke. Zuerst sieht der Film ganz gewöhnlich aus und zeigt einen Videoclip, der sich auf YouTube vor einigen Jahren wie ein Lauffeuer verbreitet hat: Der Astronaut Chris Hadfield singt auf der Internationalen Raumstation (ISS) David Bowies Song "Space Oddity".

Aber etwa nach der Hälfte kommt die Sensation. Die Kamera schwenkt von Hadfield und seiner Gitarre auf ein dreidimensionales, riesiges Bild der Erde, die zu rotieren beginnt. Ich trage eine 3D-Brille, aber die Bilder sind viel heller und schärfer als in typischen 3D-Filmen. Ich fühle mich, als schaue ich selbst durch die Fenster der ISS.

Die atemberaubende Illusion ist das Werk von Magi, einem System, das Bilder in 3D und ultrahoher 4K-Auflösung aufnimmt und dann mit fünfmal so vielen Einzelbildern wie normal wiedergibt. Trumbull hat die Technik entwickelt, um die Freude am Kinobesuch wiederzubeleben. Er will eine Erfahrung schaffen, die die Betrachter noch stärker in die Filme zieht als übliche 3D- oder Imax-Breitbandfilme.

Der 74-Jährige hat sein gesamtes Leben darüber nachgedacht, wie Menschen die Illusion des Filmtheaters erleben. Er wuchs in Los Angeles auf, fasziniert von Filmen im Cinerama-Breitbildformat. In seinen Twens bekam er seinen ersten Hollywood-Job: die Entwicklung visueller Effekte für Stanley Kubricks Klassiker "2001: Odyssee im Weltraum". Dann führte er selbst die Regie von zwei Kultklassikern, "Projekt Brainstorm" und "Lautlos im Weltall". Später arbeitete Trumbull an visuellen Effekten für Science-Fiction-Hits wie "Blade Runner", "Unheimliche Begegnung der dritten Art" und "Star Trek: Der Film". Nun will er mit seinem Magi-System die Faszination des Kinos ganz neu definieren.

Die Technik bricht mit jahrzehntealten Gewohnheiten. Die meisten Filme werden noch heute wie zu Beginn der Filmepoche mit 24 Bildern pro Sekunde geschossen. Der Filmprojektor zeigt also in jeder Sekunde 24 Stillleben. Dieser Standard wurde vor allem entwickelt, um Filme besser mit Ton synchronisieren zu können. Aber dieses Verfahren eignet sich nicht gut für Actionfilme. Denn die Verschlusszeiten sind oft zu lang, um schnelle Bewegungen gestochen scharf einzufrieren.

Diese Bewegungsunschärfe stört besonders bei 3D-Filmen. Denn die meisten digitalen Kinoprojektoren schalten schnell zwischen Bildern für das rechte und das linke Auge hin und her, um dem Betrachter räumliche Tiefe vorzugaukeln. Doch wenn einzelne Teile der Bilder verwischt sind, kann das Hirn die Bilder nicht mehr gut verschmelzen. Dies könne die Augen ermüden, meint Tim J. Smith, der an der University of London das menschliche Sehen erforscht.

Auch andere Regisseure glauben, dass höhere Bildfrequenzen ihre Zuschauer tiefer in die Filme ziehen können. James Cameron hat schon angekündigt, dass er für weitere Folgen seines "Avatar"-Films 48 oder 60 Bilder pro Sekunde verwenden will. Die erste Folge soll 2018 in die Kinos kommen. Und Peter Jackson hat seine drei "Hobbit"-Filme bereits in Versionen mit 48 Bildern pro Sekunde herausgebracht. Doch Trumbull geht noch einen Schritt weiter. Für ihn liegt die optimale Geschwindigkeit für digitale 3D-Filme bei 120 Bildern pro Sekunde. Für seine Magi-Movies benutzt er zwei Kameras mit je zwei Sensoren.

Darüber hinaus schießt er die Bilder für das linke und das rechte Auge nicht gleichzeitig, wie konventionelle 3D-Kamera es tun, sondern leicht zeitversetzt. Denn so steht ein Verschluss der Kamera immer offen, wodurch der Magi-Prozess die Action in halb so kleinen Schritten aufnimmt wie eine Kameras mit vergleichbarer Bildrate. Dann projiziert Trumbull die Filme wie sie geschossen wurden an die Leinwand, mit je 60 Bildern pro Sekunde für das rechte beziehungsweise linke Auge. Das Ergebnis sieht unglaublich realistisch aus.

Doch das Verfahren hat seinen Preis: Trumbull erzeugt riesige Datenmengen, die am besten auf schnellen, aber noch teuren Solid-State-Festplatten mit großer Kapazität gespeichert werden. Darüber hinaus braucht man mehr Rechenleistung als in herkömmlichen Produktionen, wenn man die Bildmengen mit computergenerierten Effekten aufrüsten will.

Die Mehrkosten sind allerdings noch das geringere Problem. Sie belaufen sich auf weniger als ein Prozent der Produktionskosten, meint Trumbull. Größer ist die Herausforderung, die Filme auch in hoher Qualität in die Kinos zu bringen. Noch sind weltweit erst die Hälfte der Kinos in der Lage, Filme mit 120 Bildern pro Sekunde an die Leinwand zu projizieren, wie es für Magi-Filme notwendig ist.

Also baut Trumbull seine eigenen Kinos. Er hat das vergangene Jahr damit zugebracht, ovale, vorgefertigte Minitheater für bis zu 60 Zuschauer zu entwickeln. "Magi Pod" nennt er sie. Die Bauteile werden einfach zu Multiplex-Kinos oder anderen Stätten geliefert und lassen sich innerhalb einer Woche von einer Handvoll Arbeiter zusammenbauen. Trumbull verändert dabei nicht nur die Wiedergabetechnik, sondern die gesamte Architektur. Ihre Grundfläche ist auf rund 120 Quadratmeter begrenzt. Damit lassen sich die Sitzreihen so anordnen, dass jeder Blick auf das Zentrum des Bildschirms gerichtet ist und die Augen weniger ermüden.

Der Bildschirm ist elf Meter breit, 5,20 Meter hoch und bietet damit ein doppelt so großes Sichtfeld wie eine normale Kinoleinwand. Außerdem ist er gebogen, was das Licht der Projektoren bündeln soll. Die Bilder wirkten daher dreimal heller als der Industriestandard, schwärmt Trumbull. Und um die Illusion perfekt zu machen, hüllt Trumbull die Zuschauer durch ein Surround-Lautsprechersystem mit 32 Kanälen in fast realistische Klangwelten.

Nun muss er noch die Kinobesitzer überzeugen. Und das wird schwer. Denn die haben in den vergangenen Jahren gerade erst mehrere Milliarden Euro in neue Technik investiert. Trumbull hat daher schon einen Plan B in der Tasche. Wenn es mit Kinos nichts wird, will er seine Lichtfilmtheater an andere Zielgruppen vertreiben, etwa Freizeitparks oder Planetarien. Sollte seine Neuerfindung des Kinos gänzlich scheitern, setzt Trumbull auf Virtual und Augmented Reality. Da hilft es sicher, dass Trumbull kürzlich Aufsichtsratsmitglied von Magic Leap geworden ist, einem Start-up mit vielversprechender Technologie für Augmented Reality.

Sein Traum aber wäre, beides zu verbinden. Inhalte zu entwickeln, die im Magi Pod beginnen und in einem Mixed-Reality-Gerät weiterleben. Das Thema ist schon gesetzt: ein Weltraumepos "über den Platz des Menschen im Universum". Es soll dort weitermachen, "wo 2001 aufgehört hat", sagt Trumbull. Wenigstens wenn es um die Qualität der Bilder geht. (bsc)