Tiere mit menschlichen Organen

Mehrere Forschergruppen arbeiten daran, in Tieren Ersatzorgane für Menschen entstehen zu lassen. Doch die potenziell nützliche Technologie wirft schwierige ethische Fragen auf.

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Von
  • Antonio Regalado
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Kalifornische Wissenschaftler haben mit einer Studie über die Züchtung von Schweinen mit menschlichen Organen die Politik von Washington bis zum Vatikan aufgeschreckt. Bei den Experimenten wurden Stammzellen von Menschen in Tierembryos eingebracht, um Mischwesen entstehen zu lassen, deren Gewebe zum Teil menschlich ist.

Insgesamt injizierten die Forscher vom Salk Institute menschliche Stammzellen in mehr als 2000 Schweineembryos, die dann bis zu vier Wochen lang in Muttersauen ausgetragen wurden. Ein Fachaufsatz darüber ist Ende Januar in der Zeitschrift Cell erschienen.

Die Ergebnisse waren nicht überzeugend: Nur wenige der menschlichen Zellen überlebten, und sie leisteten keinen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der Tiere. Trotzdem sehen die Forscher darin einen ersten Schritt auf dem Weg zur "Generierung menschlicher Organe" in Nutztieren. Jedes Jahr sterben zehntausende Menschen, während sie auf eine Organtransplantation warten.

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Lesen Sie dazu auch unser "Pro & Contra" in der Print-Ausgabe der TR:

  • Die National Institutes of Health (NIH) der USA haben sich lange Zeit
    geweigert, Forschung an Mischwesen aus Mensch und Tier zu fördern.
    Nun fällt diese Beschränkung: Brauchen wir Chimären?

Dass es grundsätzlich möglich ist, Mischwesen aus Mensch und Tier zu züchten, hat Technology Review erstmals im vergangenen Jahr berichtet. Schon damals hatten mehrere Wissenschaftler-Teams mit Schweine- und Schaf-Embryos experimentiert, denen menschliche Zellen beigegeben wurden.

Wie bei den neuen Versuchen wurde bei keinem dieser Tiere eine Entwicklung über mehr als einige Wochen zugelassen, und tatsächlich geboren wurde keines. Auch der geringe Beitrag der menschlichen Zellen in der jüngsten Studie dürfte die Angst vor monströsen Ergebnissen mildern.

Trotzdem beobachtet die Politik die neue Forschungsrichtung aufmerksam. In den USA haben die National Institutes of Health (NIH) Ende 2015 zunächst ein Moratorium über derartige Versuche verhängt. Als Grund wurde die Möglichkeit genannt, dass es zu unerwarteten Ergebnissen wie Schweinen mit viel zu menschlichem Hirn kommen könnte.

Später sprach sich die Forschungsagentur für eine Aufhebung des Verbots aus, aber nur unter Einschränkungen und mit Beobachtung durch einen speziellen Ausschuss.

Bei der öffentlichen Anhörung zu den Richtlinien erhielt das NIH nach eigenen Angaben 22.000 Kommentare, von denen die meisten für ein Verbot waren. Allerdings stammte die Mehrheit davon aus einer Kampagne, die von der U.S. Conference of Catholic Bishops und assoziierten Organisationen von Abtreibungsgegnern betrieben wurde. In den Briefen wird kritisiert, dass mit Steuergeldern Forschung an Lebewesen finanziert werde, "deren schiere Existenz die Grenze zwischen Menschen und nicht-menschlichen Tieren verwischt".

Die neuen Experimenten wurden im Labor von Juan Carlos Izpisua Belmonte vorgenommen, einem Wissenschaftler am Salk Institute, der auf die Untersuchung von Embryos und ihrer Zellen spezialisiert ist.

Wie Belmonte im Januar 2016 dem Scientific American sagte, hatte ihm Papst Franziskus persönlich eine Genehmigung für die Forschung gegeben. Vom Vatikan wurde dies aber später bestritten und als "absolut unwahr" bezeichnet. Belmonte war für eine aktuelle Stellungnahme nicht zu erreichen.

Bei der umstrittenen Technologie werden wandlungsfähige Stammzellen von einer Art mit einem frühen Embryo einer anderen Art kombiniert, wenn er noch eine Anhäufung von nur etwa 150 Zellen darstellt. Das Ziel dabei ist, ein Tier mit einer Mischung von Zellen beider Arten entstehen zu lassen.

Beim Zusammenbringen von eng verwandten Arten hatten Wissenschaftler bereits Erfolg. So berichtete der Biologe Hiromitsu Nakauchi von der Stanford University Ende Januar in Nature, er habe in Ratten Maus-Bauchspeicheldrüsen gezüchtet und sie dann Mäusen mit Diabetes eingepflanzt, was die Krankheit erfolgreich eindämmte. Auch Belmonte schreibt in seinem Aufsatz von Misch-Nagetieren, beispielsweise von Mäusen mit Teilen von Rattengewebe wie etwa dem Fell.

Um die Überlebenschance der Spenderzellen zu erhöhen und ihre Aktivität zu steuern, haben Belmonte und sein leitender Projektwissenschaftler Jun Wu auch die Gen-Editiertechnik CRISPR eingesetzt. Das Ziel dabei war, die Gene zu deaktivieren, die Mäuse benötigen, um Bauchspeicheldrüse, Herz oder Augen auszubilden.

Normalerweise würden solche Tiere sterben oder mit Missbildungen geboren werden. Wenn jedoch Embryozellen einer Ratte dazugegeben werden, könnten sie die fehlenden Mauszellen ersetzen, so dass normale Organe entstehen. Dieselbe Strategie soll dabei helfen, menschliche Zellen in Tieren wie Schweinen oder Schafen zu bestimmten Organen heranwachsen zu lassen.

Wie die Studie von Belmonte zeigt, war es jedoch schwierig, dafür zu sorgen, dass irgendwelche menschlichen Zellen in Schweineembryos überleben und zur Entwicklung des Fötus beitragen. Selbst bei den erfolgreichsten Versuchen entstand nur eine winzige Zahl von menschlichen Zellen. Der Grund dafür dürfte sein, dass Schweine und Menschen genetisch weit voneinander entfernt sind.

(sma)