Critical Communications World Europe: Die Zukunft ist irgendwie hybrid

Wie können Polizeifunkkommunikation und Breitbandkommunikation zusammenkommen? Das war die zentrale Frage der Critical Communications World Europe 2017.

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Logo 5G

Auf der Messe wurde das Logo der nächsten Mobilfunkgeneration vorgestellt.

(Bild: heise online / Detlef Borchers)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Auf der Kongressmesse Critical Communication World Europe in Kopenhagen hätte das Motto "Scandinavia first" lauten können: Finnland und Norwegen unterzeichneten ein Abkommen, künftig ihre Digitalfunknetze Virve und Nødnett nach der europäischen Interoperabilitätsrichtlinie ISI (Inter Systems Interface) zusammenzuschließen.

Zuvor hatte Norwegens Netz den ISI-Test schon den Zusammenschluss schwedischen Rakel-Netz getestet. Polizeien und Sicherheitsbehörden dieser Länder sollen künftig an der Grenze im jeweils anderen Land das Behördenfunknetz nutzen können. In Deutschland wurde ein ähnliches System vor sieben Jahren getestet, aber nicht umgesetzt.

Selten lagen Wunsch und Wirklichkeit weiter auseinander als auf der Kopenhagener Fachmesse für die Kommunikation der "Blaulichtbehörden". Stolz präsentierte die europäische Standardisierungsbehörde ETSI das Logo für 5G, das all die tollen neuen Produkte tragen sollen, die noch nicht einmal fertig spezifiziert sind und allenfalls Laborskizzen wie bei Intel sind. Die Idee hinter dem Logo: Wildwuchs vermeiden, der in der 4. Generation mit Bezeichnungen wie LTE, LTE Advanced, 3GPP oder eben 4G entstanden ist. Künftig wird das Logo im Stil der neunziger Jahre also an autonomen Autos zu sehen sein, die die Funkstandards einhalten und zum Beispiel ein Lawful Interception Interface für den Polizeieingriff in den fließenden Verkehr bereit stellen.

Bis dahin ist die Polizei mit einem anderen Problem beschäftigt, das MCData und MCVideo heißt, also die missionskritische Nutzung von Daten und Videos im Streifenwagen. Wie können herkömmliche Funkverbindungen so erweitert werden, dass eine sichere Breitbandkommunikation in der Polizeiarbeit gewährleistet ist? In ihrer Funktion als Mitglied der TCCA stellte Barbara Held von der Digitalfunk-Bundesanstalt BDBOS die "Hybrid Study" vor. Das gemeinsam von Behördenvertretern, Funknutzern und der Industrie verfasste Papier über die Vor- und Nachteile der Nutzung kommerzieller Breitbandnetze für Sicherheitskommunikation soll "Entscheidern" in der Politik und der Finanzverwaltung Ratschläge zur Hand geben, welche "Geschäftsmodelle" sie künftig für die Kommunikation von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten eingehen können. Deutschland, das immerhin das größte Digitalfunknetz der Welt für seine Sicherheitsbehörden errichtet hat, könne nicht den Aufbau eines eigenständigen LTE-Netzes stemmen, stellte Held in einer Diskussionsrunde zur "Hybrid Study" fest.

Die unter ihrer Leitung entstandene Hybridstudie ist interessant zu lesen, gibt aber nur vage Empfehlungen, die für die angesprochenen "Entscheider" nicht sonderlich hilfreich sind. Schlussfolgerungen wie "rechtzeitig mit den Ministerien sprechen" helfen niemandem weiter, der in seiner Region einen Vertrag über die sicherheitskritische LTE-Versorgung mit Firmen wie Vodafone oder der Deutschen Telekom abschließen will. So zeigt die Zukunftsstudie etwa mit der Diskussion über Kapitalausgaben (Capex) versus Operativen Kosten (Opex) nur, dass die Vertreter der Behörden wie der Industrie in ihren eigenen Modellen gefangen sind. Überlegungen, wie die teure Technik auf Basis des TETRA-Standards kostengünstiger angewendet werden kann, gibt es nicht. Wer in diesen Kreisen die begeisterten Bastler des Osmocom-Projektes erwähnt, erntet das Gelächter, das den Linux-Freaks in den 90er Jahren entgegenschlug.

Das Alltagsgeschäft der Industrie läuft, ganz ohne Breitbandkommunikation mit Video und Datenaustausch, auch das zeigte die Messe. Nach wie vor wird in existierende Behördennetze investiert. Motorola Solutions verkündete den Abschluss eines Rahmenvertrages mit dem deutschen Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums über die Lieferung von 30.000 Funkgeräte des Typs MTP 6750 für das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei, den Zoll sowie dem Technischen Hilfswerk. Außerdem präsentierte das Unternehmen eine kompakte TETRA-Funkzelle, die in 15 Minuten mit einer Android-App konfiguriert wird und dann einsatzbereit sein soll. Konkurrent Airbus hatte vor Beginn der Messe gemeldet, den Zuschlag für die Modernisierung des belgischen Behördennetzes ASTRID erhalten zu haben. Allein dieser Auftrag hat einen Umfang von 117 Millionen Euro.

Anmerkung: Die Fahrt des Autors zur Communication World Europe wurde von Motorola Solutions finanziert. (anw)