Post aus Japan: Der Aufstieg der Drohnen

Bei unbemannten Miniflugobjekten ist Japan vom Pionier zum Nachzügler zurückgefallen. Aber nun hebt das Geschäft mit Drohnen ab, amtlich reglementiert und damit kommerziell befreit.

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Von
  • Martin Kölling
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Wenn die Regierung in Japan anfängt, ernsthaft bestimmte Technologien zu testen, steht ein Boom der entsprechenden Industrie oft kurz bevor. Derzeit trifft dies auf das Geschäft mit Drohnen zu. Zwar war Japan in diesem Markt einst Pionier, doch bei kommerziellen Projekten ließ man es ruhig angehen – bis jetzt.

Am Montag testete die Tokioter Stadtregierung in Shinjuku einen dieser neuen Flugautomaten, der als Nutzfracht einen Lautsprecher trug. Die Idee der "Verlautbarungsdrohne" ist es, nach einem sehr wahrscheinlichen Megabeben unter der Hauptstadt nicht nur Luftbilder von der betroffenen Region einzufangen. Die Drohne soll mit ihren Ansagen auch große Menschenmengen steuern. 370.000 Personen würden – amtlichen Simulationen zufolge – am Bahnhof Shinjuku stranden, wenn das Erdbeben an einem Wochentag während der Arbeitszeit stattfinden sollte.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Der Test ist nur einer von vielen Versuchsballons für Geschäftsmodelle mit Drohnen, die von Firmen und Organisationen seit etwa eineinhalb Jahren gestartet werden. Mehr noch: Längst interessieren sich nicht nur Startups für den Markt, sondern auch größere Firmen mit viel Geld.

Ein jüngstes Beispiel liefert Japans IT-Investor und Mobilnetzkonzern Softbank. Ein Zweig des globalen Konzerns bietet mit der Firma Blue Innovation den "SoraPass" (Himmelspass) an. In seiner kostenlosen Basisversion bietet der Dienst zum Beispiel Karten an, die die Flugverbotszonen kennzeichnen.

In den kostenpflichtigen Premium-Angeboten können Kunden nicht nur detaillierte dreidimensionale Landkarten für ihre Flugplanung herunterladen und Flugpläne erstellen. Der Dienst soll es auch erleichtern, bei den Behörden Fluggenehmigungen für Luftakrobatik in Sperrzonen zu beantragen.

Darüber hinaus werden den Piloten Wetterinformationen zur Verfügung gestellt. Zudem bietet die Firma unter dem Namen Dronebank auf ihrer Homepage neben unbemannten Flugobjekten diverse Leistungen an, vom Drohnenführerschein bis zur -versicherung.

Besonders der Drohnenführerschein erfreut sich bereits einiger Beliebtheit. Denn in Japan geht es im bodennahen Flugverkehr bereits seit Dezember 2015 gesetzlich sehr geregelt vor. So dürfen Drohnen ohne Genehmigung nicht höher als 150 Meter und nicht über Militäranlagen, Flughäfen und dichtbesiedelten Regionen fliegen. Flugverkehr in diesen Gegenden erfordert neben einer Genehmigung auch die Einreichung eines Flugplans und Inspektionen der Flugmaschinen.

Dies hört sich restriktiv an, wirkte aber befreiend für Japans Unternehmen. Denn seit sie Rechtssicherheit haben, werden sie kreativ. Der Sicherheitsdienst Secom beispielsweise startete prompt eine Luftüberwachung von Fabrikgeländen an. Japanische Versicherer nehmen inzwischen Schadensfälle mit den Flugobjekten auf. Baumaschinenhersteller und Baukonzerne erfassen und überwachen so Baustellen. Auch Brücken und Hochspannungsleitungen werden schon versuchsweise aus der Luft kontrolliert.

Natürlich werden Drohnen auch in der Logistik getestet. Ein Einsatzgebiet ist die Auslieferung von Dingen wie Arzneien in dünnbesiedelten Gebieten, ein anderes der Pakettransport in der Stadt.

Tokios Nachbarpräfektur Chiba wurde zu einer Sonderzone erklärt, in der einfachere Regeln herrschen. Einige große Wohnanlagen wurden sogar schon mit Drohnenlandeplätzen ausgestattet. Und auch die Dienste sind schon angedacht, die ab 2020 kommerziell abheben sollen.

So sollen Transportdrohnen Gepäckstücke von Logistikzentren zu Sammelstellen in Wohnanlagen fliegen, von wo die Pakete dann an die Adressaten ausgeliefert werden. Auch eine Anlieferung mit kleineren Drohnen auf die Balkone soll ausprobiert werden.

Auch als Hersteller werden die Japaner wieder aktiv. Der globale Drohnenpionier Yamaha hat seinem Hightech-Hubschrauber das autonome Fliegen beigebracht. Sony gründete mit dem Robotertaxi-Entwickler ZMP ein Unternehmen für den Bau autonomer Bonsaiflieger. Und der Schwerindustriekonzern IHI entwickelt eine benzingetriebene Superdrohne mit mehr Reichweite und Zuladung als die populären elektrischen Miniflieger. Die soll im Katastrophenfall Menschen aus der Luft versorgen können.

Der Grund für die Vielzahl an Projekten ist natürlich kommerzieller Natur. Die Unternehmen wittern einen neuen Wachstumsmarkt. Bis 2024 soll der Umsatz mit Drohnen einer Studie zufolge allein in Japan auf fast zwei Milliarden Euro steigen. Und vielleicht können die Firmen wieder einmal einen starken Heimatmarkt als Freilandlabor und stabile Gewinnbasis nutzen, um sich im Kampf um die globale Lufthoheit einen Startvorteil zu sichern.

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