Soldatenmangel: Schweden führt die Wehrpflicht wieder ein

Schwedische Soldaten sind weiterhin in Afghanistan stationiert. Bild: Brindefalk/CC BY-2.0

Die Bundeswehr hat ein ähnliches Personalproblem: Wird auch in Deutschland die Wehrpflicht wieder kommen?

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Schweden hat wieder die Wehrpflicht eingeführt - als Innovation genderneutral, es werden junge Frauen und Männer gleichermaßen gemustert, jährlich 13.000 von etwa 50.000, 4000 sollen dann jährlich eingezogen werden. Geplant ist zudem eine Steigerung der Verteidigungsausgaben um 2,2 Prozent pro Jahr bis 2020. Derzeit liegen sie etwa bei 1,2 Prozent vom BIP.

Als Grund wird die Verschlechterung der weltweiten Sicherheitslage genannt. Gerne wird dabei auf die russische Bedrohung hingewiesen, die es notwendig mache, dass Schweden, das mit dem Eintritt in die Nato liebäugelt und bereits Nato-Partner ist, mehr Soldaten benötigt. 2016 fehlten 1000 Soldaten und 7000 Reservisten. Aber das Problem liegt in der allgemeinen Aufrüstungswelle, in der militärische Lösungen und Abschreckung immer wichtiger zu werden scheinen, während die Streitkräfte nicht aus demografischen Gründen Schwierigkeiten haben, ausreichend Soldaten zu finden.

Nach einer Umfrage im Jahr 2016 waren mehr als Zweidrittel der Schweden für die Wiedereinführung der Wehrpflicht. 2018 finden in Schweden Wahlen statt, so dass man davon ausgehen kann, dass die Regierungskoalition aus Sozialdemokraten und Grünen nicht glaubt, dass die Wehrpflicht ein Problem darstellt.

Die in vielen Staaten betriebene "Gleichberechtigung" durch Einbeziehung der Frauen in die Streitkräfte kann den Mangel zunehmend weniger kompensieren. Was 2010, als Schweden die Einberufung abschaffte und eine reine Berufsarmee einführt, noch als überholt galt, während eine Berufsarmee vorteilhafter erschien, wird nun wieder zur Rettung der "Verteidigungsbereitschaft", die aber in den letzten Jahren immer stärker zur militärischen Interventionsbereitschaft wurde. Ab Juli 2017 wird erneut gemustert, die ersten Wehrpflichtigen müssen im Januar 2018 ihren Dienst antreten

Bundeswehr hat auch Probleme, genügend Personal zu finden

2010 hatte auch die Bundesregierung das Ende der Wehrpflicht beschlossen, Verteidigungsminister war Karl-Theodor zu Guttenberg. Die "Neuausrichtung" der Bundeswehr sollte diese ohne die Wehrpflichtigen schlanker und effizienter machen. 2011 wurden die letzten Wehrpflichtigen eingezogen.

Im Blick waren auch zunehmend Auslandseinsätze. Mit einer Berufsarmee lassen sich Auslandseinsätze einfacher anordnen und bewilligen, die Berufssoldaten wissen ja, worauf sie sich einlassen. Das aber führt dazu, dass zumindest in Zeiten, in denen die Arbeitslosigkeit nicht hoch ist, der Arbeitgeber Bundeswehr nicht mehr so attraktiv ist, wenn er nicht mit Gehältern aufwarten kann, die mit denen in der Privatwirtschaft mithalten können. Und wenn natürlich nicht eine nationalistische Stimmung vorherrscht, die den "Dienst fürs Vaterland", inklusive Töten und Getötet-Werden, schätzt. Die Bundeswehr hat Probleme, das Personal zu finden, schon die bis 2016 vorgesehenen 170.000 Stellen konnten nicht besetzt werden. Unter dem Druck der USA sollen aber bis 2024 200.000 Soldaten angestellt sein (Bundeswehr soll um 20.000 Soldaten vergrößert werden). Von der Leyen gab die Trendwende Personal 2016 aus, die aber bislang eher versickert ist.

Das Problem betrifft nicht nur Schweden und Deutschland, sondern alle westlichen Berufsarmeen. In Schweden war wie in Deutschland zuletzt nur noch ein Bruchteil des Jahrgangs eingezogen worden, in Schweden gerade noch 5000 Soldaten, während es auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs noch bis zu 50.000 waren. Derzeit sind etwas mehr als 20.000 Soldaten und Soldatinnen im Dienst. Zunächst sollen jährlich 4000 Frauen und Männer für 9-12 Monate eingezogen werden, der Bedarf steigt nach einem Bericht der Regierung auf 5000 im Jahr 2020, auf 6000 im Jahr 2021 und dann auf 8000. Zu erwarten ist, dass die Unzufriedenheit bei den jungen Menschen, die eingezogen werden, steigt, wenn nur ein kleiner Teil einrücken muss.

In Finnland besteht weiterhin die Wehrpflicht, ebenfalls in Estland, Die Ukraine hat sie 2014, Litauen 2015 wieder eingeführt, in Lettland wurde dies diskutiert, aber bislang abgelehnt. Dänemark und Norwegen besteht ebenfalls eine Wehrpflicht. In Polen wurde die Wiedereinführung diskutiert, es wird eine Freiwilligenarmee aufgebaut. Russland hat weiterhin eine allgemeine Wehrpflicht.

In Deutschland könnte es auch wieder zu einer Wehrpflicht kommen, wenn die Bundeswehr nicht ausreichend neue und vor allem mehr Soldaten und Soldatinnen findet. Der Reservistenverband hatte dies schon gefordert, André Wüstner vom Bundeswehrverband meinte, die Bundeswehr müsse jederzeit für eine Wiedereinführung bereit sein. Der Bundeswehrbeauftragte sprach sich dagegen aus.

Aus dem Bundesverteidigungsministerium heißt es allerdings noch, dass eine Wehrpflicht die "Suche nach geeignetem Personal" nicht erleichtern würde, man benötige "motiviertes und qualifiziertes Personal", das länger arbeitet. Tatsächlich sind mehr gut ausgebildete Fachleute für immer kompliziertere Technik notwendig (Wie die Bundeswehr als Arbeitgeber für die "besten Köpfe" attraktiver werden will).

Gleichwohl bleibt das realistische Problem aus Sicht des Verteidigungsministeriums, das ohne Zwang die anvisierte Personalstärke derzeit wohl kaum erreicht werden kann. Bislang hat nur die AfD die Wiedereinführung der Wehrpflicht für Männer gefordert, damit sich "die Bevölkerung mit ihren Soldaten identifiziert", das "Bewusstsein für eine wehrhafte Demokratie wiederbelebt" wird und Soldaten aus allen Gesellschaftsschichten für eine "intelligentere Armee" vorhanden sind. Auch in der CSU wurde schon überlegt.