Wie bleiben wir jung, Frau Blackburn?

Nobelpreisträgerin Elizabeth Blackburn erforscht die sogenannten Telomere. Die Genstrukturen gelten als Schlüssel für Alterungsprozesse – und verraten, was unser Leben wirklich verlängert.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Zoe Corbyn

Dieser Text-Ausschnitt ist der aktuellen Print-Ausgabe der Technology Review entnommen. Das Heft ist ab 20.3.2017 im gut sortierten Zeitschriftenhandel und im heise shop erhältlich.

TR: Sogenannte Telomere gelten als Schlüssel zum Altern. Sie haben die Genstrukturen entdeckt und dafür 2009 den Nobelpreis erhalten. Können wir bald das Altern stoppen?

ELIZABETH BLACKBURN: Wenn Sie sich Chromosomen – die Träger Ihres genetischen Materials – als Schnürsenkel vorstellen, dann sind die Telomere die kleinen Schutzkappen an den Enden. Sie bestehen aus kurzen, repetitiven DNA-Sequenzen, die von speziellen Proteinen umgeben sind. Während unseres Lebens nutzen sie sich oft ab. Wenn Zellen ihre Telomere nicht richtig schützen, können sich die Zellen nicht richtig erneuern. Sie funktionieren dann nicht mehr ordentlich. Das verursacht Veränderungen im Körper, die das Risiko für die Hauptkrankheiten des Alterns erhöhen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs, ein geschwächtes Immunsystem und noch mehr. Aber auf diesen Prozess können wir Einfluss nehmen. Er läuft in uns allen in einem gewissen Maß ab, dieses Maß kann jedoch variieren. Der Schlüssel ist das Enzym namens Telomerase. Es kann DNA an die Chromosomenenden anfügen, um das Verkürzen zu verlangsamen, zu verhindern und teilweise sogar rückgängig zu machen.

Und so kann es das Leben verlängern?

Wir reden davon, Menschen länger gesund zu halten. Das schlägt sich natürlich in der Sterblichkeitsrate nieder, auch wenn es hier nicht um extreme Lebensverlängerung geht.

In Ihrem Buch „Die Entschlüsselung des Alterns“ empfehlen Sie, den Lebensstil zu verbessern, also anders mit chronischem Stress umzugehen, körperlich aktiv zu sein, gesünder zu essen und genug zu schlafen. Viele dieser Empfehlungen kennt man schon. Was ist neu?

Die Menschen hatten nicht verstanden, wie all das, was zur Verbesserung des Lebensstils empfohlen wird, sich auf die Ebene der Zellen auswirkt. Und hier kommen die Telomere ins Spiel. Das Buch bindet viele neue Studien ein, genetische, epidemiologische und sozialwissenschaftliche. Wir liefern auch ein neues biologisches Fundament für die Verbindung zwischen Körper und Geist. Niemand hat geahnt, dass Meditieren und ähnliche Aktivitäten, die Menschen zur Stressreduktion und für ein besseres Wohlbefinden praktizieren, eine heilsame und gut dokumentierte nützliche Wirkung teilweise eben durch die Telomere haben. Das Buch lässt erkennen, wie viel Einfluss wir tatsächlich nehmen können.

Was bedeutet das für die bisherigen Gesundheitsempfehlungen?

Kleine Veränderungen können zu langfristigen Gewohnheiten führen, die einen Unterschied machen. Sie müssen nicht drei Stunden täglich im Fitnessstudio verbringen oder pro Woche einen Marathon laufen. Menschen, die moderates Ausdauertraining machen – ungefähr dreimal pro Woche für 45 Minuten –, haben so ziemlich gleich lange Telomere wie Marathonläufer. Verschiedene sportliche Aktivitäten zu kombinieren, scheint auch gut zu sein. Eine Studie hat gezeigt, dass je mehr verschiedene Sportarten die Teilnehmer betrieben, desto länger waren ihre Telomere. Viele Studien mit chronisch gestressten Menschen fanden heraus, dass die Kürze der Telomere im Verhältnis dazu steht, wie schwerwiegend sie den Stress empfanden. Das scheint besonders für Menschen zu gelten, die viel sitzen. Aber schon zehn bis fünfzehn Minuten leichtes Training am Tag scheinen diesen Effekt zu mindern. Einen allgemeinen Trend zu längeren Telomeren gibt es auch bei verheirateten Menschen oder solchen mit Partnern. Wir haben jedoch auch Frauen untersucht, die in früheren Beziehungen misshandelt wurden. Ihre Telomere waren kürzer, und das Ausmaß stand in einem quantifizierbaren Verhältnis zur Anzahl der Jahre, die sie in der Beziehung verbracht hatten. Es hängt vermutlich mit dem Stress zusammen, lange Zeit in einer bedrohlichen Situation zu verbringen. Eine Vorstudie scheint zudem nahezulegen, dass Kinder zu haben zu gesunden Telomeren verhilft. Aber das wurde noch nicht von weiteren Forschern bestätigt. Insofern ist es noch zu früh für eine verbindliche Aussage.

Eine Kritik an dem Buch ist allerdings, dass sich so etwas Komplexes wie Altern nicht nur auf Vorgänge an den Chromosomenenden zurückführen lässt.

Sie sind einer von vielen Alterungsprozessen, und das sagen wir auch. Wir fokussieren auf einen Mechanismus, der erst vor relativ kurzer Zeit bei Menschen entdeckt wurde und auf den wir etwas Einfluss nehmen können.

(inwu)