Jugendliche diskutieren über Neonazi-Sites

Bei FairLink.de äußern sich Jugendliche dazu, wie sie mit rechtsextremen Web-Sites umgehen.

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Von
  • Ralf Strauss

Bei FairLink.de diskutieren Jugendliche seit Anfang Januar über den Umgang mit rechtsextremistischen Web-Inhalten. Bereits seit September letzten Jahres haben 21 Teams Vorarbeit für den Erfolg des offenen Forums geleistet. Sie haben die Aufgabe übernommen, als so genannte Toleranz-Schiedsrichter ihre Erfahrungen mit Rechtsextremismus im Internet festzuhalten. Dabei werden sie von 21 "Coaches" unterstützt, also "Menschen mit Fachkompetenz, die sich den Jugendlichen als wandelndes Archiv zur Verfügung stellen", so der Fernsehmoderator Johannes B. Kerner bei der Vorstellung der Initiative im Berliner Schloss Bellevue.

Das Forum steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Johannes Rau und ist ein Projekt der gemeinnützigen Jugendinitiative Step 21, die von Bertelsmann, DaimlerChrysler und Siemens gegründet wurde. Step 21 will aus den Beobachtungen der Arbeitsgruppen langfristig eine "Netiquette der Toleranz" erarbeiten. "Allen Verboten zum Trotz werden extremistische Inhalte nicht aus dem Internet verschwinden", sagt Sonja Lahnstein, Geschäftsführerin von Step 21. Auch Jugendliche sollten daher die Auseinandersetzung mit rechtsextremen Inhalten im Netz suchen.

Laut Verfassungsschutz gab es im Jahr 2000 rund 800 deutsche Internet-Seiten mit rechtsextremem Inhalt – im Jahr davor haben die VS-Ermittler nur 330 gezählt, 1996 sollen es gar nur 32 gewesen sein. Vom Verächtlichmachen der Demokratie über strafbare Volksverhetzung bis hin zu "Hass-Seiten" mit Mordaufrufen reicht die Palette. "Aus unserer Sicht besteht die Gefahr, dass sich da Heißsporne gegenseitig anstacheln", befürchtet Wolfgang Cremer, der die Abteilung Rechtsextremismus beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln leitet. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann es zu Gewalttaten kommt.

"Feige" nennt Toleranz-Schiedsrichterin Hyun-A aus Nordrhein-Westfalen, die im Internet immer wieder auf rechtslastige Seiten stößt, die oftmals anonym ins Web gestellten Hasstiraden: "Wer nicht dazu steht, was er sagt, der soll die Klappe halten." Thomas Adler von der Suchmaschine Fireball in Hamburg verweist auf das Hausrecht von Anbietern: "Wir können rausschmeißen nach persönlichem Gusto." Dabei bestehe allerdings die Gefahr von Zensur im Web. Den engagierten Jugendlichen bietet er an, ihm Seiten mit rechtsextremen Inhalten zu melden, die dann aus dem Verzeichnis gestrichen werden können.

Einig sind sich die Jugendlichen, die bei fairlink.de mitmachen, dass Verbote "keinen Zweck haben, wegen des besonderen Reizes des moralisch Verbotenen für Jugendliche", so Robin, der in Mecklenburg-Vorpommern lebt und dort immer wieder mit rechtsextremer Gewalt konfrontiert wird. Ilona aus Bayern fordert eine verstärkte Diskussion über rechtsextreme Hompages in der Schule. Sinnvoll sei auch ein kontrolliertes Surfen mit einer Vertrauensperson: "Die kann dann auf kritische Aspekte aufmerksam machen." Die Schülerin hat damit in ihrem Unterricht gute Erfahrungen gemacht.

Die jugendlichen Surfer von FairLink.de ergänzen die Internet-Initiativen gegen Rechtsextremismus, um die hässlichen Seiten des weltweiten Netzes ins Leere laufen zu lassen. "Jugendliche müssen lernen, warum Ausländerfeindlichkeit dumm ist, nicht dass sie dumm ist", sagt Ellen aus Westfalen. Doch trotz aller Aufrufe zur Zivilcourage lassen die Teilnehmer an FairLink.de Vorsicht walten: Ihren Nachnamen wollen sie nicht veröffentlicht sehen. (Ralf Strauss) / (hob)