Dezentral und Open Source: Ist Mastodon das bessere Twitter?

Mastodon will eine dezentrale und offene Alternative für Twitter sein. Jüngst erlebte das Projekt einen Besucheransturm – doch kann die "fluffy elephant site" auch langfristig bestehen?

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Mastodon.social fordert Twitter heraus

(Bild: mastodon.social)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Mastodon ist ein ausgestorbenes Rüsseltier – und eine kostenlose Plattform, die sich als dezentrale Alternative zu Twitter etablieren will. "Such dir einen Server, dem du vertraust" – und los geht's. Jeder kann seine eigene Mastodon-Instanz betreiben und Freunde einladen. Die müssen sich nicht so kurz fassen wie bei Twitter: Mastodon erlaubt pro Post 500 Zeichen, bei Twitter sind's nur 140. Für die Einträge gibt es individuelle Privatsphäre-Einstellungen, bei Twitter ist gleich alles privat oder alles öffentlich. Ansonsten greift Mastodon vieles von Twitter auf: Nutzer können einander folgen und Status-Updates veröffentlichen. Was bei Twitter die "Tweets" sind, sind bei Mastodon die "Toots".

Als Underdog hat es Mastodon freilich nicht leicht. Immer wieder gibt es Alternativen zu Twitter und Facebook, die meistens jedoch scheitern: Diaspora oder Ello etwa waren durchaus vielversprechende Herausforderer – waren aber schnell wieder vergessen. Die Twitter-Alternative App.net musste Anfang des Jahres ihre Pforten schließen.

Deshalb ist Mastodon aber nicht gleich zum Scheitern verurteilt: Als Twitter vergangene Woche die Darstellung von Antworten änderte, erlebte die kleine Plattform einen plötzlichen Boom. Über Nacht kamen tausende neue Nutzer, berichtet The Verge.

Inzwischen musste der Betreiber Eugen Rochko seinen Dienst sogar temporär schließen – zu stark sei der Andrang. Neuanmeldungen sind momentan nicht möglich, zumindest nicht auf der Hauptseite mastodon.social, dem "Flaggschiff" des Netzwerks. Es gibt aber einige andere Mastodon-Instanzen, darunter auch welche für spezielle Themen. Genau das macht Mastodon so besonders: Statt einer zentralen Plattform gibt es mehrere; fällt eine aus, gibt es bereits Ersatz.

Die Bedienoberfläche von Mastodon erinnert an TweetDeck, ist vor allem aber übersichtlich.

(Bild: mastodon.social)

Mastodon will den "Walled Garden" aufbrechen, der Twitter wie auch Facebook ist – also eine geschlossene Plattform mit ihren manchmal recht willkürlichen Regeln. Diese Regeln bestimmen nicht die Nutzer, sondern die Unternehmen, die die sozialen Netzwerke betreiben. Bestimmte Inhalte sind tabu, etwa Fotos von allzu nackten Körpern.

Und weil Facebook und Twitter mit Werbung ihr Geld verdienen, spionieren sie ihren Kunden hinterher, um mindestens ihre Interessen zu erfahren. Die Plattformen führen außerdem immer wieder Änderungen ein, die den Nutzern nicht passen: Als Twitter ankündigte, den Stream durch einen Algorithmus zu "optimieren", regten sich die User auf. Immer wieder fällt Twitter umstrittene Entscheidungen. Und ein Mitspracherecht haben die Nutzer nur selten.

"Album aufnehmen, Open-Source-Alternative zu Twitter bauen": Metalband Mastodon reagierte auf die gleichnamige Twitter-Alternative.

(Bild: twitter.com/mastodonmusic)

Diese Ohnmacht nervte auch Eugen Rochko, dem die jüngste Entwicklung von Twitter missfiel. Also gründete er kurzerhand sein eigenes Netzwerk: Mastodon, benannt nach der gleichnamigen Metalband, die Rochko gern hört. Ein Freund bastelte ihm ein Logo mit fluffigem Rüsseltier, das verschmitzt grinst – schon konnte es losgehen. Im Oktober 2016 schrieb Rochko bei Hacker News über seine Twitter-Alternative. In den folgenden sechs Monaten lockte das Projekt immerhin 24.000 Nutzer an – "and it's growing fast". Nach Twitters Änderungen an den Antworten waren es sogar Hunderte pro Stunde. Gegen Twitter mit seinen 300 Millionen aktiven Mitgliedern ist das natürlich nichts. Selbst wenn Mastodon irgendwann ausstirbt, setzt es doch ein kleines Zeichen gegen die "Walled Gardens" im Netz.

Viel Geld bringt Mastodon bislang nicht: Einnahmen von gut 1.000 US-Dollar im Monat kommen von Patreon, einer Seite für dauerhaftes Crowdfunding. Werbung gibt es bei Mastodon keine. "Ich mach das nicht, um reich zu werden", erzählte Rochko The Verge. "Ich mache das, weil ich glaube, dass es richtig ist". Mastodon soll ihm Miete und Versicherung zahlen, dann sei alles gut. Weil aber die Nachfrage steigt, steigen auch die Hosting-Kosten. Rochko ermuntert die Leute deshalb, eigene Instanzen aufzusetzen. Schließlich ist das die Grundidee der Plattform.

Mastodon ist eine alternative Implementation des GNU social projects und nutzt Ruby on Rails. Auf Maschinen mit Docker ist es schnell einsatzbereit. Mastodon legt Wert auf ein schnörkelloses REST-API und eine aufgeräumte Bedienoberfläche, die an TweetDeck erinnert. Fürs Frontend werden React.js und Redux genutzt. Mastodon ist kompatibel mit GNU social und allen OStatus-Plattformen. Weitere Details, den Code und Installationshinweise gibt es bei GitHub. (dbe)