Post aus Japan: Eine Region im Raketenfieber

Nordkoreas jüngster Fehlstart einer ballistischen Rakete ruft in Nippons Netzwelt kunterbunte Erklärungsversuche auf den Plan. Dabei kann die Erklärung ganz profan sein, wie ein gescheiterter Test einer neuartigen Mini-Weltraumrakete in Japan zeigt.

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Von
  • Martin Kölling
Inhaltsverzeichnis

Raketentests – besonders gescheiterte – haben in Ostasien gerade Hochkonjunktur, sei es für militärische oder zivile Zwecke. Nordkorea gehört dabei in die erste Kategorie, Japan in die zweite. Doch beginnen wir mit dem Aufreger des Monats, der Demokratischen Volksrepublik Korea und lustigen Erklärungsversuchen aus Japan über den Fehlstart einer ihrer Raketen.

Nordkorea hat erst am Wochenende mal wieder verbotenerweise eine Rakete getestet, die allerdings laut Aussagen des amerikanischen Pazifikkommandos kurz nach dem Start explodierte (wir glauben der Aussage mal, obwohl gerade herauskam, dass der Flugzeugträger, den US-Präsident Donald Trump vermeintlich direkt von Singapur nach Korea geschickt hat, einen Umweg in den Indischen Ozean nahm).

Im japanischen Internet brodelten daraufhin mindestens zwei glaubhafte und drei fragwürdige Theorien für Nordkoreas Fehlschlag hoch. Eine Theorie ist, dass die USA alles unter Kontrolle hatten. Diese Idee findet auch unter amerikanischen Experten Anhänger: Der in Japan ansässige Raketen- und Militärexperte Lance Gatling erwähnt, dass der Norden möglicherweise unwissentlich infizierte Software oder defekte Bauteile im Ausland gekauft hat.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Eine andere, ebenso glaubhafte Vermutung ist, dass Nordkoreas Militärs die Rakete gleich nach dem Start selbst in die Luft gejagt haben. Damit hätten sie zum einen Unbeugsamkeit demonstrieren und zum anderen das Risiko einer militärischen Reaktion der USA senken können, glaubt @nabe1975 auf Twitter. Er befindet sich in guter Gesellschaft: Der Korea-Experte Robert Kelly von der Busan National-Universität nannte den Fehlschlag "das bestmögliche Ergebnis", ohne über die Ursachen zu spekulieren.

Intellektuell herausfordernder ist @acguy4's Tweet, dass der Riesenroboteranzug Gundam die Rakete aufgehalten hätte. Das Argument: Schließlich sei das lebensgroße Gundam-Modell, das bisher in Tokio stand und fünf Jahre über die Hauptstadt wachte, im März gerade abgebaut und abtransportiert worden.

Für Roboterfans wie mich ist die gedankliche Verbindung der zwei Vorkommnisse natürlich verlockend, naheliegend und absolut denkbar. Wer will bei so viel Koinzidenz schon an einen Zufall glauben. Aber leider ist es schon aus technischen Gründen eher unwahrscheinlich. Denn das starre Gundam-Modell ist bisher zu hüftsteif für einen Nahkampf gewesen. Und die Zeit zwischen Abbau und Raketenabschuss wäre für ein epochales Update der Roboterstatue zur agilen Kampfmaschine doch etwas kurz gewesen, gäbe es die notwendige Technik überhaupt schon.

Eine andere Theorie macht die Ausstrahlung der Anime-Serie Pretty Cure für das Scheitern verantwortlich. Und dann gibt es noch die Verschwörungstheoretiker, die Staaten oder Geheimbünde als heimliche Vereitler sehen.

Aber gerade Japans ziviles Raketenprogramm zeigt, dass die Gründe möglicherweise viel profaner unzureichendes Design sein könnte. Ein von Japans Raumfahrtagentur JAXA unterstütztes japanisches Konsortium versuchte im Januar, die kleinste Weltraumrakete der Welt ins All zu schießen.

Die gerade einmal zehn Meter lange SS-520 F4 misst nur 50 Zentimeter im Durchmesser und setzt in vielen Bereichen handelsübliche Elektronik ein. So wollen die Entwickler die Startkosten um 90 Prozent senken. Das Problem: Die Rakete hob zwar vorbildlich ab, stellte dann aber den Datentransfer ein. Also wurde die Mission abgebrochen.

Als mögliche Fehlerquelle gilt die Verkabelung. Es gibt eben viele Dinge, die bei einem Raketenstart schiefgehen können. Aber die Rückschläge halten die Entwickler nicht auf. Nordkorea kündigte bereits an, in schneller Folge weitere Raketen zu testen. Auch die Jaxa stellte einen neuen Versuch noch in diesem Jahr in Aussicht.

Der Grund für den Eifer: Beide Länder verfolgen höhere Ziele. Nordkorea will eine funktionierende Raketenstreitmacht aufbauen, um die USA mit Atombomben beschießen zu können. Und Japan träumt davon, eine kommerzielle Macht in der Raumfahrt zu werden. Japans Ansatz liegt mir persönlich dabei deutlich näher. ()