Echelon verstößt gegen Menschenrechte

Nach Auffassung des Echelon-Ausschusses verletzen US-Geheimdienste, unterstützt von Deutschland und Großbritannien, die Europäische Menschenrechtskonvention.

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Von
  • Arne Mertins

Ein umfangreicher Bericht des Echelon-Ausschusses des Europaparlaments, der in dieser Woche veröffentlicht werden soll, kommt zu dem Ergebnis, dass elektronische Überwachungsmaßnahmen von US-Geheimdiensten gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, auch wenn sie, so wie behauptet wird, zu Strafverfolgungszwecken erfolgen.

Vier neue Studien über "Abhörkapazitäten – Auswirkungen und Ausnutzung" hatte der nicht ständige Untersuchungsausschuss über das Echelon-Abhörsystem im Dezember 2000 bei dem britischen Journalisten Duncan Campbell in Auftrag gegeben. Die neuen Studien brachten den bisherigen Bericht [www.europarl.eu.int/stoa/publi/pdf/98-14-01-2en_en.pdf "Interception Capabilities 2000"] auf den aktuellsten Stand und erweiterten das Untersuchungsgebiet vor allem auf die so genannte "communications intelligence" (COMINT) und deren Implikationen für Wirtschaft und internationalen Handel. Die Studien eins bis drei wurden mit Erlaubnis des Ausschusses in Telepolis veröffentlicht (siehe "Echelon Special").

In Bericht 2, "COMINT impact on international trade", erläutert Campbell anhand einer detaillierten Dokumentation überwiegend amerikanischer Medienquellen die erklärte Politik der US-Regierung in den neunziger Jahren, elektronische Aufklärung für wirtschaftliche Zwecke zu nutzen. Dabei beriefen sich Regierungsvertreter wie der Ex-CIA-Direktor James Woolsey immer wieder darauf, die Geheimdienste zur Spionage gegen europäische Unternehmen nur deshalb zu benutzen, weil diese mit Bestechung und anderen unfairen Handelspraktiken arbeiten würden. Diese von amerikanischer Seite als "Einebnung des Spielfeldes" bezeichnete Politik führte zur Schaffung eines neuen Gremiums zur Förderung des Außenhandels, das Trade Promotion Coordination Commitee (TPCC) – mit direktem Input geheimdienstlicher Information vom CIA und direkten Verbindungen zur US-Wirtschaft durch ein so genanntes "Advocacy Center".

Dem US-Kongress wurde kürzlich mitgeteilt, dass als Ergebnis der "Einebnung des Spielfeldes" amerikanische Firmen Verträge im Wert von 145 Milliarden US-$ im Laufe der neunziger Jahre erhielten. Laut vom Advocacy Center veröffentlicher Berichte über "Erfolgs-Stories" haben europäische Firmen dramatische Einbußen hinnehmen müssen. Frankreich entgingen Exporte im Wert von nahezu US-$ 17 Milliarden, Deutschland US-$ 4 Milliarden.

Der Echelon-Ausschuss kommt nun zu der Schlussfolgerung, dass es gar nicht nötig ist, zu entscheiden, ob in allen diesen Fällen wirklich Bestechung oder andere unfaire Praktiken im Spiel waren, wie von den USA behauptet wird. In dem Bericht werden die USA darauf hingewiesen, "dass alle EU-Staaten über funktionierende Strafrechtssysteme verfügen." Lägen Verdachtsmomente vor, so habe "die USA die Strafverfolgung den Gastländern zu überlassen. Liegen keine Verdachtsmomente vor, so ist eine Überwachung als unverhältnismäßig einzustufen, folglich menschenrechtswidrig und daher unzulässig", heißt es in der Vorabversion des Berichts.

Insbesondere für Deutschland und das Vereinigte Königreich könnten die politischen Implikationen des Berichts noch problematisch werden. Denn zwei der größten elektronischen Abhörstationen der USA befinden sich in Bad Aibling, Bayern, sowie Menwith Hill, England. In den Empfehlungen am Schluss des Berichts heißt es daher, "dass es guten Grund zu geben scheint ... an Deutschland und das Vereinigte Königreich zu appellieren, ihre Verpflichtungen unter der Europäischen Menschenrechtskonvention ernst zu nehmen und die Genehmigung weiterer Geheimdienstaktivitäten der NSA auf ihrem Staatsgebiet davon abhängig zu machen, ob diese mit der Europäischen Menschenrechtskonvention in Einklang zu bringen sind."

Mehr in Telepolis: Deutschland und Vereinigtes Königreich verstoßen mit NSA-Spionageverbindungen gegen Menschenrechte (Duncan Campbell (ame)