Intels Schlachtschiff Itanium läuft vom Stapel

Rund sieben Jahre nach der Vertragsschließung zwischen Intel und HP wurde heute der Itanium als ersten Repräsentant der neuen, gemeinsamen IA64-Architektur vorgestellt.

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Von
  • Andreas Stiller

Fast genau sieben Jahre nach der Vertragsschließung zwischen Intel und HP hat Intel heute den Itanium (Merced) als ersten Repräsentanten der neuen, gemeinsamen IA64-Architektur vorgestellt. Er kam jetzt mit rund zweijährigen Verspätung auf den Markt und musste in der Zwischenzeit miterleben, wie sich auf Grund massiver AMD-Konkurrenz die 32-Bit-Desktop-Prozessoren eine Performance-Schlacht lieferten und sich taktmäßig weit an ihm vorbei in die Höhe schraubten. Mit seinen maximal 800 MHz Takt bleibt der Itanium im vorgesehenen Rahmen, wobei er bei etlichen klassischen Benchmarks hinter den schnellen Desktop-Sprintern, aber auch hinter verbreiteten Serverprozessoren zurückbleibt. Mit einem SPECint2000-Wert von 345 (base) liegt er unter den Erwartungen etwa auf Pentium-III-800-Niveau, und damit weit hinter Pentium 4-1,7GHz, Athlon 1,33 GHz, UltraSparc-III-900, Alpha 21264B-833, Mips R14k-500 oder HP PA8700-750.

Im Gleitkommabereich jedoch hält die neue Architektur, was sie versprach. Dank der als "Drei-Adress-Maschine" organisierten 128 FPU-Register hängt der Itanium als Numbercruncher alles ab was im Mikroprozessorbereich bislang Rang und Namen hat. Mit einem Specfp2000-Basiswert von 700 übernimmt er die Spitzenposition klar vor dem (lästigen) Hauskonkurrenten Pentium 4, der bei 1,7 GHz einen SPECfp2000 von 595 erzielt. Erzgegner Sun erzielt hier mit der UltraSparc III-900 nur 427 Punkte.

Ähnlich gut sieht es bei den Supercomputer-Benchmarks Linpack-1000 und Cactus für den Itanium aus, wo er sich nur den gigantischen, enorm teuren Vektorprozessoren von Fujitsu und NEC geschlagen geben muss. Besonders teuer ist der Neuling indes nicht, zwischen 1177 (733 MHz, 2 MByte L3) und 4227 Dollar (800 MHz, 4 MByte L3) kostet ein Prozessormodul (OEM-Preis); ein Klacks in der Serverszene. Das musste man vor kurzem noch für einen Xeon-500 mit großen Caches auf den Tisch legen.

Intel verhehlt nicht, dass der Itanium noch nicht richtig ausgereift ist und sich die Software (Betriebssysteme, Compiler, Applikationen) noch zumeist im Betastadium befindet. Die jetzt verkauften Systeme setzten gewissermaßen die schon seit einem halben Jahr laufende Pilotphase öffentlich fort. Der Itanium soll nur als "Enabler" für die 64bittige Architektur IA64 dienen. IBM bietet hierfür die IntelliStation Z Pro als Workstation mit zwei Prozessoren ab etwa 17 000 Dollar an (ab 29. Juni im Handel). Dabei handelt es sich weitgehend um Intels "White Box", die auch diverse anderen OEMs mehr oder weniger leicht verändert offerieren. Ähnliches gilt für den Vierfach-Server (Codename Lion). Der ein oder andere OEM (Dell, Compaq) hat größere eigene Variationen davon entwickelt. Hitachi und NEC werfen gar ihre Supercomputer-Erfahrung in die Waagschale und haben 8fach- und 16-fach-Itanium-Server mit eigenen Chipsätzen und Crossbars entwickelt.

Bull, HP, Siemens Fujitsu, SGI, Mitsubishi und Fujitsu – all jene OEM die neben den oben genannten mit ihren Systemen schon seit Jahren von IDF zu IDF, von CeBit zu CeBit "tingeln", wollen etwa ab Juli/August endlich mit ihren Itanium-Systemen auf den Markt. Sie müssen sich auch sputen, denn am Jahresende soll bereits der Itanium-Merced-Nachfolger McKinley in die Pilotphase eintreten. Und dem wird ein ganz erheblich höheres Performance-Potential zugeschrieben.

Näheres zu Intels Itanium finden Sie in c't 12/2001 (am 5. Juni am Kiosk). (as)