Post aus Japan: Kühler Kopf für die KI

Künstliche Intelligenz braucht derzeit noch riesige Datenzentren. Fujitsu verspricht, den Raumbedarf zu halbieren – mit einer Idee aus der Halbleiterreinigung.

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Von
  • Martin Kölling
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Das Wettrennen um künstliche Intelligenz ist an allen Fronten entbrannt. Unentwegt werden neue Algorithmen, Hardware, Anwendungsfälle und Geschäftsmodelle entwickelt und auf den Markt gebracht. Nun versucht der japanische IT-Hersteller und -Dienstleister Fujitsu mit zwei neuen Produkten künstliche Intelligenz (KI) noch schneller und handlicher zu machen: Auf seiner Hausmesse, dem Fujitsu Forum, stellte das Unternehmen vorige Woche in Tokio einen neuen superschnellen Chip und ein neues Kühlsystem für Datenserver vor (Video hier).

Auf einem Stand präsentierte Fujitsu ein kleines, goldiges Rechteck: der "Deep Learning Unit" (DLU), einem auf Maschinenlernen spezialisierten Chip. Mit dem will Fujitsu nun die Marktführerschaft von Nvidia angreifen, dessen Graphikprozessoren bisher oft die Daten für die künstlichen Hirne verarbeiten. Das Verkaufsargument: Fujitsus Chip soll nun bei dieser Spezialaufgabe zehn Mal schneller als Nvidias hellster Prozessor arbeiten können.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Gleich daneben zeigte Fujitsu dann, wie die künstlichen Hirne bei ihren heißen Rechensitzungen besser einen kühlen Kopf bewahren können: mit Flüssigkeitskühlung. Die Ingenieure haben die Serverblades schlicht dicht an dicht in einen Plastikcontainer und den dann mit nicht stromleitenden Fluorcarbonen gefüllt, die sonst zum Reinigen von Halbleitern genutzt werden.

Dies System sei zwar in der Anschaffung teurer als die bisherige Luftkühlung mit Klimaanlagen, sagte mir Takashi Yamamoto, Vizepräsident der zuständigen Geschäftseinheit für mechanisches und thermisches Engineering. Aber die Mehrkosten würden sich in zwei bis drei Jahren amortisieren. Denn ein flüssiggekühltes Datenzentrum soll 40 Prozent weniger Strom und mehr als 50 Prozent weniger Raum als bisherige Zentren benötigen.

Überprüfen kann ich die Angaben nun nicht. Aber das Fujitsu Forum zeigte mir, dass man Japan beim Wettrennen um KI bei weitem nicht abschreiben darf. In vielen Bereichen scheint die Japan AG zwar hinter den Weltspitzen hinterherzuhinken. Aber das Land lief immer dann zu Höchstleistungen auf, wenn es Rückstände aufzuholen galt.

Bei Autos, Mainframe-Computern, Halbleitern oder dem Aufbau einer schnellen Internetinfrastruktur hat es geklappt. Nun haben Staat und Firmen einen neuen Versuch gestartet, Geschichte zu wiederholen.

Nicht nur Fujitsu investiert, sondern auch Rivalen wie Hitachi, Elektronikkonzerne wie Panasonic, alle Autobauer, Baumaschinenhersteller wie Komatsu und natürlich allen voran die Robotergrößen wie Fanuc oder Yaskawa.

Und vielleicht verwandelt sich ein bisheriger Wettbewerbsnachteil deutscher und japanischer Firmen bei der nächsten Stufe der KI-Evolution in einen Vorteil. Die USA hätten mit ihrem Risikokapital und Zentren wie dem Silicon Valley zwar eine Innovationsszene aufgebaut, die andere Länder nicht einfach nachahmen könnten, sagte mir Fujitsus in Deutschland ansässiger Chief Technology Officer Joseph Reger.

Doch sie wollen disruptiv sein, sprich sie träumen wie Amazon oder die Taxi-Alternative Uber davon, schnell zu wachsen, bestehende Firmen zu verdrängen und einen Markt zu beherrschen oder sich meistbietend so teuer wie möglich zu verkaufen. Zusammenarbeit mit den Kunden ist dabei nicht vorgesehen.

Doch nun, wo real bestehende Firmen mit der Umsetzung der neuen digitalen Technik beginnen, ist für Reger "digitale Co-Kreation" (so das Fujitsu-Motto) die neue Tugend. "Es ist ja nicht die Hauptaufgabe, bestehende Industrien zu zerstören", sagt er. Vielmehr gehe es darum, durch die Digitalisierung bestehender Firmen und Organisationen den Wohlstand zu erhalten. Ich persönlich finde diesen Ansatz angenehmer als den disruptiven Ansatz. Nun bin ich mal gespannt, wie sich der Systemkampf entwickelt.

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