Nord-Süd-Gefälle bei der Digitalisierung

Die Digitalisierung ist derzeit ein zentrales Thema in Deutschland. Sowohl Politik als auch Wirtschaft scheinen die Wichtigkeit erkannt zu haben. Nur bei der Umsetzung scheint es zu stocken – im Norden mehr als im Süden.

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Digitalisierung
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Von
  • Peter Nonhoff-Arps

Die wirtschaftlichen Strukturen verändern sich rasend schnell – durch die Digitalisierung, aber auch durch den Wandel im Altersaufbau der Bevölkerung. Digitalisierung erfasse immer mehr Lebensbereiche, "deshalb muss die Grundinfrastruktur dafür passen", betonte etwa Hand-Peter Mayer vom Bayrischen Gemeindetag.

Der Wohlstand der Zukunft werde von anderen Faktoren bestimmt als in der Vergangenheit, schreiben die Autoren Henning Vöpel und André Wolf in einer Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI). So habe Norddeutschland von der alten Globalisierung durch Ausbau von Logistik und Handel besonders profitiert. Bei der digitalen Globalisierung hinken die Norddeutschen jedoch hinterher und müssten aufpassen, den Anschluss nicht zu verlieren. Beim Strukturwandel komme es auf Geschwindigkeit an. "Wer schnell handelt, ist in der Lage, den Vorsprung immer weiter auszubauen."

So hat etwa das Bayrische Kabinett Ende Mai ein drei Milliarden Euro schweres Paket zur Digitalisierung beschlossen – es umfasst etwa den Ausbau des Hochgeschwindigkeits-Internets, Investitionen in Bildung und Unterstützung für die Wirtschaft. "Wir halten das Signal für sehr wichtig", sagte Mayer. Der aktuelle Ausbau der Breitband-Versorgung sei gut für den ländlichen Raum. Doch viele Unternehmen dächten bereits in anderen Kategorien. Daher müsse die Internetversorgung noch leistungsfähiger werden. Von einer Glasfaserversorgung in der Fläche ist man aber auch in Bayern noch weit entfernt.

Das Hochleistungs-Internet sei ein wichtiger Standortfaktor, denn immer mehr Menschen seien zum Beispiel daran interessiert, im Home-Office zu arbeiten und bräuchten deshalb leistungsfähige Internet-Anschlüsse, betont auch Sebastian Koch. Er ist Bürgermeister von Wenzenbach, einer 9000-Einwohner-Gemeinde bei Regensburg.

Der Bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer schmiedet größere Pläne: Er will bis 2025 überall in Bayern eine "Gigabit-Infrastruktur" mit Glasfaserkabeln schaffen. Vor allem Firmen, Forschungseinrichtungen, Behörden und Schulen sollen möglichst rasch von den neuen Datenautobahnen profitieren. Grundsätzlich sollen alle Gemeinden ans Gigabit-Netz angeschlossen werden – wenn auch nicht gleich alle Haushalte. Zudem seien 40 000 zusätzliche WLAN-Hotspots bis 2020 geplant.

In Rheinland-Pfalz kocht man derweil auf etwas kleiner Flamme. Dort wurde gerade das Projekt "1000 Hotspots für 1000 Kommunen" ausgeschrieben. Laut Ministerium sollen die Funkverbindungen ins Internet für alle Menschen mit einem Mobilgerät kostenlos zur Verfügung stehen.

"Der Norden Deutschlands ist in den vergangenen Jahren gegenüber Süddeutschland zurückgefallen. Durch den gegenwärtigen fundamentalen wirtschaftlichen Wandel könnte sich der Rückstand vergrößern und der Norden den Anschluss verlieren", heißt es abschließend in der Hamburgischen Studie.

Vorbild für den Ausbau der Digitalisierung könnte Estland sein. Es gilt als ein Pionier bei der Digitalisierung und bei Projekten zum E-Government. Das hat auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel bei einem Besuch in Tallinn im März anerkannt und sich erinnert, wie rückschrittlich ihm Deutschland nach einer Vorstellung von "E-Estonia" vorgekommen war. (mit Materia der dpa) / (pen)