Freie 3D-Software Blender 2.79

Das quelloffene 3D-Modellier- und Animationssystem Blender hat den Schritt von Version 2.78c auf 2.79 vollzogen. Ein kleiner Schritt in der Versionsnummerierung, aber ein ziemlich großer Schritt in Bezug auf technische Details und Fehlerbereinigung.

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Freie 3D-Software Blender 2.79
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Gottfried Hofmann
Inhaltsverzeichnis

Blender 2.79 schließt die 2.7x-Serie ab. Parallel zu den monatelangen Arbeiten an der aktuellen Fassung haben die Entwickler auch bereits die Vorbereitungen für die nächste größere Stufe vorangetrieben: die Version 2.8, die noch etliche weitere Monate bis zur Fertigstellung brauchen wird.

Das Team hat großen Wert darauf gelegt, im Finale der 2.7er-Generation die Lücken zu stopfen, die bislang noch in den Workflows bestanden. Das betrifft vor allem die Render-Engine "Cycles". Zudem ging es verstärkt darum, die Performance zu steigern und Fehler zu beseitigen. Einige Arbeit floss auch in Add-ons. Allzu viele warteten bereits seit Längerem auf ihre Integration in den Hauptzweig des Projekts. Nun können Anwender sich über mehr als 20 neu integrierte Add-ons freuen.

Die drei wichtigsten neuen Merkmale der auf Pathtracing beruhenden Cycles-Engine sind der Denoiser, der Shadow Catcher und der Principled-BSDF-Shader.

Typisches Rauschen in einem Bild, an dem nicht lange genug gerendert wurde.

(Bild: The Pixelary)

Das gleiche Rendering nach dem Denoising-Schritt. Die Renderzeit bleibt dadurch fast identisch.

(Bild: The Pixelary)

Bilder, die mit Pathtracing-Render-Engines wie Cycles erzeugt werden, weisen ein Rauschen auf, das langsam verschwindet, je länger das Rendering fortschreitet. Eine gänge Praxis besteht darin, den Rendering-Prozess schon abzubrechen, wenn noch Rauschen sichtbar ist, und dieses durch Nachbearbeitung zu entfernen. Das war bisher grundsätzlich auch bei Blender möglich, nämlich über den Compositor. Der neu integrierte Denoiser kann allerdings auf deutlich mehr Informationen zurückgreifen, die die Rendering-Engine beim Aufbau des Bildes sammelt. Dadurch zeigen auch die Ergebnisse eine bessere Qualität. Bei komplexen Standbildern spart man so durchaus mehrere Stunden an Renderzeit. Für Animationen ist der Denoiser aber noch nicht geeignet; bei seinem Einsatz kann ein störendes Flackern entstehen. Für die Zukunft ist allerdings geplant, dass das Tool Informationen aus vorangegangenen Bildern in die Berechnungen einfließen lässt, um besagtes Flackern zu vermeiden.

Auch für das sogenannte Baking, bei dem Lichtberechnungen in den Texturen von Objekten gespeichert werden, um diese dann zum Beispiel in Echzeit in Computerspielen darstellen zu können, kann der Denoiser noch nicht eingesetzt werden (siehe hierzu "Flotter und effizienter rendern, Version 2.77 des 3D-Pakets Blender"). Diese Lücke soll in künftigen Versionen ebenfalls geschlossen werden.

Bei der Integration gerenderter 3D-Elemente in Fotos oder Videos ist es wichtig, dass die Lichtverhältnisse der gerenderten Teile möglichst gut mit der Beleuchtung der Realanteile übereinstimmen. Dabei geht es auch um Schattenpartien. Der Shadow Catcher in der Cycles-Engine erlaubt es, Objekte zu definieren, die ausschließlich Schatten empfangen. Wenn man diese von der Bewegung her auf die realen Objekte im Video abstimmt, kann man die virtuellen Elemente Schatten auf die realen werfen lassen, wodurch das Ergebnis glaubwürdiger wirkt.

Rendering-Vergleich zwischen Cycles mit Principled BSDF und der Darstellung in Substance Painter von Julian Perez.

Bislang musste man sich Materialien in der Cycles-Engine aus zahlreichen Nodes zusammenklicken, von denen jeder nur eine sehr spezielle Aufgabe erfüllte. Der von Adidas gesponserte "Principled BSDF"-Shader in Blender 2.79 eröffnet eine Alternative dazu. Dieser Shader ist mit einer Reihe von Schiebereglern ausgestattet. Die angebotenen Einstellungsmöglichkeiten decken einen großen Teil der üblicherweise genutzten Materialien ab. Darum werden solche Shader gemeinhin auch "Über-Shader" genannt. Die neue Principled BSDF heißt inoffiziell auch "Disney Shader", da Technik und Aufbau an den Shader angelehnt sind, den Disney seit dem Animationsfilm "Finding Dory" im hauseigenen Hyperion-Renderer einsetzt. Die Funktion ist beispielsweise in Renderman ebenfalls unter diesem Namen zu finden. Aus markenrechtlichen Gründen haben die Blender-Entwickler die Bezeichnung aber vermieden.

Die Principled BSDF berechnet den Fresnel-Effekt auf Mikrofacetten-Ebene. Das ermöglicht es, auch raue Oberflächen physikalisch korrekt darzustellen. Des weiteren sind die Parameter an vorhandene PBR (Physically Based Rendering)-Workflows angepasst. Man kann also Texturen aus Programmen wie Substance Painter, die diese Konventionen ebenfalls unterstützen, ohne Umwege direkt in die entsprechenden Eingänge der Principled BSDF von Blender stecken.

Subsurface Scattering (SSS) und Volumetrics sind in Blender 2.79 nicht mehr auf Nvidias CUDA-Technik beschränkt, sondern lassen sich auch im OpenCL-Backend mit Grafikkarten von AMD nutzen. Rechnet man die Optimierung von transparenten Schatten hinzu, so herrscht nun nahezu ein Gleichgewicht bei der Unterstützung beider Grafikkarten-Architekturen.

Vergleich der Renderzeiten mit AMD-Grafikkarten WX7100 und RX480 in Version 2.78c (rot) und 2.79 (grün).

Die Blender-Entwickler haben die häufigsten Gründe für Abstürze des Systems im Zusammenhang mit AMD-Karten beseitigt. Es ist jetzt auch mit diesen Karten möglich, diejenigen Bildkacheln anzuzeigen, die gerade berechnet werden. Die Performance wurde stark verbessert: Manche Szenen rendert Blender 2.79 mit AMD-Karten mehr als doppelt so schnell wie die Version 2.78. Aufgrund von Treiberproblemen hat das Entwicklerteam GPU-Rendering für Karten mit der GCN-1-Architektur vollständig deaktiviert. Das betrifft etwa die Readeon-7xxx-Serie.

Die neuen Darstellungsoption "Filmic" erlaubt es, einen Dynamikumfang ähnlich dem des menschlichen Auges auf herkömmlichen Monitoren darzustellen. Als weitere Option ist ein Effekt integriert, der bei analogem Film auftritt und inzwischen auch von digitalen Kameras emuliert wird: Je stärker das Licht, desto weiter bleichen Farben aus.

Dank Filmic gehen die Umrisse dieses Tesla Model 3 weich in den hellen Hintergrund über.

(Bild: Mike Pan)

Mit Filmic ist jetzt zweiterlei möglich. Zum einen kann man die Beleuchtung einer Szene besser anpassen, da ein weiterer Farbraum dargestellt wird. Zum anderen lässt sich Filmic auch für den finalen Export nutzen – etwa für die Ausgabe von PNG-Bildern. Beim Export in lineare Formate wie OpenEXR wird Filmic nicht angewandt. Da es sich aber um eine OpenColorIO (OCIO)-Konfiguration handelt, lässt sich Filmic zu den meisten Compositing-Programmen wie Nuke gewissermaßen mitnehmen.

Eine weitere Baustelle bei Blender betraf die Kommunikation zwischen Blender und anderen 3D-Programmen wie Houdini. Die Entwickler haben die Unterstützung für das offene Grafikformat Alembic generalüberholt, das dem Austausch von 3D-Daten dient.

Unter X11 und Windows ab 8.1 arbeitet Blender nun besser als zuvor mit hochauflösenden Displays zusammen. Die Oberfläche ließ sich auch bislang schon manuell anpassen. Nun hilft eine Automatik der richtigen Einstellung auf die Sprünge; eine manuelle Korrektur ist weiterhin möglich. Unter Windows werden zudem Konfigurationen mit mehreren Monitoren unterstützt, die unterschiedliche Auflösungen nutzen.

Mancher, der aus Blender heraus Videos encodierte, um ein externes Schnittprogramm zu nutzen, hat sich bislang über die verwirrende Bedienoberfläche gewundert. So gab es etwa keine saubere Trennung zwischen Codecs und Containern. Für Blender 2.79 ist die Encoding-Oberfläche gründlich überholt worden und vollzieht die genannte Einordnung korrekt. Beim Export nach H.264 stehen jetzt zusätzliche Optionen wie die Wahl der Encodiergeschwindigkeit zur Verfügung.

Eigentlich war der Grease Pencil dafür gedacht, Einzelbildanimationen im klassischen Sinne herzustellen, also jeden Frame einzeln zu setzen. Aber warum sollte man das Werkzeug darauf beschränken, wenn Blender doch ein vollwertiges System zur Animations-Interpolation mitbringt? So ist es jetzt möglich, zwei Grease-Pencil-Frames weich ineinander zu überführen. Dafür stehen die gleichen Interpolationskurven wie im regulären Animationssystem von Blender zur Verfügung. Der Anwender kann aber auch eigene Kurven erzeugen.

Mit dem neue Surface Deform Modifier lässt sich eine Oberfläche anhand einer anderen Oberfläche deformieren. Das ist nützlich, wenn es darum geht, Ergebnisse von niedrig aufgelösten Objekten auf höher aufgelöste zu übertragen. So kann man beispielsweise eine Stoffsimulation auf einem niedrig aufgelösten Mesh laufen lassen und das Ergebnis dann auf ein sehr detailliertes Kleidungsstück mit vielen Verzierungen übertragen.

Da Blender 2.79 noch für eine ganze Weile die aktuelle stabile Version bleiben wird, haben die Entwickler sich Mühe gegeben, möglichst viele Add-ons, die auf die Integration in den Hauptzweig warteten, in diesen zu übernehmen. Eine Übersicht aller 22 neu integrierten Add-ons findet sich in den Release Notes; einige der wichtigsten zeigt unsere Bildergalerie.

Blender-Add-ons (5 Bilder)

Mit dem Add-on "Dynamic Sky" kann man einen prozeduralen Himmel erzeugen.

Zu den beschriebenen Neuerungen kommen zahlreiche kleinere Funktionen und Detailverbesserungen, die in nahezu allen Bereichen des Systems eingepflegt worden sind. Außerdem haben die Entwickler nach eigenen Angaben zusätzlich mehr als 700 Programmfehler aus vorhergehenden Versionen behoben.

Blender läuft unter Windows, Mac OS und Linux. Die Version 2.79 steht ab sofort zum Download bereit. (zsdb)