Post aus Japan: Good Vibrations

In einer Region, in der Kaltwäsche Standard ist, ist Einfallsreichtum gefragt, um Blütenweiße zu versprechen. In Nippon und Südkorea präsentieren Firmen ihre Ideen, wie man ohne Waschmaschinen supersauber waschen kann.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling
Inhaltsverzeichnis

Neulich im Technikkaufhaus traf mich der Schock. Ein großes Schild pries eine Waschmaschine von Electrolux dafür an, dass man Textilien mit 80 Grad waschen könne. Endlich blütenweißer Hygienespaß statt der obligatorischen Kaltwäsche in Japan – und das alles für nur 3.000 Euro? Ich vermochte es kaum zu glauben. Nun kam es so wie es kommen musste.

Vorsichtshalber fragte ich nach, ob diese Waschleistung auch mit meiner 110-Volt-Leitung zu erreichen sei. Nein, kam die erwartete Antwort, es müssten schon 220 Volt aus der Steckdose kommen. Doch da ich zur Miete wohne, ist die Aufrüstung schwierig. Kochwäsche, ja selbst 60-Gradwäsche mit mehr als 1,5 Kilogramm Kleidung wie in meiner bisherigen Maschine bleibt ein ferner Traum.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Zum Glück wurde mein Wäschefrust ein paar Meter weiter wieder weggespült. Dort fand ich zwei Beispiele dafür wie ostasiatische Konzerne fehlende Waschkraft durch Einfallsreichtum zu ersetzen versuchen.

Das erste Produkt sah aus wie ein schmaler Wäscheschrank und war auch einer – und zwar von LG in Südkorea. LG Styler nannte er sich mit dem Untertitel "Steam Wash & Dry". Und der sollte für etwa 1.600 Euro tun können, wofür Japaner Blusen, Hemden, Röcke oder Anzüge sonst in die Reinigung tragen: Gerüche, Schmutz und Pollen beseitigen und zugleich Bügelfalten in Hosenstoff pressen.

Bei dem System wurde Dampf in den Innenraum geleitet, während die Wäschestange fünf an ihr aufgehängte Wäschestücke leicht im Dampfhauch schwang und eine Hose in der Tür hing und gepresst wurde. Diese zwei Tricks sollen 99,5 Prozent der Pollen und 99,99 Prozent der Bakterien killen können, ganz ohne Kochwäsche. Eine nette Idee dachte ich, aber doch etwas groß und zu teuer für meine Zwecke.

Zum Glück bot der japanische Elektronikkonzern Sharp um die Ecke eine Weiterentwicklung einer Waschtechnik in portabler und preislich bekömmlicherer Form an, die sich in fest installierten Waschmaschinen nie gegen herkömmliche Kombinationen aus Trommelrotation und Waschmittel durchgesetzt hat: Reinigung durch Ultraschall. Dabei handelte es sich um ein etwas Sprühdosen großes Produkt mit dem total wenig einfallsreichen Namen "Ultraschallwäscher UW-A1" an.

Der Clou ist die Spitze des Geräts, die 38.000 Mal pro Sekunden schwingt und so Ultraschall ins Gewebe schießt. Die Bedienungsanleitung beschreibt, wie man den etwa ein Zentimeter breiten Kopf im Waschbecken über die verunreinigte und nasse Wäsche führt und so die Probleme aus der Welt schafft, die man sich durch das stromtechnisch bedingte Fehlen von höheren Waschtemperaturen erst eingehandelt hat: dunkle Ränder an Hemdkragen, gelbliche Verfärbungen im Achselbereich von T-Shirts und jede Menge Essensflecke. Selbst Spaghetti und Rotwein verlieren ihren Schrecken, versuchte mir die Werbung glauben zu machen.

Etwa 80 Euro soll der Helfer kosten. Und ich gestehe, die Idee ist reizvoll, so sie denn wirkt. Denn bisher verwenden meist Hausfrauen und die Männer, die ihre Hemden selber Waschen, immer wieder gehörige Mühe darauf, mit speziellen Waschmitteln und kleinen Handbürsten den Hemdkragen zu schrubben. Doch ist das Ergebnis auf Dauer oft nicht befriedigend. Selbst ausprobiert habe ich das Gerät zwar nicht. Aber bei Amazon bewerteten 114 Reviews den Ultravibrator immerhin mit 3,9 von der 5 Sternen.

Trotz meiner Freude an den Innovationsversuchen erinnern sie mich daran, dass Japan wäschetechnisch hinter Deutschland zurückgeblieben ist. Immer wieder ertappe ich mich bei der Sehnsucht, eine gesamte Wäsche mit wenigstens 60 Grad reinigen zu können.

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