Manchen Auslandsdeutschen wird die Teilnahme an der Wahl aus dubiosen Anforderungen verwehrt

Bild: J. Patrick Fischer/CC BY-SA-3.0

Auslandsdeutsche müssen mitunter eine "persönliche und unmittelbare Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik" nachweisen, wenn sie wählen wollen

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Wer als deutscher Staatsbürger seit 25 Jahren im Ausland gewohnt hat, keinen ständigen Wohnsitz in Deutschland hat und nicht einmal drei Monate ununterbrochen in Deutschland gelebt hat, darf nach einer Gesetzesänderung von 2013 im Wahlrecht womöglich zeitweilig nicht mehr an den Wahlen in Deutschland teilnehmen. Zwar ist der Nachweis nicht mehr erforderlich wie zuvor, dass man drei Monate ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland gelebt hat. Aber nun muss der Nachweis erbracht werden, dass Auslandsdeutsche eine "persönliche und unmittelbare Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik" besitzen, was auch zu heißen scheint, dass sie am "Kommunikationsprozess zwischen Volk und Staatsorganen" teilnehmen.

Die Vertrautheit reicht aber nicht aus, sie müssen auch von den politischen Verhältnissen "unmittelbar betroffen" sein. Das wären die Auslandsdeutschen möglicherweise durch diese Regelung selbst. Die Bundestagsfraktion der Linken, die zum Thema eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt hat, meinte, dass nach dieser Logik "in Deutschland lebenden Ausländern auch ohne deutsche Staatsbürgerschaft das Recht zur Teilnahme an der Bundestagswahl zugebilligt werden" müsse.

Die Bundesregierung antwortete, dass die Gesetzesänderung 2013 von allen Fraktionen eingebracht worden sei, sie sei dann auch einstimmig beschlossen worden, also auch mit den Stimmen der Linken. Sinn sei es gewesen, dass auch die im Ausland lebenden Deutschen, die nicht drei Monate lang ununterbrochen einmal während der letzten 25 Jahre in Deutschland waren, nicht automatisch das aktive Wahlrecht verlieren.

Das Bundesverfassungsgericht hatte diese Regel beanstandet, weil damit Auslandsdeutsche, die "typischerweise mit den politischen Verhältnissen vertraut und von ihnen betroffen sind" ausgeschlossen werden, während diejenigen, die sich einmal drei Monate in Deutschland aufgehalten haben, aber "die notwendige Vertrautheit mit den hiesigen politischen Verhältnissen mangels hinreichender Reife und Einsichtsfähigkeit nicht erwerben konnten", das aktive Wahlrecht beanspruchen können. Das war etwa der Fall, wenn jemand unmittelbar nach der Geburt 3 Monate in Deutschland ansässig war, dann aber mit seinen Eltern ins Ausland zog. Daher wurde das Wahlrecht auch durch eine Altersregelung ergänzt, so dass jemand nach Vollendung des 14. Lebensjahres mindestens drei Monate ununterbrochen in Deutschland gelebt haben muss und dieser Aufenthalt nicht länger als 25 Jahre zurück liegt.

Nach Auskunft der Bundesregierung ist nicht bekannt, auf wie viele Auslandsdeutsche sich diese Regelung auswirkt. Verwiesen wird auf die Antwort auf eine Anfrage aus dem Jahr 2014, die Bundestagswahl 2013 betreffend. Dort heißt es:

In ein Wählerverzeichnis eingetragen wurden bei der Bundestagswahl im Jahr 2013 insgesamt 67 057 im Ausland lebende, in Deutschland nicht (mehr) gemeldete wahlberechtigte Deutsche (Auslandsdeutsche), davon 64 902 nach § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Bundeswahlgesetzes und 2 155 nach § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 BWahlG. Nach den vorliegenden Angaben aus den Ländern sind etwa 1 000 Anträge bekannt, die nach § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 BWahlG abgelehnt wurden, und etwa 500 Anträge bekannt, die nach § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 BWahlG abgelehnt wurden.

Zu den Angaben über diese Bundestagswahl wird gesagt:

Zur Bundestagswahl 2017 wurden nach den letzten vorliegenden Zahlen vom 8. September 2017 nach Ablauf des Stichtags nach § 18 Absatz 1 BWO (21. Tag vor der Wahl, 3. September 2017) 100 100 Personen in ein Wählerregister in Deutschland eingetragen, darunter 2 931 Personen nach dem neuen Ausnahmetatbestand des § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 BWG.

2013 wurden also um die 500 Anträge von 2155 abgelehnt, weil die "persönliche und unmittelbare Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen" offenbar nicht ausreichte. Ob diejenigen, deren Antrag genehmigt wurde, auch an der Wahl teilgenommen haben, weiß die Bundesregierung nicht. Aus welchen Gründen die Ablehnungen erfolgten, teilt die Bundesregierung nicht mit: "Die Gründe für Ablehnungen von Anträgen auf Eintragung in ein Wählerverzeichnis nach § 12 Absatz 2 BWG durch die zuständigen Behörden werden nicht statistisch erfasst."

Sind alle in Deutschland lebenden Wahlberechtigten mit den politischen Verhältnissen vertrau?

Beurteilt wird die "Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen" von den jeweilig zuständigen Gemeindebehörden. Auf die Frage, wie Auslandsdeutsche ihre Vertrautheit nachweisen können, schweigt man sich aus und verweist auf den Nachweis, drei Monate lang ununterbrochen in Deutschland gelebt zu haben, was "durch Abgabe der Versicherung an Eides statt gegenüber der Gemeindebehörde" erfolgt. Sollte man seine Vertrautheit also mit einem Eid beglaubigen?

Es liegt nahe, wenn die Linken fragen, ob die Bundesregierung denn der Auffassung sei, "dass alle in Deutschland lebenden Wahlberechtigten persönlich und unmittelbar Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben"? Und ob sie, wenn sie nicht davon ausgeht, befürworten würde, dass dann auch diese die Vertrautheit nachweisen müssen, da sonst Im Ausland lebende Deutsche und im Inland lebende Deutsche unterschiedlich behandelt würden. Darauf wollte man sich natürlich schon gar nicht einlassen.

Ulla Jelpke, die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, kommentiert: "Die Bundesregierung bleibt weiterhin eine klare Aussage schuldig, wie die persönliche und unmittelbare Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in Deutschland letztlich inhaltlich nachgewiesen werden kann. Zwar gibt es keine Statistik darüber, wie viele Personen tatsächlich von dieser Regelung betroffen sind. Doch entsprechende Medienberichte haben für Beunruhigung gesorgt und dem Ansehen der Bundesrepublik im Ausland geschadet. Auch wenn die Wahlrechtsänderung im Jahr 2013 von allen vier im Bundestag vertretenen Fraktionen im Einvernehmen beschlossen wurde, sollte in diesem Punkt eine Nachbesserung erfolgen."