Notfall-Robotik: Polnische Roboterteams beeindrucken mit Improvisationstalent

Letzter Tag des Roboterwettbewerbs ERL Emergency: Von Improvisationstalent, Koordinationsschwierigkeiten und längst gelösten Problemen.

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Notfall-Robotik: Polnische Roboterteams beeindrucken mit Improvisationstalent

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Der Roboterwettbewerb ERL Emergency in Piombino bot am letzten Tag noch ein wenig Spannung und Dramatik. Mit den Raptors und dem Team IMM traten bei den Bodenrobotern zwei polnische Teams an, die zunächst mit massiven technischen Problemen zu kämpfen hatten – dann aber auf einmal doch noch in Fahrt kamen und eine Aufgabe nach der anderen lösten.

Bei IMM sah es eine Stunde lang so aus, als würde so gut wie gar nichts passieren. Bei drei Startversuchen kamen die zwei Roboter, von denen einer als mobile Relaisantenne diente, lediglich ein paar Meter weit und blieben dann stehen. Erst im vierten Anlauf lief es auf einmal geschmeidig. Der Relaisroboter nahm eine günstige Position vor dem Gebäude ein, während der andere zunächst die Umgebung erkundete, dann ins Gebäude fuhr, dort die vermisste Person fand und bis in den Maschinenraum vordrang – alles weitgehend autonom und in lediglich 40 Minuten statt der für die gesamte Mission eigentlich vorgesehenen 100 Minuten. Fast wäre es noch gelungen, beide Roboter vor Ablauf der Zeit an den Startpunkt zurückzufahren. Aber der eine steuerte auf einmal in Richtung Wasser, sodass er von den begleitenden Teammitgliedern gestoppt werden musste.

ERL Emergency (11 Bilder)

Der Roboter des Teams Raptors hat die Antenne mit dem Repeater am vorgesehenen Ort aufgestellt… (Bild: Dr. Hans-Arthur Marsiske)

Bei den Raptors, die zuvor als erstes Team gestartet waren, erwies sich zunächst die Antenne als zu schwer, die der Roboter mit seinem Greifarm transportieren sollte. Hinzu kamen die fast schon üblichen Kommunikationsprobleme zwischen Kontrollstation und Roboter. Als die Antenne schließlich durch eine leichtere ausgetauscht und der Roboter in Gang gekommen war, ergab sich ein neues Problem: Eigentlich sollte die Antenne vom Roboter auf dem Weg zum Gebäude aufgestellt werden, um die Funkverbindung zu gewährleisten. Doch der Greifer ließ sich nicht öffnen. Ein Neustart war erforderlich. Da der Greifer sich auf die Schnelle nicht reparieren ließ, konstruierte das Team kurzerhand einen Haken, an dem die Antenne aufgehängt wurde. Inzwischen waren von den zur Verfügung stehenden 100 Minuten schon über 30 vergangen. Aber jetzt lief alles glatt.

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Inzwischen hatte das für den Flugroboter verantwortliche Team der Raptors für das Erste-Hilfe-Paket, das beim Bodenroboter abgeworfen werden sollte, einen Plastikring konstruiert, sodass das Paket mit dem Haken aufgenommen werden konnte. Zuvor war schon ein Hilfspaket direkt bei der außerhalb des Gebäudes platzierten Puppe präzise abgeworfen worden. Außerdem war die Drohne um das Gebäude herum geflogen, um dort Erkundungen vorzunehmen, die eigentlich Aufgabe des Bodenroboters waren. Die flugtechnische Kontrolle wurde von einem Schiedsrichter als die wohl beste Leistung im Wettbewerb der Flugroboter gewertet. Allerdings scheiterten die Bediener der Drohne an den Lichtverhältnissen: Der Unterschied zwischen grellem Sonnenlicht und Schatten war zu stark, um die Farben der Tafeln zu erkennen, die blockierte und freie Eingänge markierten.

Aber dafür hatte sich der Bodenroboter mittlerweile offenbar warmgelaufen. Er nahm das unmittelbar neben ihm abgeworfene Hilfspaket mit seinem Haken auf und legte es bei der Puppe ab, die im Gebäude eine vermisste Person darstellte. Danach passierte er die engen Durchgänge, an denen er in der Vorrunde noch gescheitert war. Jetzt bewährte sich der modulare Aufbau des Roboters, der es dem Team erlaubt hatte, die Spurweite etwas schmaler zu machen. Im Maschinenraum gelang es dann wenige Minuten vor Ablauf der Zeit auch noch, ein Hebelventil zu schließen. Beim Radventil musste der Roboter wegen des defekten Greifers passen.

Mit so viel Improvisation so weit zu kommen, ist eine Leistung, die besondere Anerkennung verdient. Schließlich kann es in realen Katastrophensituationen über Leben und Tod entscheiden, auf unerwartete Probleme rasch reagieren zu können. Aber für Flexibilität und Erfindungsreichtum gab es bei der ERL Emergency keine Extrapunkte. So mussten sich die Raptors, die in der "Grand Challenge" des Wettbewerbs mit dem Unterwasserteam Oubot (Obuda University) kooperierten, am Ende mit dem dritten Platz begnügen, knapp hinter IMM, das sich mit IIS Piombiono (Luft) und der Technical University of Madrid (Wasser) zusammengetan hatte. Gesamtsieger der ERL Emergency wurde mit deutlichem Abstand das Team Telerob (Boden) / Universitat de Girona (Wasser) / ISEP-INESC (Luft). Zu diesem Erfolg trugen neben der Leistung am Boden insbesondere die Koordination zwischen den drei Domänen bei, bei der andere Teams keine Punkte erzielten, sowie die Unterwasserroboter, die hinsichtlich der Punktzahl nur vom Team Tomkyle (Fachhochschule Kiel) übertroffen wurden. Generell war das Wasser aber die Domäne, in der die Leistungen der Roboter ansonsten am enttäuschendsten waren.

Auffallend war auch, wie viele Teams mit Schwierigkeiten bei der Funkverbindung zu kämpfen hatten. Bei einer Neuauflage des Wettbewerbs wäre daher vielleicht zu überlegen, den Teilnehmern von vornherein stabile Kommunikationsinfrastrukturen zur Verfügung zu stellen, damit sie nicht wertvolle Energie beim Kampf mit Problemen verlieren, die im Prinzip gelöst sind. Die Defizite bei der Koordinierung der verschiedenen Domänen zeigen dagegen, dass die Fokussierung auf dieses Thema richtig und notwendig ist.

Eine andere Frage ist es, ob die ERL Emergency in ihrer jetzigen Form geeignet ist, die Forschung und Entwicklung in dieser Richtung voranzutreiben. Es ist zwar bemerkenswert, was die Organisatoren mit dem vergleichsweise kleinen Budget von 500.000 Euro zustande gebracht haben. Aber möglicherweise muss die EU hier einfach mehr Geld in die Hand nehmen und den Wettbewerb internationaler ausrichten, sodass auch für Teams von außerhalb Europas die Teilnahme interessant wird. Ansonsten könnten andere Wettbewerbe der ERL Emergency bald den Rang ablaufen.

So wird in gut einem Jahr in Japan erstmals der World Robot Summit stattfinden, der unter anderem einen Wettbewerb für Rettungsroboter vorsieht. Während die Europäer sich von dem Reaktorunfall in Fukushima zu einer Veranstaltung haben inspirieren lassen, die den Ernstfall in einer halbwegs geeigneten Umgebung auf recht abstrakte Weise nachstellt, wollen die Japaner in Fukushima selbst dafür ein Testgelände einrichten, basierend auf den Erfahrungen mit der realen Katastrophe. Außer dem Wettbewerb in realistischer Umgebung soll es zudem einen weiteren mit den beim RoboCup verwendeten Standardtestmethoden geben, die besser quantifizierbare und damit vergleichbare Ergebnisse ermöglichen. Es bleibt abzuwarten, wie diese Pläne umgesetzt werden, aber zunächst einmal klingen sie überzeugender als der europäische Ansatz. (axv)