Künstliche Embryonen

Stammzellen können sich zu Strukturen zusammenlagern, die menschlichen Embryonen ähneln. Erste Experten halten sogar den Schritt zum künstlichen Embryo für möglich. Dürfen die Wissenschaftler weiterforschen?

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Von
  • Antonio Regalado

Dieser Text-Ausschnitt ist der aktuellen Print-Ausgabe der Technology Review entnommen. Das Heft ist ab 12.10.2017 im gut sortierten Zeitschriftenhandel und im heise shop erhältlich.

Vor zwei Jahren machte Yue Shao eine Entdeckung, die ihn noch lange beschäftigen sollte: An der University of Michigan erforschte er menschliche embryonale Stammzellen. Er suchte nach Methoden, um aus diesen Zellen organisierte dreidimensionale Strukturen zu formen. Der Maschinenbau-Ingenieur mit einem Faible für die Biologie ließ sie in einer weichen, gelartigen Gerüstsubstanz wachsen und hielt nach primitivem Nervengewebe Ausschau. Dabei fiel ihm auf, dass sich die Zellen sehr viel schneller zu verändern schienen als erwartet. Außerdem ordneten sie sich innerhalb weniger Tage zu einem unregelmäßigen Kreis an.

Um herauszufinden, was das sein könnte, begann Shao zu googeln. Auf einer Webseite namens „The Virtual Human Embryo“ stieß er auf Mikroskopaufnahmen von zehn Tage alten menschlichen Embryonen. Sie sahen aus wie seine Strukturen. Hatten sie tatsächlich einen echten menschlichen Embryo aus Stammzellen hergestellt?

Wie das Team herausfand, handelte es sich bei den Konstrukten nicht um vollständige Embryonen. Tests bestätigten, dass es lediglich Teile von Embryonen waren. Die Zellhaufen besaßen zwar die Anfänge einer Fruchtblase. Es fehlte allerdings eine ganze Zelllinie – Trophoblast genannt –, aus der später die Plazenta entsteht. Im Inneren der Zellklumpen fanden die Forscher nur einen der drei entscheidenden Zelltypen, aus denen sich ein Körper bildet. Die Bausteine für Plazenta, Herz und Gehirn waren ebenfalls nicht vorhanden. Trotzdem sahen die „Embryoide“ so realistisch aus, dass die Forscher sie fünf Tage nach ihrer Erzeugung vernichteten.

Das Team aus Michigan hielt sich damit an eine Übereinkunft unter Wissenschaftlern in den USA, die mit natürlichen menschlichen Embryonen arbeiten. Usus ist: Kein Embryo wird länger als zwei Wochen untersucht. Es gilt die „14-Tage-Regel“. Dennoch wirft die Arbeit tiefgreifende Fragen auf – umso mehr, als Forschungen mit sogenannten Embryoiden nicht nur an der University of Michigan stattfinden.

(rot)