Die Demokratisierung des Krieges

Im Jemen und in Pakistan fing es an, bei Amazon und der Post soll es weitergehen. Bald wird es selbstverständlich werden, dass wir draußen und drinnen von etwas Elektronischem umsummt werden.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Peter Glaser

Fernerkundung und Fernwirken galten lange als göttliche Fähigkeiten. Heute haben wir die Sache technisch im Griff und müssen uns auf eine ferndurchwirkte Zukunft vorbereiten. Wie wird es sich in einer solchen Welt leben? Die Übergänge aus dem militärischen Bereich ins Zivile sind fließend. Drohnen repräsentieren nicht mehr nur tödliches Agieren in Waziristan. In immer mehr zivilen Anwendungen erobern sie die Verkehrsräume der Welt und verheißen eine Version des Internets, in der nicht nur Datenpäckchen transportiert werden, sondern auch das verbleibende nicht digitalisierbare Material. Statt Modellflugzeugen starten von den Wiesen nun kleine Schwebeplattformen, Quadrocopter, fliegende Kameras.

Journalisten nutzen Drohnen zur visuellen Aufklärung. Umweltschützer ermitteln damit Emissionen an hohen Schornsteinen. Ein von anonymen Drohnen-Filmern dokumentierter Strom von Schlachtereiblut im Trinity River in Dallas führte zur Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft. Versandhändler wollen mit Drohnen Pakete zustellen, Vulkanologen senden sie in die Gluthölle aktiver Krater, Klimaforscher untersuchen damit bisher unzulängliche Bereiche der Erdatmosphäre. Ein Ingenieur aus Louisiana rüstete einen Modellhubschrauber mit einer Wärmebildkamera aus und teilte seinem nachts jagenden Kollegen per Funk die Position georteter Wildschweine mit. Texanische Jäger, die sich durch eine Überwachungsdrohne von Tierschützern gestört fühlten, beschlossen, sie als Vogel zu behandeln und abzuschießen. Jetzt stehen Prozesse an.

Mit der Zunahme an Drohnen werden die Konfrontationen zunehmen. Ex-Google-CEO Eric Schmidt fordert, die Nutzung von Drohnen zu privaten Zwecken zu verbieten, denn diese Technologie hätte das Potenzial, "das Führen von Kriegen zu demokratisieren". 2013 wurde im Gemeinderat von Deer Trail, einem Ort in Colorado, ein Antrag diskutiert, demzufolge die Jagd auf unbemannte Fluggeräte legal ist ("Wenn sie über unserer Gemeinde fliegen, werden sie runtergeholt"). Einige Honoratioren träumen bereits von einem Volksfest mit öffentlichem Drohnenschießen. Deer Trail hat immerhin einen Ruf zu verteidigen, das Kaff war 1869 Austragungsort des ersten Rodeos.

Schon zeichnet sich eine Zeit ab, in der mit Drohnen die Beobachtung von Menschenmengen in Echtzeit betrieben wird, kombiniert mit automatischer Gesichtserkennung – und dass die Beobachteten das nicht zulassen möchten. Eine innovative Industrie bringt immer neue Gegenmaßnahmen auf den Markt. Isao Echizen, Professor am National Institute of Informatics in Tokio, hat beispielsweise einen Kopierschutz für Personen entwickelt. Eine Spezialbrille verhindert, dass Menschen insgeheim abgelichtet und automatisch identifiziert werden. Dazu senden Infrarot-LEDs bestimmte Muster aus, welche die Bildsensoren digitaler Kameras verwirren.

Denkt man die Drohnen-Idee ins Biologische weiter, landet man bei dem Genetik-Ingenieur J.F. Sebastian aus dem "Blade Runner", der sich zum Zeitvertreib Androiden erschafft. Deren Variantenreichtum lässt erahnen, welche Formen eine Drohnosphäre annehmen könnte. Übergangsformen sind bereits am Start. So versucht die US-Firma Backyard Brains, Kinder für die Neurowissenschaft zu interessieren, indem sie Küchenschaben Elektroden einoperiert. Die Robo-Roach, eine verdrahtete, lebende Kakerlake, lässt sich mit einer Handy-App steuern. Die Miniaturisierung schreitet rasch voran. Forscher der Harvard University präsentierten bereits 2013 einen Flugroboter mit einer Flügelspannweite von drei Zentimetern und einem Gewicht von 80 Milligramm, der etwa bei Such- und Rettungsaktionen in Gebäuden nach einem Erdbeben eingesetzt werden soll. Denkbar wären auch profane Anwendungen wie fliegende Getränkegläser oder Tablet-Computer, die einem durch die Wohnung folgen. Magie wird profanisiert zu einer Funktion der Faulheit.

Die Drohnentechnologie wird den Wertewandel beschleunigen, demzufolge der Zugriff auf Dinge und Dienste wichtiger ist als ihr Besitz. Den Unterschied verdeutlicht ein Vergleich zwischen Amazon mit Uber. Während sich Amazon auf das Liefern von Dingen an deren Eigentümer konzentriert und den Vorgang immer weiter zu beschleunigen sucht, versteht sich Uber längst nicht mehr nur als Taxi- sondern als Logistikdienstleister, der Dinge schnell und billig irgendwo hinbringt. Durch die Digitalisierung lässt die Anziehung nach, die wir bisher auf Dinge ausgeübt haben. Nicht mehr die Dinge sind das Entscheidende, sondern die Logistik, mit der sie befördert werden – die Choreografie der Drohnen und die Schönheit, mit der sie tanzen für uns mit den Dingen der Welt. (bsc)