Wahlkampf im Internet -- Parteien gehen online

Was in den Vereinigten Staaten schon lange gang und gäbe ist, haben die politischen Parteien hierzulande geraume Zeit vernachlässigt.

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Von
  • Mareike Enderle
  • dpa

Was in den Vereinigten Staaten schon lange gang und gäbe ist, haben die politischen Parteien hierzulande geraume Zeit vernachlässigt. Doch mittlerweile haben auch deutsche Politiker das Internet für ihre Zwecke entdeckt. Das zeigt der aktuelle Wahlkampf in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Am 25. März wird in beiden Bundesländern ein neuer Landtag gewählt.

"Nahezu 30.000 Mark vom Gesamtwahlkampf-Etat (500.000 Mark) fließen in unseren Online-Wahlkampf", sagt Anette Schäfer, Landesgeschäftsführerin vom Landesverband Bündnis90/Die Grünen in Stuttgart. Die FDP Rheinland-Pfalz rechtfertigt ihre Online-Wahlkampfinvestitionen von zirka 50.000 Mark mit rund 400.000 Besuchern ihrer Internet-Seiten pro Monat. Ganz anders sieht es noch bei der CDU aus: Rund 5000 Mark gibt die in beiden Wahlkampf-Ländern regierende Partei für den Internetauftritt aus. Die geringen Ausgaben lägen aber vor allem an dem ehrenamtlichen Engagement der zwei Online-Mitarbeiter sowie der hohen Eigeninitiative, sagt Thomas Bippes, Sprecher des Landesverbandes in Mainz.

"Politiker sehen im Internet nicht mehr nur Teufelszeug, sondern ein wichtiges Ansprachemittel, um junge Leute zu erreichen", sagt Oliver Zeisberger, Geschäftsführer der Internet-Agentur barracuda in Köln, die für Teile des Internet-Auftrittes der SPD verantwortlich zeichnet. Heute begreife die Politik das Netz der Netze als wichtiges Arbeitsinstrument. "Wir haben erkannt, welche Wirkung das Internet auf die eigene Partei hat. Wenn der Generalsekretär früher mit Briefen gearbeitet hat, so nutzt er heute den Online-Newsletter, um Mitglieder zu erreichen", sagt Uwe Evers, Leiter der FDP-Internetredaktion in Berlin. Auch auf den Internet-Seiten der SPD kann dieser Vorteil genutzt werden: Unter www.spd2001.de kann jeder Interessierte einen Newsletter bestellen, der ihm dann automatisch per E-Mail zugeschickt wird.

Das Internet kann Bürgernähe leisten, wie kaum ein anderes Medium. Auch der schnelle und direkte Kontakt über E-Mails mit der Partei oder einzelnen Politikern wird zunehmend genutzt. "Wir beantworten in der Regel jede Mail innerhalb von ein bis zwei Tagen. Je nach Rechercheaufwand dauert es auch mal länger", sagt Evers. Ähnlich drückt sich Tobias Bringmann, Sprecher der CDU Baden-Württemberg aus. Wie schnell die Antwort kommt, hänge von der Anfrage ab. Meistens vergingen ein bis zwei Tage.

Daneben spielt Multimedialität eine immer größere Rolle, um dem Bürger nahe zu kommen. Doch verglichen mit den USA sind bewegte Auftritte in Deutschland allerdings noch selten. "Die Amerikaner sehen Politik spielerischer", sagt Hans J. Kleinsteuber, Politikwissenschaftler an der Universität Hamburg. Wahlkampf habe dort gleichzeitig einen hohen Unterhaltungswert. Gegen diesen Trend wehrt sich die CDU: "Unsere User wollen kein Schnickschnack, sondern Informationen", so Bringmann. Die FDP hingegen ist neuen multimedialen Techniken gegenüber aufgeschlossener: Die Partei habe aber bisher auf Video-Sequenzen verzichtet, da in den meisten Haushalten die Bandbreite für solche Anwendungen fehle. "Ab Herbst 2001 soll Streaming-Technik auf unserer Web-Site allerdings regelmäßig eingesetzt werden", sagte Evers.

In den kommenden Jahren werden die politischen Parteien nach Expertenmeinung noch stärker das Internet nutzen – und das nicht nur für den Wahlkampf. Denn die Parteimitglieder selbst zögen den größten Nutzen aus dem weltweiten Datennetz: "Die interne Kommunikation wird durch das Netz intensiviert – Wahlkämpfer haben einen besseren Zugriff auf Daten und Informationen", sagt Bippes. Auch verschiedene Verwaltungswege könnten über das Netz überflüssig werden, sagt Evers.

Was in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt, macht in Amerika längst große Schritte: Wahlkampf ohne das Internet ist nicht mehr denkbar. "Geht man davon aus, dass die Zahl der Internet-Nutzer in Deutschland weiterhin rapide ansteigt, können auch bei uns Wahlen im Netz bald nicht mehr nur verloren, sondern auch gewonnen werden", sagt Zeisberger. (Mareike Enderle, dpa) / ()