Mit Genen gegen Herzinsuffizienz

Nach dem Flop bei einer wichtigen Studie vor zwei Jahren nimmt das Interesse an einer Gentherapie für das Herz wieder zu. Eine einzige Injektion könnte zur Heilung ausreichen.

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Von
  • Emily Mullin
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Seit mehr als einem Jahrzehnt versuchen Wissenschaftler, Herzinsuffizienz zu behandeln, indem sie dem Herz ein neues Gen zur Verfügung stellen, um seine Fähigkeit zum Pumpen und zur Versorgung des Körpers mit Sauerstoff zu verbessern.

Eine große klinische Studie im Jahr 2015, bei der eine solche Therapie getestet werden sollte, war ein Flop. Doch nachdem Gentherapien nach jahrelanger Vorarbeit bei anderen Krankheiten jetzt zur Realität werden, nimmt auch das Interesse an ihrem Einsatz gegen Herzinsuffizienz wieder zu.

Ein Team an der Icahn School of Medicine in New York, geleitet von Roger Hajjar, hat eine solche Therapie vor kurzem an Schweinen getestet, und die Ergebnisse waren ermutigend. Hajjar war einer der Mitgründer des Biotech-Unternehmens Celladon, das die gescheiterte Studie finanziert hatte.

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In der neuen Studie bekamen von 13 Schweinen mit schwerer Herzinsuffizienz 6 eine Gentherapie, die übrigen 7 eine Salzlösung als Placebo. Die Gentherapie erwies sich als sicher und verringerte die Herzinsuffizienz in der linken Herzkammer um 25 Prozent und im linken Vorhof um 20 Prozent. Laut Hajjar haben die meisten Herzinsuffizienz-Patienten Probleme mit der linken Kammer. Zudem wurden die vergrößerten Herzen der Schweine durch die Therapie um 10 Prozent verkleinert.

Für Hajjar sind Schweine gute Testobjekte für derartige Therapien, weil ihre Herzen ungefähr so groß sind wie die von Menschen. Im nächsten Jahr will er damit anfangen, Menschen mit fortgeschrittener kongestiver Herzinsuffizienz für die Teilnahme an einer klinischen Studie zu gewinnen.

Bei einer Herzinsuffizienz hört das Herz nicht einfach auf zu schlagen. Aber es tut sich schwer, genügend Blut durch den Körper zu pumpen. Dies versucht es auszugleichen, indem es wächst und schneller schlägt, aber irgendwann kommt es nicht mehr mit. Die Folgen sind Müdigkeit und Atembeschwerden.

Bei Hajjars neuer Therapie wird ein Gen verwendet, das ein Protein namens Phosphatase-1 reguliert. Bei Menschen mit Herzinsuffizienz ist es vermehrt vorhanden, und zu viel davon verringert die Kontraktionsfähigkeit des Herzens. Hajjar hält dieses Protein deshalb für einen geeigneten Ansatzpunkt, um die Pumpfähigkeit von beschädigten Herzen zu verbessern.

Dieser Ansatz unterscheidet sich von traditionellen Gentherapien für ererbte Krankheiten, die darauf abzielen, eine einzelne Gen-Mutation zu beheben. Hajjar dagegen nimmt eine verbreitete Folge einer Krankheit ins Visier. "Indem wir molekulare Ziele identifizieren, die bei allen Patienten mit Herzinsuffizienz zu finden sind, könnten wir alle Patienten behandeln statt nur solche mit bestimmten Gen-Mutationen", erklärt er.

Das Gen wird in einen künstlichen Virus verpackt, der zu den Herzzellen gelangt. Injiziert würde die Therapie über die Radial- oder die Oberschenkelarterie, die größten im menschlichen Körper.

Laut Hajjar haben er und seine Kollegen aus dem Scheitern der Gentherapie von Celladon gelernt. Damals hatten sie versucht, die Muskel-Kontraktion im Herzen zu verbessern, indem sie ein Protein wiederherstellten, das beschädigten Herzen fehlt. Doch bei Tests mit 250 Patienten in mehr als 50 Zentren in den USA und Europa zeigte die Therapie keine signifikante Wirkung.

Hajjar glaubt, dass das Problem darin lag, dass die Therapie nicht genügend Herz-Muskelzellen erreicht hat. Für den aktuellen Versuch hätten er und seine Kollegen den viralen Vektor umgestaltet, sodass er das neue Gen effektiver zum Herz transportiert.

Walter Koch, Präsident für kardiovaskuläre Medizin und Leiter des Center for Translational Medicine an der Temple University, bezeichnet Hajjars Studie als viel versprechend. Den Virus zum Herzen zu befördern, sei allerdings nicht die einzige Herausforderung – man müsse ihn auch "in genügend Zellen bekommen". Koch arbeitet seit mehr als einem Jahrzehnt an einer Gentherapie gegen Herzinsuffizienz. Das Ziel dabei ist, die Krankheit mit einer einzigen Injektion zu heilen. "Wir glauben, dass nur einmal ausreichen wird", sagt er.

Für Koch steht die Medizin einem genetischen Heilmittel für Herzinsuffizienz näher als je zuvor, zumal jetzt auch Big Pharma in die Idee investiert – vor zehn Jahren sah das noch anders aus. Pfizer etwa hat im vergangenen Jahr eine Kooperationsvereinbarung über die Entwicklung von viralen Vektoren bei Herzerkrankungen mit 4D Molecular Therapeutics aus Kalifornien geschlossen.

Das niederländische Unternehmen UniQure, Hersteller der ersten Gentherapie in der westlichen Welt, arbeitet ebenfalls an einer Therapie gegen Herzinsuffizienz. Bristol-Myers Squibb hat mit ihm 2015 eine Partnerschaft zur Entwicklung des Medikaments zur Marktreife vereinbart. Auf Nachfrage teilte UniQure mit, seine Gentherapie sei bislang hauptsächlich an Miniaturschweinen getestet worden. Über den Beginn möglicher klinischer Studien machte das Unternehmen keine Angaben.

(sma)