Fotojahr 2018: Die Kamera-GroKo – und was sonst alles nicht kommt

Kameras mit oder ohne Spiegel, 150-Megapixel-Sensoren und verkürzte Zyklen bei der Photokina: Unser Autor Andreas Kesberger hat im Kaffeesatz gelesen und aufgeschrieben womit die Fotowelt im Jahr 2018 rechnen kann – und womit nicht.

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Ausblick 2018: Die große Foto-GroKo – und was sonst alles nicht kommt

Autor Andreas Kesberger hat sich Gedanken zum Fotojahr 2018 gemacht.

(Bild: Pixabay/CC0)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Andreas Kesberger
Inhaltsverzeichnis

Manchmal ist es ganz sinnvoll, dass neue Kameras nicht gewählt werden. Wahrscheinlich hätten wir dann jetzt auch noch keine neue Fotoregierung. Nach langen Sondierungen wurde die Koalition der Spiegellosen und der Spiegelreflexe dann doch wieder abgesagt. "Lieber gar nicht fotografieren als unscharf fotografieren" hieß in den ersten Statements, eh dann doch durchsickerte, dass man sich auf eine Obergrenze für Spiegelvorauslösungen eigentlich schon geeinigt hatte – nach 200.000 Auslösungen macht der Verschluss doch eh schlapp. Und Koalition klingt in der Branche wohl zu sehr nach Übernahme. Aber selbst Nikon hat ja zum Glück sein 100-jähriges Firmenjubiläum überlebt.

Nächster Anlauf: Nikon hat angekündigt, neue spiegellose Kameras zu entwickeln.

(Bild: Pixabay/CC0 )

Also übergeben wir doch zurück an die Entwicklungsabteilungen. Vielleicht fällt es gar nicht auf, wenn die sich zwischendurch mal nach Jamaika verdrücken. Es brennt scheinbar nichts auf den Nägeln. Die heißeste Erwartung für 2018 ist eine spiegellose Nikon, die endlich ein ordentliches Format hat, doch ohne Fanbrille ist auch das ein metoo-Produkt, das den Sony-Werkzeugkasten nachbaut oder der D850 heimlich den Spiegel und etwas Gehäusespeck klaut. Da hat die Designabteilung genug zu tun, traditionell und innovativ gleichzeitig zu wirken. Und "metoo-Produkt" mag man gleich gar nicht schreiben, solange die Frauenquote an der Research-Front so bescheiden bleibt und von dort doch immer nur Männerspielzeuge kommen. Die Optiken werden wahlweise derweil noch schärfer und lichtstärker oder sogar noch retro-unschärfer, was dann auch wieder toll ist. Das geht dann wohl so weiter. Mal gucken ob Leica die 15.000-Euro-Schallmauer für ein Kleinbildobjektiv noch lange ignorieren möchte.

Aber sonst? Sonst haben wir ja schon alles. Spätestens wenn Fuji den Bildstabilisator im Gehäuse nach über zehn Jahren am Markt auch für sich entdeckt. Klar können Kameras ruhig auch schnell und hochauflösend sein, aber das sind ja keine Innovationen, das sind Hausaufgaben. Und den Pixelshift so fix zu machen, dass er auch aus der Hand funktioniert, das dauert wohl noch etwas. Physik ist einfach grausam. Oder wir wackeln schlicht zu viel. Ist ja immer nervös und auf dem Sprung, der moderne Mensch. Vielleicht liegt das auch daran, dass keiner seine Kamera acht Bilder in Serie schießen lässt ohne zwischendurch zwei Whatsapp-Nachichten zu schreiben.

In der Ruhe liegt die Kraft. Das ist doch mal was fürs Mittelformat. Glücklicherweise scheint sich der Mut von Fuji und Hasselblad, im kleinen 33×44-Mittelformat neue Systeme aufzulegen, auszuzahlen. Klar sind die besten Kleinbild-Vollformat-Kameras auch nicht schlechter, aber eben nur wenn wir vorher ewig nach dem passenden und dem brutal groß gewachsenen Objektiv gesucht haben. Im Mittelformat greifen wir da entspannter ins Regal. Und noch entspannter gucken wir ins Jahr 2018.

Da hat uns Sony ja netterweise schon verkündet, was die Hersteller sich gönnen können. Plötzlich hat der 33×44-Sensor dann doppelt so viele Megapixel. Womit das Objektivaussuchen hier eigentlich auch losgehen müsste, aber da hat Sony hoffentlich schon vorher durchblicken lassen, dass neugerechnete Objektive auch ein paar Reserven haben sollten. Und das große Vollformat hat dann sogar 150 Megapixel. Und der Ventilator in unserem Rechner ist endgültig am Durchdrehen.

Trotzdem, das gibt bestimmt tolle Beispielfotos auf der Photokina. Fragt sich nur wie lange es die Photokina noch gibt. 2018 findet sie das letzte Mal im September – bis dahin hat die Bundesrepublik vielleicht sogar wieder eine Regierung – im Zweijahresrhythmus statt. Danach wird auf jährlich umgestellt und der Termin in den Mai verlegt. Was dann viele Fragen offen lässt: Warum hat die Messe so viel Angst vor der Funkausstellung in Berlin, bei der ja allein schon der Titel für Innovationskraft und Modernität im Fotobereich steht? Wollen wir im Mai nicht lieber grillen oder uns in Zingst an der Ostsee ein paar Kameras zeigen lassen? Und wie sieht es mit der Schulbildung in NRW aus, wenn der Übergang von 24 Monaten Abstand zu 12 Monaten Abstand dazu führt, dass 2019 schon nach acht Monaten die nächste Photokina eröffnet? Sind ja wahnsinnig schnelle Zyklen in der Branche. Das reicht ja kaum um die Bedienungsanleitung zu lesen. Vielleicht bleiben die Aussteller aus Übersee aber gleich da. Es gibt schon traditionsreiche Hersteller die munkeln: "Wir waren auf der ersten und auf der letzten Photokina." Und damit meinen sie dann 2018. Mehr dazu in der nächsten Jahresvorschau, hier noch einmal einige Impressionen aus dem Jahr 2016:

Bilder-Impressionen von der Photokina (68 Bilder)

Am ersten Tag war der Besucherandrang auf der photokina noch überschaubar. (Bild: Torsten Kleinz)

Aber vielleicht sind Fotomessen längst überholt, wenn Apple mal wirklich ernst macht. Fragt man das Volk, dass der Regierung zwar nicht gut genug gewählt, aber ansonsten immer Bescheid weiß, dann ist die Gegenwart in Sachen Fotografie das Smartphone und die Vergangenheit analog. Die klassischen Kamerahersteller sehen das so ähnlich, natürlich mit ihnen selbst als Ausnahme. Den Trend zur Analogfotografie gerade in den Großstädten, Foren, Blogs und Galerien verschlafen sie so eher. Wäre doch eine wunderbare Gelegenheit, die Hipster-Jugend zum eigenen Bajonett zu bringen, wenn es denn später doch mal ne digitale sein soll und die Nikon F6 jetzt noch zu teuer ist. Aber nüscht für 500 Euro bei Canon, Nikon und Pentax.

Da müssen wohl andere ran. Mit Kickstarter ist der Jahresausblick leichter geworden und so werden 2018 voraussichtlich gleich zwei neue crowdgefoundete Spiegelreflexkonzepte das Licht der Fotowelt erblicken. Aber denkste, ganz so doof ist die Netzgemeinde doch nicht. Bei der Ihagee Elbaflex, einer ASLR aus der Ukraine ohne eingebauten Belichtungsmesser für 1500 Euro mit Zeiten von 1/2 bis zur 1/500 s – wow – wurde der Zustand der Unverkäuflichkeit noch vor der Serienproduktion erreicht.

Viel spannender ist dagegen das durchfinanzierte Modulkonzept der "Reflex". Spannender als der Name allemal. Hier ist neben verschiedenen Bajonetten auch ein Digitalback vorstellbar. Insgesamt kommen die Wechselmodule so innovativ, das man sich fragt, wieso nur 464 Unterstützer 131.964 Pfund zusammengetragen haben. Nicht, dass die Macher auch in der Ferrania-Endlosschleife landen und das Ding nie fertig wird. Aber nachdem selbst Polaroid-Filme nun wieder Polaroid-Filme heißen dürfen, ist die analoge Hoffnung schier grenzenlos. Fehlt nur noch, dass Kodak mal seine Rollfilm-Produktionsprobleme beim T-Max 100 in den Griff kriegt, ehe der letzte Mitarbeiter, der diesen Film noch gesehen hat, in Rente geht. Nicht, dass es noch zu Koalitionsverhandlungen mit Fuji kommt. Aber gelb und grün, das koaliert ja nicht so gern... Dann fotografieren wir mal geschäftsführend mit dem weiter, was wir haben. Überrascht uns! (msi)