12. Internet Governance Forum: Eine Zensur findet statt – Kritik an Europa
Der Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit, David Kaye fand am ersten Tag des Internet Governance Forum in Genf harte Worte für den Zustand der Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit im bei der UN-Konferenz viel beschworenen offenen Internet.
Regulierung von Inhalten im Internet ist längst Wirklichkeit, warnte der UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit, David Kaye, zum Auftakt des 12. Internet Governance Forum (IGF) in Genf. "Am besten kann man das derzeit in Europa beobachten", sagte Kaye. Er sammelt noch bis Ende des Jahres Stellungnahmen für seinen neuen Bericht über die von Regierungen forcierte Zensur durch private Unternehmen. Die geplante Urheberrechtsrichtlinie etwa drohe aus dem bisherigen Notice und Take-Down System "eine reine Take-Down-Machine" zu machen, kritisierte er darüber hinaus.
Europa im Fokus der Kritik
Kaye verwies auf die Verhandlungen der EU Kommission zu einem Code of Conduct für Hate Speech, ihre Vorarbeiten zu "freiwilligen" Regulierung von Fake News durch die Provider und die EU-Urheberrechtsrichtlinie. Viele Beobachter hätten mit den Maßnahmen gegen extremistische und Hetzreden oder Fake News kein Problem, sagte Kaye, und akzeptierten etwa entsprechende Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Anbietern. Doch würden mit den unter dem Druck der Gesetzgeber gemachten Regulierungsschritte nach und nach auch die bisherigen Haftungsregeln für die Provider geschleift.
Mit seinem Bericht, der im kommenden Frühjahr vorgestellt werden soll, will Kaye aufklären, welche Prinzipien die verschiedenen Firmen für die Filterung wählen und welche Prozesse sie aufsetzen. Gespräche mit Wikimedia, Google, Youtube, Facebook, und vielen anderen, einschließlich chinesischer und russischer Plattformen stehen auf seinem Besuchsprogramm. Kayes Empfehlungen, die an den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gehen, haben zunächst keine verbindliche Wirkung. Aber sie lassen die in Genf besonders angesprochenen Europäer in keinem guten Licht dastehen, gerade weil sie stets die Bedeutung der Menschenrechte unterstreichen.
Erschreckende Rede von "illegalen Inhalten"
Das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz gehört auch auf Kayes einschlägige Liste. Emma Llanso, Direktorin des Free Expression Project des Center for Democracy and Technology, nannte es angesichts der Entwicklungen besonders erschreckend, "mit welcher Selbstverständlichkeit wir inzwischen von 'illegalen' Inhalten reden." CDT hat kürzlich in einer Studie die Effekte des Trends zur Automatisierung von Filterung und dem drohenden Overblocking untersucht. Die Organisation befürchtet, dass der Raum für provozierende, abweichende oder auch nur eine herrschende Mehrheit verwirrende Meinungen schrumpfen wird.
Über ähnliche Effekte berichtete auch Chinmayi Arun, Forscherin von der Universität Delhi. Statt jährlich ein oder zwei Internet Shutdowns, würden diese langsam zu einem normalen Regulierungswerkzeug gegen Gewaltausbrüche in Kaschmir und anderen Regionen Indiens.
Cyberwar, Fake News, KI, Blockchain etc.
Im Lauf des IGF will Microsoft nun mit seiner Geneva Convention for Cyberspace für einen ersten Internetvertrag über Sicherheit und gegen Cyberwar werben. Weitere Themen in Genf sind der Kampf gegen Fake News und mögliche Governance-Konzepte für Künstliche Intelligenz und Big Data, aber auch die Blockchain sowie das große Thema digitaler Handel. Der Ruf nach einer besseren Regulierung für das Internet wurde mit ungewöhnlicher Deutlichkeit bereits schon vom Untergeneralsekretär für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten, Liu Zhemin erhoben. Er sagte, im Sinne der Bürger bedürfe es einer klaren Regulierung zur Sicherheit im Netz auf der Ebene der UN. (mho)