“Bright”: Fantasy-Cop-Action mit Will Smith und Orks

Die erste große Filmproduktion von Netflix ist ein Polizeifilm mit Personal aus Mittelerde: Will Smiths neuer Partner ist ein Ork – und damit fangen die Probleme erst an.

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Netflix-Film “Bright”: Orksige Weihnachten mit Will Smith

(Bild: Netflix)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

“Fairy lives don’t matter today”, sagt Officer Daryl Ward. Eine aggressive Fee umschwirrt die Moskitofalle auf seiner Terrasse. Ward (Will Smith) macht kurzen Prozess mit der kleinen Nervensäge, sehr zur Belustigung seiner Gangsta-Nachbarn. Eigentlich will der Cop sein Haus verkaufen und da kann er gerade kein Ungeziefer brauchen. Schlechte Laune hat er ohnehin: Sein neuer Partner ist ein Ork.

Willkommen in Los Angeles. Es ist das L.A. einer alternativen Gegenwart, in der Menschen, Elfen (leben in Beverly Hills), Orks, Feen und andere Fabelwesen mehr oder weniger friedlich koexistieren. Vor langer Zeit haben die Orks, die in mit Blut eingeschworenen Gangs leben, mal Mist gebaut und werden seither ausgegrenzt. Der erste Ork im Dienste des LAPD ist also ein Politikum und Ward hat keine Wahl: Er muss mit dem neuen Kollegen Nick Jakoby (Joel Edgerton) Streife fahren.

Jakoby ist kein typischer Ork. Er wollte schon immer ein Cop sein. Als umsichtiger und fast ängstlicher Typ wurde er auch nie in einen Clan aufgenommen. Jakoby sitzt zwischen allen Stühlen: Er wird von den Orks ebensowenig akzeptiert wie von seinen menschlichen Kollegen, die ihn so schnell wie möglich wieder loswerden wollen – und dabei auch vor dem Äußersten nicht zurückschrecken.

Das Drehbuch von Max Landis (Sohn von John “Blues Brothers” Landis) hält sich nicht lange mit den offensichtlichen Parallelen zu der an ethnischen Konflikten reichen US-Geschichte in unserer Gegenwart auf. Ein paar flotte Sprüche von Will Smith müssen reichen. Dabei gelingt “Bright” das Kunststück, ethnische Stereotypen zu thematisieren und in der nächsten Szene knietief im Latino-Klischee zu waten.

Eine Extra-Stunde Sozialkunde bleibt dem Genre-Fan aber erspart – das überlassen Landis und Regisseur David Ayer (“Suicide Squad”, “End of Watch”) dem deutschen “Tatort” und familienfreundlichen Franchise-Produktionen wie “Star Wars: Die letzten Jedi”. Frei von politisch korrektem Ballast treiben Ayer und Landis ihre nicht ganz ernst zu nehmende Geschichte voran, in der es um einen Zauberstab geht.

Sogenannte “Brights” sind magisch begabte Wesen und die Einzigen, die Zauberstäbe benutzen können, ohne dabei zu sterben. Nach einem Routine-Einsatz finden sich Jakoby und Ward plötzlich inmitten einer Verschwörung wieder: Böse Elfen (u.a. Noomi Rapace) wollen den Zauberstab unbedingt in ihren Besitz bringen, gute Elfen (Édgar Ramírez und Happy Anderson als die magische Abteilung des FBI) wollen das ebenso unbedingt verhindern. Dazwischen versuchen die beiden Straßenbullen, die junge Elfin Tikka zu schützen und diese Wahnsinnsnacht zu überleben.

Bright (18 Bilder)

Officer Nick Jacoby (Joel Edgerton) wollte schon immer Polizist werden.
(Bild: Netflix)

Abgesehen von der etwas hanebüchenen Geschichte ist “Bright” ein Polizeifilm. Das ist ein Genre, in dem sich Ayer zu Hause fühlt: Nach seinem Drehbuch für Antoine Fuquas modernen Klassiker “Training Day” und dunklen Polizei-Thrillern wie “Street Kings” oder “End of Watch” war Ayer dem Genre untreu geworden und hat das DC-Universum um den zwiespältigen “Suicide Squad” bereichert. Nun also “Bright”: Ein Buddy-Cop-Thriller mit Personal aus Mittelerde.

Bei “Bright” konnte Ayer seine Vorstellungen ohne Blutgrätschen der Studio-Buchhalter umsetzen, erzählte er auf der Comic-Con in San Diego: „Es ist immer eine große Freude, wenn du als Filmemacher mehr Zeit mit der kreativen Arbeit als mit Excel-Tabellen verbringen kannst.” Das Lob gilt auch Netflix: “Bright” ist die bisher teuerste Produktion des Streamingdienstes. Um die 100 Millionen US-Dollar soll Netflix in das Projekt gesteckt haben – und das sieht man. Das Geld ist nicht nur in CGI geflossen, sondern auch in teure On-Location-Drehs sowie “klassische” Stunts, Makeup und Effekte.

In der globalisierten Verwertungslogik etablierter Franchises, der sich Hollywood angesichts des Mangels an frischen Ideen unterworfen hat, ist kein Platz für so etwas wie “Bright”. Fantasy für Erwachsene? Ohne Jugendfreigabe? Studiobosse greifen nach dem Riechsalz. Doch anders als die Studios, deren Geschäftsmodell von mehreren Seiten unter Druck steht, kann Netflix solche Risiken eingehen – und muss, wenn der Streamingdienst seine eigene Stimme finden will.

Der Film weckt Erinnerungen an Graham Bakers “Alien Nation” (1988), der eine kurzlebige Serie und einige TV-Filme nach sich zog. Die Parallele geht über die gemischte Streifenwagenbesatzung hinaus: “Bright” fühlt sich stellenweise an wie der Pilot einer Serie – oder zumindest der erste Teil eines eigenen Franchises.

Es ist nicht einfach, zwei etablierte Genres wie Polizeifilm und Fantasy unter einen Hut zu bringen in einem Film mit Will Smith, der seinen Ward irgendwo zwischen “Bad Boys” und “Independence Day” anlegt. Im Zweifel helfen sich Ayer und Landis mit Action und Humor über ihre Plotholes hinweg, rutschen aber nie in Klamauk ab. Sie halten ein bisschen ironische Distanz, ohne ihre Figuren der Lächerlichkeit preiszugeben, und liefern dabei einen geradezu klassischen, bisweilen auch harten Genrefilm ab.

“Bright” ist nicht immer ganz gelungen, macht aber trotzdem Spaß – und Appetit auf mehr. Bleibt also zu hoffen, dass die Rechnung für Netflix aufgeht, und wir noch weitere Geschichten aus diesem seltsamen Paralleluniversum serviert bekommen.

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“Bright” ist ab dem 22. Dezember bei Netflix zu sehen, auf geeigneten Geräten auch in 4K mit HDR. Wer sich mit Orks und Elfen nicht so gut auskennt, wartet bis Weihnachten und guckt zur Vorbereitung Peter Jacksons “Der Herr der Ringe”-Trilogie (ab 21,66 €) im guten alten Fernsehen (Pro Sieben). Das wird ein Fest! (vbr)