G20-Akkreditierungsentzug: Datenschutzaufsicht sieht rechtswidriges Verhalten der Polizei

Der Skandal um entzogene Akkreditierungen von Journalisten, die über den G20-Gipfel in Hamburg berichten wollten, zieht eine gründliche Überprüfung nach sich. Ersten Prüfergebnisse zu Folge war das Vorgehen der Polizeibehörden rechtswidrig.

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G20-Akkreditierungsentzug: Datenschutzaufsicht sieht rechtswidriges Verhalten der Polizei

32 Journalisten konnten dieses "Familienfoto" vom G20-Gipfel im Juli nicht knipsen.

(Bild: dpa)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
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Die Kontrolle von Journalisten mit Hilfe von Sperrlisten auf dem G20-Gipfel in Hamburg durch die dort eingesetzten Polizeibehörden war aus Sicht des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar "gemessen an den Datenschutzvorgaben rechtswidrig". Gegenüber heise online sagte Caspar: "Wir gehen davon aus, dass die gesetzlich vorgeschriebenen organisatorischen Maßnahmen für den Umgang mit diesen personenbezogenen Daten nicht gegriffen haben. Insoweit hätte verhindert werden müssen, dass Unbefugte Einblick in die Sperrlisten nehmen konnten." Caspar soll am heutigen Spätnachmittag vor dem Sonderausschuss der Hamburger Bürgerschaft zur Aufklärung der G20-Ereignisse aussagen.

Während des G20-Gipfels in Hamburg war insgesamt 32 Journalisten ihre Akkreditierung wieder entzogen worden; wie sich später herausstellte, wegen mutmaßlich fehlerhafter oder rechtswidriger Einträge in Datensammlungen der Behörden. Die Hamburger Datenschutzbehörde untersucht nun, wie es zum Entzug der Akkreditierung der Journalisten kam. Außerdem geht sie der Übermittlung der personenbezogenen Daten vom Landesamt für Verfassungsschutz an das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie vom Landeskriminalamt (LKA) an das Bundeskriminalamt (BKA) nach. Dabei geht es darum, welche Daten übermittelt, wie diese gehalten wurden und ob die Daten überhaupt gespeichert werden durften.

Die Hamburger Datenschutzaufsicht stellte fest, dass das LKA Hamburg auch Daten an das BKA übermittelt hat, für deren Speicherung es keine Rechtsgrundlage mehr gab. Die sogenannten Aussonderungsprüffristen dürfen maximal zehn Jahre betragen, bei Kindern und Jugendlichen maximal fünf Jahre. Sie besagen, nach welcher Zeitspanne gespeicherte Daten erneut überprüft werden müssen. Die Länge der Prüffrist richtet sich danach, wie schwer der Vorwurf ist und wie wahrscheinlich es ist, dass die betroffene Person wieder straffällig wird.

"Problematisch ist es allerdings, wenn Prüffristen automatisch verlängert werden, sobald neue Einträge in der Datei hinzukommen", erklärt die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff gegenüber heise online. Das könne dazu führen, dass einzelne Einträge zu lange gespeichert werden. "Das Problem spielte auch bei der Entziehung der Akkreditierungen einiger Journalisten im Rahmen des G20-Gipfels eine Rolle", ergänzte Voßhoff.

Die Verantwortung für die rechtzeitige Löschung und Sperrung von Einträgen in den beim Bundeskriminalamt (BKA) geführten Verbunddateien liegt allerdings selten beim BKA, sondern meist bei den einmeldenden Landespolizeibehörden. Der Hamburger Polizeipräsident kündigte deshalb bereits an, die im Polizeisystem Polas von 160.000 Personen gespeicherten 900.000 Datensätze überprüfen zu wollen. Caspar sagte dazu gegenüber heise online: "Die Polizeibehörde hat hier schon selbst einen gewissen Eigenbedarf für die Überprüfung gesehen." Er werde jedoch mit Blick auf die bekannten Defizite selbst eigene Prüfungen weiterführen, damit "die gesamte polizeiliche IT-Landschaft datenschutzrechtlich auf Vordermann gebracht wird." Eine datenschutzrechtliche Prüfung der CRIME-Datei zu Jugend- und Szenegewalt hatte auch bereits 2016 dazu geführt, dass die Datei von der Polizei nicht weitergeführt wurde.

Die Rechtslage wird sich ab dem 25. Mai 2018 mit der Umsetzung der europäischen Datenschutzrichtlinie für Polizei- und Justizbehörden ändern. Dann entfällt die Pflicht, Errichtungsanordnungen zu erlassen, womit auch der Rahmen für die Festlegung von Aussonderungsprüffristen fehlt. Zwar muss auch in Zukunft im Einzelfall entschieden werden, ob eine weitere Speicherung notwendig ist. "Es bleibt aber abzuwarten, ob hier künftig relativ pauschal die polizeiliche Gefahrenvorsorge als Zweck herangezogen wird und wie sich das konkret auf Aussonderungsprüffristen auswirkt", sagte Voßhoff.

Die zur Anhörung der Bürgerschaft geladenen Bundesbehörden wie das Bundeskriminalamt (BKA), die Bundespolizei, das Bundespresseamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz haben ihre Teilnahme teilweise bereits abgesagt. Das Bundesinnenministerium gestattete Vertretern der Sicherheitsbehörden eine Aussage nur teilweise und bat um eine Verlegung des Anhörungstermins auf Januar. Das Bundespresseamt hingegen gab an, dass es sich als Bundesbehörde nicht gegenüber einem Landesparlament zu Themen aus ihrem Zuständigkeitsbereich äußern werde. (anw)