Wenn der Drogendealer an der Ecke im Darknet ist

Die erste Weltkarte des globalen Onlinegeschäfts mit Betäubungsmitteln zeigt, dass es sich vom Offlinehandel kaum unterscheidet.

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  • TR Online
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Im Oktober 2013 schloss das FBI die Darknet-Website Silk Road, eine Art "eBay für Drogen". Dort konnte man beliebig illegale Produkte kaufen – von Kokain bis hin zu Waffen. Die US-Bundespolizei verhaftete auch den Betreiber, Ross Ulbricht, der schließlich zu lebenslanger Haft ohne Bewährung verurteilt wurde. Das FBI sammelte (zum damaligen Zeitpunkt) mehr als 29 Millionen US-Dollar in Bitcoin ein, die später per Auktion verkauft wurden.Der Vorfall machte das Darknet auf einen Schlag weltberühmt.

Es ist ein Teil des Web, der nur über die Verschlüsselungssoftware Tor zu erreichen ist, die die Anonymität ihrer Nutzer garantieren will. Wer nun aber glaubte, der Schlag gegen Silk Road habe den Online-Drogenmarkt trockengelegt, irrt: Mittlerweile gibt es unzählige Alternativen, wo Betäubungsmittel weiterhin an anonyme Kunden verkauft werden.

Das Darknet eröffnet Drogendealern eine ganz neue Möglichkeit, an ihre Kundschaft zu kommen – und Süchtige finden das bequem. Der Markt soll aktuell mit 150 Millionen Dollar jährlich allerdings noch recht klein sein, wenn man bedenkt, dass das globale Drogengeschäft Schätzungen zufolge bei 300 Milliarden Dollar liegt. Doch der Darknet-Drogenhandel wächst rasant.

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Während das Offlinegeschäft mit illegalen Rauschstoffen eine fest etablierte Lieferkette hat, die weltweit Erzeuger über Zwischenhändler und Dealer mit den Konsumenten verbindet, ist über den Darknet-Vertrieb noch kaum etwas bekannt. Verändern sich dadurch die Handelswege? Forscher, Sicherheitsbehörden und Politiker zeigen sich hier in den letzten Jahren sehr interessiert. Denn das Darknet könnte künftig eine noch wesentlich größere Rolle im Suchtmarkt spielen.

Der Forscher Martin Dittus und seine Kollegen an der University of Oxford haben nun Erstmals damit begonnen, den Darknet-Drogenhandel zu kartografieren und zu überprüfen, wie stark er sich vom traditionellen Rauschmittelgeschäft unterscheidet. Ihre Analyse bietet eine bislang einzigartige Draufsicht eines sich wandelnden illegalen Marktes.

Die Arbeit begann damit, zunächst die wichtigsten Handelsplätze zu identifizieren und ihre Inhalte abzusuchen. Die größten Darknet-Märkte sind AlphaBay, Hansa, TradeRoute und Valhalla, die laut Dittus und Co. rund 95 Prozent des gesamten Drogeninventars im Darknet vorhalten.

Jede dieser Sites wurde zunächst von einem Webcrawler erfasst, um einen vollständigen Katalog der Produkte zu erhalten. Dabei wurden verschiedene Methoden eingesetzt, um versteckte Angebote zu finden, etwa die Eingabe spezieller Identifier in sequenzieller Reihenfolge, um zu sehen, ob sich dahinter echte Seiten befanden. Dies ergab einen großen Schnappschuss des Darknet-Marktes im Sommer 2017.

Das Team schätzte dann das Handelsvolumen, indem die Anzahl der Nutzerbewertungen untersucht wurde – insgesamt waren es 1,5 Millionen. Nicht jeder Käufer hinterlässt eine Bewertung, entsprechend ist diese Zahl eher geringer als die echte.

Die Bewertungen ergaben außerdem eine ungefähre Ortsangabe jedes Käufers und jedes Verkäufers. Nach dieser Zählweise sind nur fünf Länder für 70 Prozent des Darknet-Drogenhandels verantwortlich: Die USA (27 Prozent), Großbritannien (22 Prozent), Deutschland und Australien (jeweils 8 Prozent) und die Niederlande (7 Prozent).

Aus den Bewertungen wurden auch die jeweiligen Produkte klar. Das Team interessierte sich aus Gründen des Umfanges zunächst nur auf Cannabis, Kokain sowie Opiate. Das Ergebnis zeigt, wo die verschiedenen Drogenarten im Darknet hinfließen.

Schließlich verglichen Dittus und sein Team die sich ergebenden Muster mit dem konventionellen Offlinegeschäft für Suchtmittel. Dazu wurden Regierungsdaten über den Drogenkonsum in jedem Land herangezogen. Um zu sehen, woher die Rauschmittel kamen, wurden die Daten von Ermittlungsbehörden betrachtet, die diese Angaben bei Razzien häufig machen. Dies ergab einen guten Überblick über den geografischen Markt für illegale Drogen.

Der Vergleich zeigt, wie das Darknet in die globale Lieferkette passt. Dittus und sein Team meinen, dass die Darknet-Händler sich in der "letzten Meile" der Supply Chain befinden – zumindest was Cannabis und Kokain anbetrifft. "Wir können starke Hinweise darauf präsentieren, dass Cannabis- und Kokain-Händler vor allem in einer kleinen Anzahl von Kundenländern sitzen, statt in den Ländern der Hersteller", schreiben sie.

Bei den Opiaten sind die Handelswege weniger klar. Diese werden im Nahen Osten, in Russland und Asien am häufigsten konsumiert. Im Darknet werden sie jedoch vor allem in den genannten "Top 5"-Ländern erworben, was zeigt, dass es hier offenbar zu einem anderen Muster kommt.

Laut dem Forscherteam werden keine dieser Drogen über das Darknet von Ländern verschickt, die traditionell zu den Produzentenregionen gehören. Dies zeigt, dass das Darknet-Drogendealer sich vor allem an Kunden in ihren Heimatländern wenden.

Eine wichtige Frage ist, ob das Darknet dazu führt, dass sich der globale Drogenmarkt langsam umorganisiert. Dittus und seine Kollegen fanden in den Herstellungsländern wenig Hinweise darauf. Stattdessen übernehmen die Darknet-Marktplätze vor allem die Rolle lokaler Händler in einer kleinen Zahl reicher Länder – als "letzte Meile".

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