Verfassungsschutz: Zahl der Salafisten in Berlin hat sich seit 2011 fast verdreifacht

Al-Nur-Moschee. Foto: Martin Lindner. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Tschetschenen spielen wichtige Rolle

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Der Berliner Verfassungsschutz hat heute im Abgeordnetenhaus einen Analysebericht mit dem Titel Hintergründe zu den Angehörigen des salafistischen Spektrums vorgestellt, in dem die dem Amt bekannten Daten zu 748 Salafisten ausgewertet wurden. Insgesamt gibt es den nach der Analyse noch einmal aktualisierten Zahlen des Innensenators nach in Berlin nicht nur diese 784, sondern mehr als 900 Salafisten - fast drei Mal so viele wie 2011. Die Zahl der Dschihadisten, der gewaltbereiten Salafisten, hat sich im selben Zeitraum sogar mehr als vervierfacht - von etwa 100 auf 420.

Mindestens 105 männliche und 22 weibliche Salafisten aus Berlin reisten seit 2011 nach Syrien oder in den Irak. Wenigstens 17 davon kamen dort ums Leben. Ob das auch für die beiden prominenten IS-Dschihadisten Denis Cuspert alias "Deso Dogg" und Reda Seyam gilt, ist unklar.

Salafistische Infrastruktur mit Lebensmittel- und Textilgeschäften

Knapp 90 Prozent der Berliner Salafisten sind dem Bericht nach Männer, deren Durchschnittsalter bei 33,9 Jahren liegt. Die Frauen in der Szene sind im Schnitt etwa ein Jahr jünger. Etwa die Hälfte der religiösen Extremisten verfügt über einen deutschen Pass; ungefähr ein Drittel dieser Hälfte auch noch über den eines weiteren Landes, wobei die Türkei und sunnitische arabische Länder dominieren. Die größte Gruppe unter den ausländischen Staatsangehörigen stammt aus Russland, wobei es sich vor allem um Tschetschenen, Inguschen und Dagestaner handelt. Nach 2014 eingereist sind 27 der Berliner Salafisten, die überwiegend aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und Russland kommen. 16 davon gelten als gewaltbereit.

Über die Hälfte der Berliner Salafisten wohnt in den drei Problembezirken Wedding, Neukölln und Kreuzberg. Ihre wichtigsten Moscheen sind die As-Sahaba-Moschee in Wedding, die Al-Nur-Moschee in Neukölln und die Ibrahim-al-Khalil-Moschee in Tempelhof. Die ebenfalls aufgeführte Fussilet-Moschee in Moabit, in der unter anderem der Massenmörder Anis Amri verkehrte, wurde im letzten Jahr geschlossen.

Die Trägervereine solcher Moscheen sind dem Bericht nach das "Rückgrat der salafistischen Infrastruktur in Berlin", zu der inzwischen auch entsprechend ausgestattete Lebensmittel- und Textilgeschäfte gehören. Daraus (und aus dem für die Verfassungsschützer überraschend hohen Durchschnittsalter der Salafisten) wird geschlossen, dass es sich bei dem inzwischen seit 2004 bekannten Phänomen nicht nur um eine Jugendmode handelt, die von selber wieder verschwindet, sondern dass eine Szene entstanden ist, die ihre Anhänger lange Zeit und vielleicht sogar lebenslang bindet.

43 der Berliner Salafisten sitzen wegen diverser Straftaten in Gefängnissen. Das ist insofern nicht unproblematisch, als solche religiösen Fanatiker einer (nicht im Bericht enthaltenen) Einschätzung der Düsseldorfer Richterin Barbara Havliza nach auch dort viel Schaden anrichten können, indem sie andere Häftlinge für ihre Ideologie gewinnen.

Zentren Berlin und Nordrhein-Westfalen

Dass dem neuen Bericht nach fast ein Zehntel der deutschen Salafisten in der Bundeshauptstadt lebt, könnte sowohl mit der Bevölkerungsstruktur in Vierteln wie Wedding, Neukölln und Kreuzberg als auch mit der Landespolitik und mit einer dort unter anderem von einem Oberstaatsanwalt konstatierten Dysfunktionalität der Justiz zu tun haben.

Unter den anderen deutschen Bundesländern ist vor allem Nordrhein-Westfalen für eine große Salafistenszene bekannt. Hier lebt der Salafistenprediger Pierre Vogel, der aktuell Schlagzeilen macht, weil sich ein in einer Kinderkanal-Sendung eher positiv präsentierter Syrer, der eine körperästhetisch nicht unbedingt ausgewogen wirkende Beziehung zu einer Minderjährigen pflegt, auf Nutzerrecherchen in Sozialen Medien hin als jemand entpuppte, der mit Vogel und dem ebenfalls extremistischen Prediger Abu Baraa nach Mekka reisen wollte und auf einer alten Kanone sitzend verkündete, er "schwöre bei Gott, die Deutschen zum Islam zu konvertieren."

Die nicht unbedingt gelungenen Versuche des Hessischen Rundfunks, das zu erklären, parodierte man in Sozialen Medien mit Adaptionen wie dieser: "Die SPD-Führung hat den Koalitionsvertrag nur unterschrieben, weil sie glaubte, an einem Gewinnspiel teilzunehmen - In Kenntnis des Inhaltes des Vertrages distanziert Sie sich vom Inhalt."