Vom Fischer zum Unterwasser-Farmer

Mit dem sogenannten 3D Ocean Farming will die Organisation GreenWave das Meer nachhaltig bewirtschaften.

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Vom Fischer zum Unterwasser-Farmer

(Bild: GreenWave)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Roman Goergen
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Vom Boot aus ist die Meeresfarm praktisch nicht zu sehen. Auf einem kleinen Areal von rund acht Hektar vor der Küste des US-Bundesstaats Connecticut schaukeln ein paar Bojen auf den sanften Wellen. "Um meine Arbeit zu präsentieren, ist das schrecklich", scherzt GreenWave-Gründer Bren Smith. Unter der Wasseroberfläche verbirgt sich allerdings die Idee, von der Smith glaubt, dass sie die Zukunft der Fischerei, unserer Ernährung und des Weltklimas mitprägen wird.

3D Ocean Farming nennt der 44-jährige Kanadier sein Konzept. Es beruht unter anderem auf seiner persönlichen Erfahrung als Fischer im Nordatlantik. Als die dortigen Kabeljau-Bestände in den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts zusammenbrachen, gab Smith den Beruf auf. Anschließend versuchte er, mit Aquakulturen ein neues Geschäft aufzubauen. Doch er erkannte schnell, dass die Lachsfarmen in seiner kanadischen Heimat für ihn keine Lösung darstellten. "Wir verschmutzten das Wasser, pumpten die Fische voll mit Medikamenten und produzierten ein schlecht schmeckendes Lebensmittel", sagt Smith.

Der nächste Versuch war eine traditionelle Austernzucht in Käfigen am Meeresboden. Doch Hurrikans zerstörten 2011 und 2012 bis zu 90 Prozent seiner Ernten. Was nun? Smith suchte nach Lebewesen, die sich umweltfreundlich züchten lassen und gleichzeitig der Unbill des nordatlantischen Wetters standhalten. Charles Yarish brachte ihn am Ende auf den Seetang. Der Meeresforscher von der University of Connecticut betrachtet die Pflanze schon seit Jahrzehnten als Lebensmittel der Zukunft. Er glaubt zudem, dass Seetang zur Regeneration der Weltmeere beitragen kann.

TR 02/2018

Smith dachte die Idee weiter: Was, wenn er nicht nur Seetang wachsen ließ, sondern gleich eine vertikale Farm daraus machte? Er entwarf ein System aus an der Oberfläche schwimmenden Tauen, die mit sturmfesten Bojen und Plattformen verbunden sind. Von dort aus führen vertikale Taue zu Käfigen am Meeresboden, in denen er Austern und Venusmuscheln züchtet. An den vertikalen Tauen wiederum wächst der Seetang, vor allem Kelp. Außerdem hängen an ihnen zusätzlich sockenartige Netze, in denen Miesmuscheln Halt finden. An weiteren Bojen sind zudem vertikale Käfige für Jakobsmuscheln verankert. "Unsere Farmen ersetzen sogar sterbende Riffe. Sie haben bis zu 150 verschiedene Arten von Meeresleben angezogen", sagt Smith.

Smiths Unterwasserfarm kann dank der besonders starken Verankerungen nicht nur Hurrikans standhalten. Sie nimmt mit ihrer vertikalen Ausrichtung auch wesentlich weniger Platz ein als herkömmliche Aquafarmen. Auf weniger als einem halben Hektar kann Smith nach eigenen Angaben in fünf Monaten mehr als eine Viertelmillion Schalentiere und 10 bis 30 Tonnen Kelp produzieren. "Wenn wir nur sechs Prozent der Fläche der Weltmeere mit unseren Farmen ausstatten würden, könnten wir damit die Menschheit ernähren und den gesamten Kohlenstoffausstoß neutralisieren."

Smith nennt seine Lebensmittelpalette Zero-Input Food: Die Unterwasserfarmen benötigen nur das Meer und die Sonne, "keinen Dünger, keine Antibiotika, keine Pestizide". Die Gräser und Mollusken – besonders der extrem schnell wachsende Kelp – regenerieren sogar das maritime Ökosystem. Denn sie absorbieren vor allem Kohlendioxid, der für die Übersäuerung des Meereswassers und die globale Erwärmung verantwortlich ist. Außerdem nimmt der Seetang Stickstoff und Phosphor auf – jene Stoffe, die in den Ozeanen zu vermehrtem Algenwachstum führen. Diese Pflanzen sinken dann in tiefere Gewässer ab, wo Bakterien sie zersetzen. Da dabei Sauerstoff verbraucht wird, bilden sich am Meeresboden immer mehr sauerstoffarme Zonen.

Im vorigen Jahr erhielt Smiths GreenWave-Konzept in den USA viel Aufmerksamkeit. Das Magazin "Time" bewertete die Idee des Kanadiers für dreidimensionale Farmen als eine der 25 besten Innovationen des Jahres. Die Zeitschrift "Rolling Stone" zählte Smith gar zu jenen 25 Persönlichkeiten, die unsere Zukunft gestalten werden. Nun will der Kanadier weitere Mitspieler gewinnen: "Unser Modell ist Open Source. Jeder, der Zugang zu etwa acht Hektar Meeresgebiet hat, ein Schiff besitzt und 30.000 Dollar investieren kann, kann sich bei uns informieren." (bsc)