"The Cloverfield Paradox": Resteverwertung im Netflix-Universum

Nach zwei originellen Kinofilmen bringt Netflix die Cloverfield-Reihe auf den TV-Bildschirm. Doch das gruseligste an diesem Weltraum-Trash sind nicht die Monster, sondern das Drehbuch und die Charaktere.

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The Cloverfiled Paradox: Resteverwertung im Netflix-Universum

(Bild: Paramount)

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Es gibt inzwischen kaum noch eine Weltraum-Serie, die Star-Produzent J.J. Abrams nicht aufgemotzt hat. Doch während Star Wars und Star Trek beim Mainstream-Publikum neue Kassenrekorde aufstellen, war Cloverfield bislang ein Geheimtipp, der Genre-Grenzen sprengte: Sei es mit dem ersten Film von 2008, der in erfrischend kurzweiligen 85 Minuten einen Monsterfilm aus der verwackelten Perspektive einer Found-Footage-Dokumentation zeigte, oder mit der genialen Fortsetzung von 2016, die das Thema als kleines Kammerspiel mit einem monströs guten John Goodman variierte.

Keine zwei Jahre später kommt nun der dritte Cloverfield-Film heraus – im Bezahlfernsehen auf Netflix. Offenbar ahnten die Macher bei Paramount, dass "The Cloverfield Paradox" nicht zum Knüller an den Kinokassen taugt und holten mit dem Netflix-Deal noch das Beste für sich heraus.

The Cloverfield Paradox (7 Bilder)

Die Crew zur Rettung der Menschheit wurde paritätisch ausgesucht, so lässt sich der TV-Film international besser vermarkten.
(Bild: Paramount)

Weil die ersten beiden Cloverfield-Filme mehr Fragen über die Invasion der Monster gestellt als beantwortet hatten, lässt sich das Universum quasi mit beliebigen Filmen anreichern, wenn man nur an ein, zwei Stellen im Drehbuch ein Monster einfügt. Aus einem No-Name-B-Movie lässt sich so ohne viel Mühe ein Cloverfield-Streifen machen. Diesen Eindruck hat man zumindest bei "The Cloverfield Paradox".

Die Story kommt jedem Spieler von Doom nur allzu bekannt vor: Weil der Erde das Öl ausgeht und die Großmächte mit Krieg drohen ("die Russen kommen mit Bodentruppen"), soll auf einer Raumstation per Kernfusion die Energieversorgung des gesamten Planeten gerettet werden. Doch – wer hätte es geahnt – das Experiment geht schief und öffnet das Tor zu einer anderen Dimension, durch das eventuell das eine oder andere Monster schlüpfen könnte. Das denkt sich zumindest der Zuschauer, wenn auch die Wissenschaftler-Crew zunächst rätselt, warum denn die Erde "plötzlich weg" ist.

Um den Streifen international besser vermarkten zu können, wurde die Besatzung aus verschiedenen Erdteilen zusammengecasted: Ziyi Zhang aus China, die bereits in "Tiger & Dragon" und "House of the Flying Daggers" ihre Martial-Arts-Qualitäten zeigte, flankiert vom irischen Comedian Chris O'Dowd sowie Daniel Brühl aus Deutschland. Im Film hört er auf den ungewöhnlichen Namen Schmidt – kein Vor- oder Spitzname, einfach nur Schmidt. Ihm gegenüber steht der Norweger Aksel Hennie, der aber leider keinen Norweger mimen darf, sondern nur einen Russen namens "Volkov". Und weil der Russe im Klischee nun mal so etwas animalisch Unbeherrschtes hat, greift er auch gleich den Deutschen Ingenieur Schmidt an, dass der "im Auftrag des BND" die Mission sabotieren wolle.

Aber natürlich ist Daniel Brühl viel zu lieb und würde so etwas Schlimmes niemals nie tun, weshalb dieser halbwegs Spannung versprechende Subplot ebenso schnell versandet wie alle übrigen Fährten, die das Skript auslegt. Da wird munter von Klassikern von "Alien" bis zu "Sphere" geklaut, ohne dass sich der Film entscheiden kann, auf welches Thema er sich denn nun eigentlich konzentrieren will. Alle zehn Minuten passiert etwas neues Obskures, das lediglich mit merkwürdigen Interferenzen zwischen zwei Dimensionen erklärt wird. Aber in einer Welt, in der nicht mal auf die Naturgesetze Verlass ist, baut sich auch schwerlich Spannung auf. Die Dinge passieren eben halt, ohne dass sich die Crew und die Zuschauer dagegen wehren können.

Letztlich tragen auch die unmotiviert agierenden Schauspieler zum Schiffbruch bei. Daniel Brühl ist halt nicht Jürgen Vogel oder August Diehl, die auch mal einen Psychopathen mimen könnten, der diesem Mystery-Horror-Sci-Fi-Streifen so dringend fehlt. Alle Crew-Mitglieder sind irgendwie nett, wollen nur ihre Familie retten oder opfern sich gar selbst. Doch weil sie es nicht schaffen, zum Zuschauer eine emphatische Verbindung aufzubauen, lassen ihn die Opfer kalt. Das Böse ist lediglich eine aus den Fugen geratene Physik, aber die bekommt kein Gesicht.

Gewiss: "The Cloverfield Paradox" ist nicht der einzige schlechte Science-Fiction-Film der letzten Monate. "Alien Covenant" war auch nicht besser und spülte den Fox-Studios trotzdem knapp eine viertel Milliarde US-Dollar in die Kassen, sodass wir wohl von einer Fortsetzung nicht verschont bleiben werden. Gleiches ist bei Cloverfield zu befürchten. (hag)