Streit über internationalen Datenzugriff der USA: Microsoft hat schlechte Karten

Microsoft wehrt sich dagegen, für die US-Regierung Daten aus der EU in die USA holen und preisgeben zu müssen. Am Dienstag wurde darüber vor dem US-Höchstgericht verhandelt. Laut US-Regierung hat sich noch kein Land beschwert.

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Symbolzeichnung Cloud Computing

(Bild: StockSnap, gemeinfrei (Creative Commons CC0))

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Inhaltsverzeichnis

Der Showdown eines seit 2013 währenden Kampfes ist am Dienstag vor dem US-Höchstgericht Supreme Court (SCOTUS) über die Bühne gegangen: Microsoft wehrte sich noch einmal gegen die Praxis der US-Behörden, sich private Daten aus anderen Ländern frei Haus geben zu lassen. Die US-Regierung hielt dagegen: Wir machen das schon immer so, und keine ausländische Regierung hat sich je beschwert. Ein Urteil könnte im Juni ergehen – oder auch nie. In beiden Fällen stehen die Aktien schlecht für Kunden Microsofts und anderer US-Provider.

Anlass für den Rechtsstreit ist ein Beschluss eines New Yorker Bundesbezirksgerichts aus dem Jahr 2013, der Microsoft verpflichtete, E-Mails eines Kunden herauszugeben. Hintergrund dürften Drogenermittlungen sein. Der Konzern überreichte den in den USA gespeicherten Teil der Nachrichten, weigerte sich aber, auch auf Servern in Irland gespeicherte Daten auszuhändigen. Dafür seien irische Gerichte zuständig, meint nicht nur Microsoft, sondern inzwischen auch das zuständige Berufungsgericht für den 2. Bundesgerichtsbezirk.

Die 9 Richter des US Supreme Court

(Bild: Franz Jantzen, Collection of the Supreme Court of the United States)

Daraufhin gelang es der US-Regierung, den Supreme Court zu einer Überprüfung zu bewegen. Bei der mündlichen Verhandlung am Dienstag zeigte der vorsitzende Richter John Roberts wenig Freude mit Microsofts Standpunkt: "Es ist nicht die Schuld der [US-]Regierung, dass [die Daten] im Ausland sind. Und vermutlich kümmert das die [US-]Regierung auch nicht. […] Und wenn es einen konkreten Einwand jener Regierung gibt, [in deren Land] sich die Daten befinden, steht es ihr frei, [den Einwand] zu erheben, und dann wird sich die [US-]Regierung damit zu befassen haben, aber soweit ich sehe ist das hier nicht der Fall."

Damit schwang der Vorsitzende in das Fahrwasser des Vertreters der US-Regierung, Michael Dreeben, ein. Laut Dreeben haben ausländische Regierungen kein Problem, wenn US-Gerichte über im Ausland gespeicherte Daten verfügen: "Keine ausländische Regierung hat sich an dieses Gericht gewandt und gesagt, dass [der Gerichtsbeschluss über den Datenzugriff] gegen ihr Recht verstoßen würde. Das US-Außenministerium und die Abteilung für internationale Angelegenheiten im US-Justizministerium haben keine Beschwerden ausländischer Regierungen darüber vernommen, wie wir seit Jahrzehnten […] vorgehen."

Später fügte der hochrangige Justizbeamte hinzu: "Viele der Daten, die wir erhalten, kommen aus dem Ausland. Und wir haben keine Proteste ausländischer Regierungen gehört." Damit versuchte er auch, Bedenken der beiden Richterinnen Ruth Bader Ginsberg und Sonia Sotomayor zu zerstreuen, wonach weltweiter Datenzugriff der US-Gerichte für internationale Verstimmung sorgen könnte.

Die Richter Anthony Kennedy und Elena Kagan suchten einen Kompromiss. Vielleicht werden sie dem Vorschlag ihres Kollegen Stephen Breyer folgen, der offenbar grundsätzlich für eine weltweite Anwendung des einschlägigen US-Gesetzes SCA (Stored Communications Act) ist, Providern wie Microsoft aber die Möglichkeit eines Einspruchs unter Verweis auf widersprechendes ausländisches Recht geben möchte.

Das Gebäude des US Supreme Court in Washington, DC

(Bild: Sunira Moses CC BY-SA 3.0)

Dann müsste ein US-Gericht die Vor- und Nachteile des Datenzugriff aus US-Sicht beurteilen. Dabei könnte es sich ganz bewusst dazu entscheiden, Provider zum Bruch ausländischen Rechts zu verpflichten, um an die Daten heranzukommen.

Sotomayor scheint auf einen anderen Ausweg zu hoffen: Eine Gesetzesnovelle, die ausdrücklich regelt, ob ein E-Mail-Provider in den USA einen US-Durchsuchungsbefehl auch dann umsetzen muss, wenn er dafür im Ausland gespeicherte Daten in die USA holen muss. Die US-Regierung versucht auch schon seit Jahren, den Gesetzgeber von einem Freibrief für den weltweiten Datenzugriff der US-Justiz in Strafsachen zu überzeugen. Sollte das Vorhaben diesmal gelingen, werden wir vielleicht nie erfahren, wie die neun Richter des US Supreme Court das derzeitig gültige Rechts auslegen. Denn sie sind, mit wenigen Ausnahmen nicht dazu verpflichtet, an sie herangetragene Fälle zu entscheiden.

Von einer mündlichen Verhandlung vor dem US Supreme Court und den dabei gemachten Äußerungen der neun Richter lässt sich nicht unbedingt auf ihr späteres Urteil schließen. In diesem Fall legt allerdings die Stimmung im Gerichtssaal nahe, dass die Aussichten bescheiden sind für Microsoft und all jene, die Wert auf die Souveränität unabhängiger Staaten legen.

Diese Seite könnte nur bei einer Bestätigung des angefochtenen Berufungsurteils jubeln. Die übrigen drei derzeit absehbaren Verfahrensausgänge, nämlich die von der US-Regierung beantragte Umdrehung des Berufungsurteil, die von der US-Regierung angestrebte Gesetzesnovelle, oder der von Richter Breyer vorgeschlagene "Kompromiss" mit Abwägung von US-Interessen durch US-Gerichte wären allesamt als Niederlagen einzustufen.

Das Verfahren heißt United States v. Microsoft und ist beim US Supreme Court unter dem Az. 17-2 anhängig.

(ds)