Zahlen, bitte! 63 Elemente für eine universelle Ordnung

Um das Periodensystem der Elemente kommt niemand im Chemieunterricht herum. Aber wie ist Dmitri Mendelejew vor 149 Jahren eigentlich auf die Idee gekommen, die damals bekannten Elemente derartig anzuordnen?

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Zahlen, bitte! 118 chemische Elemente in einer universalen Ordnung
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Am 6. März 1869 stellte der russische Wissenschaftler Dmitri Mendelejew mit dem "Periodensystem" eine systematische Ordnung der chemischen Elemente vor, die bis heute ein unverzichtbares Werkzeug in der Chemie darstellt. Es zeigte erstmals den Zusammenhang zwischen Atommassen und Eigenschaften der chemischen Elemente auf. Aus den damals bekannten 63 Elementen sind bis heute 118 Elemente geworden, von denen viele jedoch nicht in der freien Wildbahn vorkommen, sondern künstlich erzeugt wurden. Eines ist aber bis heute gleich geblieben: Bei jedem neuen Element gibt es einen Namensstreit ;-)

Mendelejews (hier Mendeljeff geschrieben) Veröffentlichung des damals 63 Elemente umfassenden Periodischen Systems und seiner Thesen.

(Bild: Zeitschrift für Chemie, St. Petersburg, Göttingen 1869, S. 405-406 )

Der 1834 im sibirischen Tobolsk geborene Dmitri Mendelejew studierte nach einem erfolglosen Ausflug in die Medizin das Fach Chemie. Obwohl er an Tuberkulose erkrankte, schloss er das Studium erfolgreich ab und holte nach der Genesung sogar seinen Magister nach. 1857 wurde er Privatdozent für Chemie an der Universität in St. Petersburg.

Drei Jahre später besuchte er während eines Auslandsstipendiums im Heidelberger Labor von Robert Wilhelm Bunsen (ja, der mit dem gleichnamigen Brenner) den für ihn wegweisenden ersten Internationalen Chemischen Kongress in Karlsruhe. Dort traf sich das damalige Who is Who der Chemiker – darunter auch der deutsche Wissenschaftler Lothar Meyer, der unabhängig von Mendelejew ein fast identisches Periodensystem entwickeln sollte. Der Chemische Kongress war für beide der Ausgangspunkt für ihre Arbeiten am Periodensystem.

Zahlen, bitte!

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Seinen Drang, eine Ordnung der Elemente zu finden, beschrieb Mendelejew einmal so:
“Es ist eine der Funktionen der Wissenschaft, die Existenz eines generellen Ordnungsprinzips in der Natur zu entdecken und die Gründe zu finden, die diese Ordnung beherrschen. Die Kathedrale der Wissenschaft benötigt nicht nur Material, sondern auch ein Design, eine Harmonie.“

Mendelejew und Meyer waren längst nicht die einzigen, die an einer Ordnung der chemischen Elemente arbeiteten. Schon 1864 präsentierte der englische Chemiker John Newman sein an die Musik angelehntes “Gesetz der Oktaven“. Damit war er durchaus auf der richtigen Spur, erreichte aber keine zufriedenstellende Systematik. Es gab zu viele “Ausreißer“, die sich nicht einordnen ließen.

Den entscheidenden Impuls fand Mendelejew in der Einbeziehung der 1852 von Edward Frankland entdeckten Eigenschaft der Bindungsfähigkeit der Atome, der sogenannten Valenz (Wertigkeit).
Er schrieb jedes bekannte Element, dessen Eigenschaften und Valenz auf eine Karte und probierte verschiedene Anordnungen durch, bis ihm die richtige Systematik auffiel:

Die Elemente werden in sieben Gruppen einsortiert, welche jeweils untereinander Elemente mit ähnlichen Eigenschaften vereinen. Diese Gruppen sind so angeordnet, dass in den Perioden (Zeilen) des Systems die Atommassen und Valenzen der Elemente aufsteigen. Ausreißer in diesem System wie Tellur, ordnet er trotz seines scheinbaren Atomgewichtes von 128 aufgrund der Valenz von 2 in die Sauerstoffgruppe. Und es kommt noch besser: Lücken in seinem System erklärte er anhand von Elementen, die noch gar nicht entdeckt seien.

Mendelejew schreibt dazu: “Wir müssen die Entdeckung von vielen noch unbekannten Elementen erwarten. Zum Beispiel Elemente analog zu Aluminium und Silizium, deren Atomgewicht zwischen 65 und 75 liegen muss.“

Neben der charakteristischen Anordnung der Elemente hatte Mendelejew folgende Thesen formuliert:

  1. Die nach Atomgewicht aufgereihten Elemente sind vergleichbar in ihren Eigenschaften sowie in deren Verhalten.
  2. Elemente mit gleichen Verhalten verfügen entweder über ein identisches Atomgewicht (z. B. Platin, Iridium, Osmium), bzw. das Atomgewicht erhöht in gleichen Schritten (z. B. Kalium, Rubidium, Cäsium).
  3. Die Anordnung der Elemente oder Gruppen von Elementen entspricht ihrer Wertigkeit und, bis auf einige Ausnahmen, ihrem charakteristischen Verhalten.
  4. Die in der Natur am häufigsten vorkommenden Elemente haben kleine Atomgewichte.
  5. Das Atomgewicht bestimmt die Eigenschaften des Elements, so wie die Eigenschaften eines Moleküls von seiner Größe bestimmt werden.
  6. Die Entdeckung weiterer Elemente ist zu erwarten, z. B. Pendants zu Aluminium und Silizium mit einem Atomgewicht zwischen 65 und 75 .
  7. Einige Elemente können durch die Anordnung korrigiert werden. So kann das Atomgewicht des Tellurs nicht 128 betragen, sondern eher 123 - 126.
  8. Es lassen sich Charakteristika der Elemente aufgrund des Atomgewichts vorhersagen.

Lothar Meyer veröffentlichte sein unabhängig von Mendelejew entwickeltes Periodensystem fast zur gleichen Zeit, verwendete allerdings nur sechs Gruppen. "Ausreißer" stellen Meyers Systematik vor größere Probleme als Mendelejews. Dennoch gelten beide als Entdecker des Periodensystems.

Heute enthält das Periodensystem 118 Elemente, von denen viele nur unter Laborbedingungen für Sekundenbruchteile existieren.

(Bild: Wikipedia / gemeinfrei)

Die forschen Thesen des international eher unbekannten Mendelejew stießen anfangs auf Ablehnung. Das änderte sich jedoch, als Mendelejew im Jahr 1871 die Existenz dreier Elemente voraussagte: “Ekaaluminium", "Ekabor" und "Ekasilizium". Tatsächlich fand Paul Émile Lecog de Boisbaudran im Jahr 1875 das Element mit den Eigenschaften des "Ekaaluminium“ und nannte es “Gallium“. Lars Fredrik Nilson entdeckte 1879 “Ekabor“ und taufte es “Scandium“. "Ekasilizium" wurde 1886 von Clemens Winkler gefunden und als “Germanium“ bezeichnet (jeweils nach dem Entdeckungsland).

Trotz seiner für die Chemie wegweisenden Entdeckung bekam Mendelejew nie den Nobelpreis –1906, also ein Jahr vor seinem Tod, soll jedoch nur eine Stimme gefehlt haben. Stattdessen bekam Herni Moissan den Chemienobelpreis für die Isolierung des Elements Fluor und den von ihm entwickelten elektrischen Ofen.

Posthum wurde Mendelejew immerhin mit einem Mondkrater, einem Asteroid und sogar mit dem künstlich erzeugten Element "Mendelevium" geehrt. Nach Lothar Meyer wurde immerhin das Lotharmeyerit benannt, ein kristallwasserhaltiges Calcium-Zink-Mangan-Arsenat.

(vza)