Geschäftsgeheimnisse: Justizministerium patzt beim Whistleblower-Schutz

Das Bundesjustizministerium will die umstrittene EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen umsetzen. Eine Klausel, die parallel das Klagerisiko für Hinweisgeber auf Missstände mildern soll, hat es dabei weitgehend übergangen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 35 Kommentare lesen
Geschäftsgeheimnisse: Justizministerium patzt beim Whistleblower-Schutz

(Bild: Bru-nO)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die neue Bundesjustizministerin Katarina Barley hat gleich zu Beginn ihrer Amtszeit ein heißes Eisen angepackt. Das von ihr geleitete Haus hat am Mittwoch einen Referentenentwurf für ein Gesetz "zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung" an Verbände geschickt, der heise online vorliegt. Mit der Initiative will die SPD-Politikerin eine EU-Richtlinie von 2016 umsetzen, was ihr aber an entscheidenden Punkten nicht auf Anhieb gelingt.

Schon während des Gesetzgebungsverfahrens hatten Kritiker befürchtet, dass der geplante stärkere Schutz vertraulicher Betriebsinformationen Whistleblowern das Leben noch schwerer machen könnte. Nach den LuxLeaks konnte das EU-Parlament aber zumindest das Klagerisiko für betriebsinterne Hinweisgeber auf Missstände sowie für Journalisten und Gewerkschaftler abmildern.

Den für Whistleblower entscheidenden Erwägungsgrund 20 der Richtlinie haben die Experten im hiesigen Justizministerium jedoch offenbar nicht genau gelesen. Darin heißt es, dass die vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe nicht dazu dienen sollten, die Aktivitäten von Hinweisgebern einzuschränken. Daher dürfe sich der Schutz von Geschäftsgeheimnissen "nicht auf Fälle erstrecken, in denen die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses insoweit dem öffentlichen Interesse dient, als ein regelwidriges Verhalten, ein Fehlverhalten oder eine illegale Tätigkeit von unmittelbarer Relevanz aufgedeckt wird".

Das Justizministerium orientiert sich zwar prinzipiell an der Vorlage, schränkt sie aber neben Journalisten und Gewerkschaftlern auf Personen ein, die Geschäftsgeheimnisse offen legen "in der Absicht", das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold wertet dies als "Schlag ins Gesicht" von Whistleblowern. Viele handelten nicht nur aus rein selbstlosen Motiven, begründet er seine Schelte. Oftmals spielten etwa persönliche Beziehungen eine große Rolle. Maßstab für den Schutz von Whistleblowern sollte daher "das Ergebnis, nicht das Motiv ihres Handelns sein".

"Eine Gesinnungsprüfung war ausdrücklich nicht Absicht des europäischen Gesetzgebers", führt Giegold aus. Hinweisgeber sollten nicht nur geschützt werden, wenn sie Gesetzesbrüche thematisieren, sondern etwa auch, "wenn sie die Verletzung unternehmensinterner oder berufsständischer Regeln öffentlich machen". Dies werde im europäischen Recht ausdrücklich gefordert, fehle aber im Referentenentwurf. Dazu komme, dass der nun aufgebohrte Begriff der Geschäftsgeheimnisse Informationsfreiheitsanfragen weiter einschränke. So könne der Staat Antworten auf Bürgerfragen noch einfacher als bisher verweigern, indem er sich auf vertrauliche Unternehmensinformationen berufe. Die Bundesregierung müsse auch hier nachbessern und die Spielräume der Richtlinie nutzen.

In der Süddeutschen Zeitung warnt auch Rainer Frank, Leiter der Arbeitsgemeinschaft Hinweisgeber bei Transparency International, davor, die Aufdeckung etwa von Fehlverhalten nur bei hehren Zielen zu erlauben. Im Referentenentwurf heißt es dazu: "Die offenlegende Person muss mit dem Motiv handeln, die Öffentlichkeit auf einen Missstand hinzuweisen, um zu einer gesellschaftlichen Veränderung beizutragen." Diese Schranke sei nötig, damit Geschäftsgeheimnisse nicht als Druckmittel oder zur Rache eingesetzt werden könnten. Die hehre Absicht könne letztlich aber auch noch durch ein gerichtliches Verfahren "einer Plausibilitätskontrolle unterzogen werden".

Im Kern soll laut dem Entwurf künftig für Geschäftsgeheimnisse, die etwa durch "eigenständige Entdeckung oder Schöpfung" erlangt werden könnten, ein einheitlicher Mindestschutz ähnlich wie bei Urheberrechten, Patenten oder Marken gelten. Wenn die Initiative das Bundeskabinett, den Bundestag und den Bundesrat passiert, könnten die Inhaber solcher Ansprüche Rechtsverletzer "auf Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr auch auf Unterlassung in Anspruch nehmen". Sie dürften auch darauf hinwirken, dass erlangte Dokumente, Gegenstände, Materialien, Stoffe oder elektronische Dateien vernichtet oder herausgegeben werden und rechtsverletzende Produkte zurückgerufen oder vernichtet werden.

Dazu kommen soll ein weitgefasster Auskunftsanspruch sowie ein Recht auf Schadenersatz. Voraussetzung ist dem Papier nach, dass der rechtmäßige Inhaber einer schützenswerten Information "angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen" ergriffen hat. In Betracht kommen sollen dazu "sowohl physische Zugangsbeschränkungen und Vorkehrungen wie auch vertragliche Sicherungsmechanismen". Aus dem Bundestag begrüßte der grüne Faktionsvize Konstantin von Notz das Bemühen der Regierung, "Unternehmen besser vor Ausspähung zu schützen". Wichtig sei es dafür aber vor allem, "gute IT-Sicherheitsstandards zu implementieren". Whistleblower dürften nicht noch weiter gefährdet werden. (mho)