Die besten Physik-Multisensor-Apps für Android und iOS

Ein aktuelles Smartphone enthält weit mehr Sensoren als nur ein Mikrofon und einen Kamerachip. Wussten Sie zum Beispiel, dass manche Handys Luftdruck, Temperatur und Luftfeuchtigkeit messen können?

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Die besten Physik-Multisensor-Apps für Android und iOS
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Dr. Hans-Peter Schüler
  • Aylin von Dülmen
Inhaltsverzeichnis

In den App-Stores von Apple und Google finden sich zahllose Apps, mit denen sich die Smartphone-üblichen Sensoren abfragen lassen. Einige dieser Apps stellen die wichtigsten Sensordaten unter einer gemeinsamen Bedienoberfläche zur Verfügung, sodass man den Zusammenhängen zwischen Umgebungsgrößen leicht nachgehen kann. Wir wollten wissen, was man von diesen Multisensor-Apps erwarten darf, und stellen die besten davon vor.

Smartphones können Höhe auf zweierlei Art messen. Zum einen liefert das GPS nicht nur Längen- und Breitengrad, sondern auch absolute Angaben zur Höhe über dem Meeresspiegel. Diese sind aber wenig präzise und in Innenräumen mangels GPS-Empfang oft gar nicht zugänglich. Außerdem ist Verlass auf die barometrische Höhenformel. Sie besagt in guter Näherung, dass der Atmosphärendruck bei einem Aufstieg um 8 Meter um 1 hPa sinkt.

Der Screenshot zur App Phyphox (Bild 2 in der Bilderstrecke) ist nach einer Fahrstuhlfahrt entstanden. Er zeigt die gleichmäßigen Zu- und Abnahmen der Höhe, die daraus abgeleiteten Steig- und Sinkgeschwindigkeiten sowie die vertikale Beschleunigung bei jedem Anfahren und Anhalten des Fahrstuhls.

Alles messen mit Android und iOS (7 Bilder)

GPS Status pro

Die Android-App GPS Status Pro gibt jede erdenkliche Auskunft über den aktuellen GPS-Empfang, einschließlich anstehender A-GPS-Fixes. Sie zeigt an, welche Sensoren das Handy mitbringt, zählt die Schritte des Anwenders und misst sogar solche Besonderheiten wie die Geschwindigkeit laut GPS, das Umgebungslicht, Luftdruck, -feuchte und Temperatur. Leider bringt die App keine Aufzeichnungsfunktion mit. Die App gibt es wie viele andere auch als kostenlose Variante mit Werbeeinbelndungen und als kostenpflichtige Pro-Version.

Die Himmelsrichtung ermitteln Handys, indem sie die X-, Y- und Z-Komponenten des umgebenden Magnetfelds messen und die Vektorsumme als die Richtung der Feldlinien zum magnetischen Nordpol interpretieren. Für die Messungen eignet sich zum Beispiel der nach Edwin Hall benannte Hall-Effekt. Nach diesem Ansatz misst man etwa die Magnetfeldkomponente in X-Richtung mit einem streifenförmigen elektrischen Leiter in der YZ-Ebene. Fließt darin ein Strom in Y-Richtung, baut sich proportional zur Stärke des Magnetfelds eine elektrische Spannung in Z-Richtung auf.

Die magnetische Nord-Anzeige weicht aufgrund von zwei Störfaktoren – der Deklination und der Deviation – von der geografischen Nord-Anzeige ab. Die Deklination rührt von Unregelmäßigkeiten des Erdmagnetfelds und daher, dass der geografische Nordpol nicht mit dem magnetischen übereinstimmt.

Magnetisch Nord

Außer zur Ermittlung der Himmelsrichtung taugen Magnetfeldsensoren theoretisch auch für Handwerker, um den Verlauf elektrischer Leitungen zu erschnüffeln. Wir haben das mit vielen Apps überprüft, indem wir das Handy im Kreis um eine Steckdose oder einen Lichtschalter geführt haben. In den meisten Fällen zeigte sich dabei eine Signaländerung, die war aber jedes Mal so vage und schlecht reproduzierbar, dass wir uns danach nicht sicher waren, ob die Stromleitung waagerecht oder senkrecht von der Steckdose wegführte.

Auch die Frequenzanalyse des Magnetfelds, wie sie Phyphox anbietet, war wenig ergiebig. Selbst neben mäßig starken regelbaren Elektromotoren wie in einer Standbohrmaschine konnten wir günstigstenfalls die Netzfrequenz identifizieren– und das mit reproduzierbaren Werten zwischen 49,5 und 49,8 Hz. Diese Werte liegen signifikant neben dem, was man von der Netzfrequenz weiß: Diese dient ja mit dem Sollwert von 50,0 Hz als Zeitnormal für Hunderttausende Uhren, die normalerweise nicht um mehr als ein halbes Prozent nachgehen.

Smartphone-Angaben über Temperatur und Luftfeuchtigkeit haben uns Vorsicht gelehrt. Insbesondere die Luftfeuchtigkeit – ein wichtiger Maßstab für ein gutes Raumklima – stellt aktuelle Smartphone- Modelle vor Probleme. Die meisten unserer Testkandidaten haben diese Messgröße gar nicht im Repertoire, und bei anderen wie Sensor Kinetics lasen wir bei Testgeräten wie Samsung Galaxy S5 mini, Galaxy Note 8 oder Huawai P10 immer nur „Sensor nicht vorhanden“.

Logisch: Eine App kann nur solche Sensoren auslesen, die im Handy vorhanden sind. Welche das sind, ist jedoch im Voraus gar nicht so leicht festzustellen. In den meisten Handys gibt das Betriebssystem darüber keine Auskunft. Auch in den Herstellerspezifikationen sucht man diese Information in den meisten Fällen vergeblich.

Mehr Infos

Experimente für Kinder

Apps, die die Sensoren auslesen, gibt es viele. phyphox ist ein besonders gut gelungener Vertreter dieser Kategorie. Am Beispiel dieser Physik-App beschreibt der c't-Artikel Labor in der Hosentasche, wie Sie mit Kindern spannende Physik-Experimente ausprobieren können.

Wir haben die Angaben der verschiedenen Apps und Handys bei unterschiedlichen Beleuchtungen durch Tageslicht und Warmton-Leuchtstoffröhren miteinander verglichen. Zwischen diesen Werten fanden wir keine signifikanten Unterschiede. Zwei Apps liefern noch weitere Informationen zur Beleuchtung: Die Smart Tools von PC Mehanik liefern einen RGB-Wert für ein Objekt, das man mit der Handy-Kamera anvisiert. GPS Status Pro berichtet über die Farbtemperatur, das ist ein Maß für die Spektralverteilung des Lichts.

Bei den meisten der versprochenen Messfunktionen lieferten unsere Testkandidaten brauchbare Messergebnisse. Diese sind in der Regel gut genug für viele Alltagsaufgaben, wenn auch sicher nicht für gerichtsfeste Gutachten. Selbst wenn manche Mess-Absichten mangels passender Sensoren auf dem verwendeten Handy scheitern müssen, ergeben sich allemal prägnante Aha-Erlebnisse zu den erfassten Umweltbedingungen. Erfolgsaussichten lassen sich meist schon mit den Gratis-Versionen der Apps abschätzen, und selbst wenn nicht, geht man bei den kleinen Preisen der Vollversionen kein großes Risiko ein.

Insbesondere Phyphox verweist zudem auf gelungene Anleitungen für eigene Experimente. Manche dieser Anleitungen lassen sich freilich auch mit anderen Apps umsetzen – mit Toolbox pro erhält man dafür eine besonders schicke Bedienoberfläche. Die Apps SensorLog und Sensors pro bewähren sich am besten, wenn man unterwegs Messungen durchführt und die exportierten Messdaten später am PC auswerten möchte. Smart Tools von PC Mehanik entpuppt sich sogar im Vergleich mit vielseitigen anderen Apps als wahre Wundertüte voller Sonderfunktionen. Fast genauso vielseitig ist GPS Status pro – und noch aussagekräftiger in Sachen GPS-Empgang.

Weitere Details zur Funktionsweise der Sensoren im Smartphone finden Sie in einem kostenlosen Heftbeitrag. (hps)