rbb-Intendantin: "Die Öffentlich-Rechtlichen haben noch das Monopol auf Nachrichten"

Die Tagesschau und andere Nachrichtenformate von ARD und ZDF würden immer wichtiger angesichts eines "gefährlichen" und "antidemokratischen" Internets, meint die rbb-Intendantin Patricia Schlesinger.

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(Bild: dpa, Oliver Berg)

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Neben dem üblichen Schlagabtausch zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern prägte die ein oder andere steile These ein Streitgespräch zwischen Vertretern beider Seiten auf der Media Convention Berlin im Rahmen der re:publica am Donnerstag. "Die Öffentlich-Rechtlichen haben noch das Monopol auf Nachrichten", konstatierte so etwa die rbb-Intendantin Patricia Schlesinger. Der Vorstandsvorsitzende von ProSiebenSat.1, Conrad Albert, konterte: "Das ist eine erschreckende Äußerung." Es gebe hierzulande eine große Medienvielfalt und auch bei den Privaten ein "Vollprogramm" unter der Verpflichtung, "Nachrichten zu machen". Dazu kämen die Informationsangebote der Verlage.

"Bei Monopolen bewegen wir uns immer in einem schwierigem Bereich", gab Albert zu bedenken. "Wollen wir solche überhaupt?" Sie habe ihre Äußerung vor allem "im Zusammenhang mit jungen Menschen" gemacht, versuchte Schlesinger, ihre Aussage zu relativieren. So schalteten allein rund 350.000 junge Menschen täglich direkt in Tagesschau rein, während die wenigen Nachrichtenformate der Privaten bei dieser Altersgruppe auf deutlich weniger Resonanz stießen. "Über 50 Prozent der Jugendlichen suchen Informationen bei uns", teils auch über lineare Angebote, führte die Chefin des ARD-Senders aus. Insgesamt habe die Tagesschau seit fünf Jahren steigende Einschaltquoten und komme täglich auf über 10,2 Millionen Zuschauer.

Als Herausforderung für die Öffentlich-Rechtlichen bezeichnete es Schlesinger, noch besser sagen zu müssen, "was wir tun, wie wir es tun". Mehr Nähe zu den Menschen sei gefragt, weshalb die Regionalstudios so wichtig seien, um Leute auch vor Ort wieder miteinander ins Gespräch zu bringen. Letztlich sei alles gefragt, "was einordnet, was passiert, was Hintergründe liefert". Die Welt sei so durcheinander, dass sie jemand erklären müsse. Um ihrem Auftrag gerecht zu werden, sollten ARD und ZDF zudem im Internet aktiver sein dürfen. Dafür nötig sei eine Reform des Telemedienauftrags. Dieser sei zehn Jahre alt und stamme so aus einer Zeit, als Netflix noch ein DVD-Verleih gewesen sei.

"Wir werden mehr auf Lokales, Live, Relevanzthemen setzen, die sie bei Amazon und Netflix nicht finden", kündigte auch Albert an. Im Juni komme etwa ein "Feierabend-Magazin" neu ins Programm. Auch bei den Privaten funktioniere "Public Value", also etwa das Gemeinwohl fördernde Informationssendungen. Zugleich räumte der Jurist aber ein: "Wir können im Kern mit Nachrichten nicht Geld verdienen." Nötig seien dafür Mischkalkulation mit anderen, stärker auf Unterhaltung setzenden Programmstrecken. Trotzdem bereue er, dass sich das Unternehmen während der Finanzkrise vom Nachrichtensender N24 habe trennen müssen. Er würde sich aktuell ein solches Angebot "wieder im Haus wünschen".

Zugleich wünschte sich Albert mehr staatliches Geld als Anreiz, um auch bei den Privaten mehr Nachrichten senden und darüber öffentlichen Mehrwert produzieren zu können. Er wolle da nicht an den Topf des Rundfunkbeitrags heran, erläuterte er. Es gebe ja auch andere öffentliche Mittel etwa von der Filmförderung. Wenn "Public Value" wichtig sei "für uns als Gesellschaft" und die kommerziellen Sender generell einen größeren Zugang zu der jüngeren Zielgruppe hätten, sei es in diesem Bereich auch sinnvoll, "mehr in Richtung Public-Private-Partnerschaft" unter Einbezug der Öffentlich-Rechtlichen zu gehen.

"Sie wollen das duale System eigentlich auflösen und eine andere Kernfinanzierung finden", interpretierte Schlesinger diesen Ansatz. Im Grundsatz könne sie sich aber einen neuen Anlauf für eine gemeinsame Plattform von ARD und ZDF zusammen mit "kommerziellen Inhalten" von Privatsendern oder Verlagen vorstellen. Auch Inhalte von Museen oder Volkshochschulen sollten dabei für Nachrichten besser erschlossen werden. Eine solche breite Kooperation könne auch als Modell für Europa dienen. Dafür müsste aber das Wettbewerbsrecht geändert werden, da das Bundeskartellamt bereits gegen eine Initiative für ein gemeinsames Videoportal allein des Ersten und des Zweiten Bedenken angemeldet hatte.

Bei diesem potenziellen Projekt eint die Öffentlich-Rechtlichen und die Privaten vor allem ein gemeinsamer Feind, den Schlesinger als das "gefährliche Netz" betitelte. Dieses sei "anti-demokratisch", da darüber vielfach "Fake News" verbreitet würden. Eine einschlägige ARD-Einheit habe festgestellt, dass allein rund 70 Prozent der online über Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verbreiteten Nachrichten falsch gewesen seien. Der klassische Rundfunk müsse daher noch stärker einordnen und Alternativen bieten.

Gar als "zutiefst anti-demokratisch" bewertete Albert die Nachrichtenverbreitung vor allem über soziale Netzwerke. Deren Betreiber machten entweder "intentionalen" Kampagnenjournalismus oder lieferten News rein algorithmengesteuert. Sie wirkten damit manipulativ und gefährdeten die Medienvielfalt: "Die großen Internetgiganten können dafür sorgen, dass in den Echokammern ein bisschen die Meinungsfreiheit verloren geht." Die traditionellen Sender müssten dem "etwas entgegensetzen mit Kontextualisierung oder Kuratierung". Programme, die von Menschen gemacht werden, würden immer wichtiger.

Albert hielt aber auch nicht hinterm Berg mit dem Plan der privaten Sender, "stark in das Thema Daten hineinzugehen" und damit Geschäftsmodelle aus dem Silicon Valley im Online-Geschäft zu übernehmen. "Wir lernen damit viel über das Nutzerverhalten", ließ er durchblicken. ProSiebenSat.1 verstehe sich aber nach wie vor "als erstes als Content-Unternehmen". Es dürfe aber nicht soweit kommen, dass YouTube und Amazon Prime nun verstärkt in lineares Fernsehen hineingingen und dabei mit klassischen Vermarktungsstrategien von TV-Sendern "außerhalb jeglichen Regelungsrahmens in unserem Teich fischen". (axk)