Torra wird auch mit "Bombardierung" Barcelonas gedroht

Der neue katalanische Präsident Quim Torra. Bild: Parlament de Catalunya/Miquel González de la Fuente

Wie erwartet ist der Christdemokrat nun zum katalanischen Präsident gewählt worden. Er war der linksradikalen CUP auch in der sozialen Frage weit entgegengegangen

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Vor dem zweiten Wahlgang am Montag konnte der von Carles Puigdemont bestimmte Präsidentschaftskandidat Quim Torra deutlich befreiter auftreten, da die Basis der linksradikalen CUP am Sonntag entschieden hatte, ihn durch Enthaltung im zweiten Wahlgang zum 131. Präsidenten und Stellvertreter des "legitimen Präsidenten" Puigdemonts in Kataloniens zu machen. Die einfache Mehrheit von 66 gegen 65 Stimmen der Unionisten reichte ihm nun, bei vier Enthaltungen der CUP, um als vierter Kandidat nach mehr als einem halben Jahr endlich gewählt zu werden.

Zuvor hatte Spanien die Wahl von Puigdemont aus dem Exil und die der inhaftierten Jordi Sánchez und Jordi Turull mit vielen zweifelhaften juristischen Tricks, Rechtsumgehung und Rechtsbeugung verhindert. Turull war sogar noch schnell vor seiner Wahl im zweiten Wahlgang inhaftiert worden.

Am Samstag hatte sich Torra vor allem von Vorwürfen der CUP abgesetzt, er wolle zum Autonomierahmen zurückkehren. Deshalb erklärte er, "treu" zum Aufbau der Republik und dem Ergebnis des Unabhängigkeitsreferendums Politik machen zu wollen. Heute standen in einer sehr inklusiven Darstellung vor allem soziale Fragen im Vordergrund. In diesem Bereich war der Christdemokrat am Samstag sehr unklar geblieben. Er versuchte sich damit auch von dem Bild zu entfernen, das ihm als liberaler Katholik anhaftet, der 20 Jahre in der Versicherungsbranche in der Schweiz tätig war. Genau dieses Image hatte für heftige Debatten in der antikapitalistischen CUP gesorgt.

Sie hat ihre Zweifel weiter nicht abgelegt, drohte gar mit einer harten Opposition, sollte er die Republik nicht vorantreiben und eine neoliberale Politik versuchen. Daran änderte nichts, dass Torra ihr in weiten Bereichen deutlich entgegenging. Denn die CUP stellt die soziale Frage in den Mittelpunkt ihrer Politik. Sie will auch darüber die Basis für "eine Republik für alle" verbreitern. Katalonien solle "zur Hoffnung beitragen, dass eine andere Welt möglich ist", hat der CUP-Sprecher Carles Riera erklärt.

An diese Vorstellungen dockte Torra an, der sich darüber bewusst ist, dass die Basis der Bewegung mit knapp 48% der Stimmen zu dünn ist. Sie soll auch in einem "konstituierenden Prozess" verbreitert werden, den auch die linke "Gemeinsam können wir es" mittragen will. Überzeugen konnte Torra die katalanische Sektion der spanischen Podemos bisher jedenfalls nicht, die komplett gegen ihn gestimmt hat und ihn sehr kühl und ablehnend empfing, auch wenn sie froh ist, dass es wieder eine Regierung gibt.

Torra: "Eine Republik für alle mit allen Rechten"

So hatte auch deren Chef Xavier Domènech dem neuen Präsidenten die gelöschten Tweets aus dem Jahr 2012 vorgehalten, für die sich Torra nun noch einmal entschuldigt hat. Da er unter anderem erklärte, Spanien könne nur "ausbeuten", wurde als spanienfeindlich und beleidigend gewertet. Torra sprach aber inklusiv vom Aufbau "einer Republik für alle, mit allen Rechten" und dass er Präsident von allen 7,5 Millionen Katalanen sein will. Jeder, der in Katalonien lebt und arbeitet, sei Katalane, antwortete er auf eine direkte Frage von Domènech. Alle Rechte sollen garantiert werden, die das Parlament längst beschlossen hat, die über Einsprüche der spanischen Regierung durch das Verfassungsgericht ausgehebelt wurden. Konkret sprach er unter anderem die Wohnungsfrage an, das Gesetz gegen Energiearmut oder die Tatsache, dass Einwanderern die Gesundheitskarten und damit eine universelle Gesundheitsversorgung vorenthalten und sie zu Menschen zweiter Klasse gemacht wurden.

Dafür waren vor allem die Politiker der Volkspartei (PP) und der Ciudadanos verantwortlich, die ihrerseits aber Torra vorwerfen, "fremdenfeindlich" zu sein und sich "außerhalb der EU" zu positionieren. Das ist gewagt für die Ciudadanos, die mit der PP eng zusammenarbeiten. Ausgerechnet der PP-Chef in Katalonien, der ebenfalls auf Torra einprügelt, wird vom Europarat als Beispiel für xenophobe Politiker benannt. Xavier García Albiol hatte seine Wahlkampagne auf Rassismus aufgebaut und von einer "Plage" gesprochen. "Wir wollen keine Rumänen", hatte er als Bürgermeister von Badalona erklärt.

In der Frage haben die Ciudadanos auch einiges zu bieten, die unter anderem mit der rechtsradikalen, rassistischen und europaskeptischen "Libertas" für das Europaparlament gemeinsam kandidiert haben. Die Bürger haben zudem etliche bekannte Rechtsradikale auf ihren Listen, sie demonstrieren auch mit spanischen Faschisten und Neonazis gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen und distanzieren sich nicht von deren Gewalt.

Dass Torra etwas gegen Spanier hat, wollte er auch mit dieser zweiten Rede weit von sich weisen. "Die Freiheit heißt Republik: katalanische Republik und spanische Republik", sagte er. Er spielte darauf an, dass Diktator Franco die Monarchie restaurierte. Er hatte mit den Putschisten die spanische Republik gestürzt, die Katalonien verteidigte. Torra hofft darauf, dass sich auch die Menschen in Spanien erheben und erneut die Republik aufbauen, um die Freiheit aller zu garantieren.

PP und Ciudadanos im Clinch

Reaktionen in Spanien auf Torra und seine Wahl sind vielschichtig. Während Ministerpräsident Mariano Rajoy schon am Samstag erklärt hatte: "Mir gefällt gar nicht, was ich gehört habe", wollen die rechten Ciudadanos (Bürger) nun eine Offensive in Europa starten, um Torra für seine früheren Äußerungen zu "entlarven". Deren Chef Albert Rivera hat von Rajoy gefordert, die Zwangsverwaltung in Katalonien über den Paragraphen 155 aufrecht zu erhalten. Sie muss nach dem im Senat beschlossenen Text automatisch ausgesetzt werden. Rivera forderte von Rajoy ein Treffen, um zu beraten, "wie wir die Anwendung des 155 ausweiten".

Er warf ihm vor, die Wahl Torras ermöglicht zu haben, da er das Delegieren der Stimmen von Puigdemont und Toni Comín aus dem Exil nicht über das Verfassungsgericht verhinderte, womit Torra keine Mehrheit erhalten hätte und Neuwahlen erzwungen worden wären. Diese Einschätzung ist sicher nicht falsch, da Rajoy nur über eine Regierungsbildung in Katalonien und der Aussetzung des 155 die Stimmen für seinen Haushalt zusammenbekommt.

Die baskische PNV hat klargestellt, dass sie den Haushalt nicht abnickt, solange die Zwangsverwaltung in Katalonien besteht. Somit gehörte das Vorgehen von Rajoy, unter Einbindung seines Verfassungsgerichts, zu seinem Fahrplan. Er will Neuwahlen in Spanien verhindern und Zeit gegenüber den aufstrebenden rechten "Bürgern" gewinnen. Die Partei macht seiner Volkspartei (PP) immer stärker die Vorherrschaft im rechten und rechtsradikalen Lager streitig.

"Natürlich können wir euch bombardieren"

In diesem Lager gibt es auch noch deutlich radikalere Stimmen. So forderte der bekannte Radiomoderator Federico Jiménez Losantos die "Bombardierung" Kataloniens wie im Bürgerkrieg. Der Ciudadanos-Fan reagierte auf die Aussage von Torra, dass Spanien Barcelona glücklicherweise heute in der EU nicht mehr bombardieren könne. "Natürlich können wir euch bombardieren", sagte er. "Was anderes ist, dass diese Müllregierung, die wir haben, die nicht bereit ist zu zeigen, dass wir sehr wohl Flugzeuge haben, um zu bombardieren."

Er nannte in seiner gewohnten Fäkalsprache, mit der er auch Raum in der großen Tageszeitung El Mundo erhält, Torra einen "Affen" und "psychopatischen Rassisten" und verwies auf 70.000 Polizisten, 90.000 Paramilitärs und 50.000 gut ausgerüstete Soldaten.

Er ist für verbale Ausfälle bekannt, die geduldet werden, während linke Rapper wegen Liedtexten und "Hassdelikten" sogar in den Knast wandern. Gerade wurde die Strafe von dreieinhalb Jahren gegen Valtonyc sogar vom Verfassungsgericht bestätigt, der nun die Strafe antreten muss. Dass es mit der Meinungsfreiheit nicht zum Besten in Spanien steht, sie vor allem einer Seite zugebilligt wird, hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kürzlich erneut bestätigt.

Hassdelikte findet die spanische Justiz bei Rechtsradikalen meist nicht. Losantos ist sicher ein herausragendes Beispiel, dessen Ausfälle längst auch international bekannt sind. Kürzlich drohte er auch Podemos-Mitgliedern mit einem Schusswaffeneinsatz. Und als das Oberlandesgericht in Schleswig sich gegen die Auslieferung von Puigdemont wegen angeblicher Rebellion stellte, forderte er "Aktionen" wie "Bomben auf Brauereien in Bayern" und erinnerte an 200.000 deutsche "Geiseln" auf den Baleareninseln. In El Mundo durfte er die deutsche Justizministerin als "Nazi-Progressive" und "rassistische Ministerin Merkels" beschimpfen, "die uns ins Europa Hitlers und Stalins zurückbringt". Die Bundesregierung hat gegen all dies weder protestiert, noch etwas unternommen.