Medizinische Daten aufs Handy: Systemübergreifende Gesundheitsapp Vivy

Mit der Gesundheitsapp Vivy sollen 20 Millionen Versicherte die Herrschaft über ihre medizinischen Daten übernehmen. Erstmals sind private Versicherer dabei.

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Systemübergreifende Gesundheitsapp Vivy vorgestellt
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Mit der Gesundheits-App Vivy hat die gleichnamige Berliner Firma ein Produkt vorgestellt, das private wie gesetzliche Versicherungen ihren Versicherten als Daten-Service kostenlos zur Verfügung stellen können. Die für iOS und Android verfügbare App ist im Zuge einer europaweiten Ausschreibung Anfang Mai vom Krankenkassendienstleister Bitmarck ausgewählt worden, als Speicherdienst für medizinische Daten in einer gesicherten Deutschland-Cloud zu fungieren. Bitmarck betreut die IT von rund 80 Betriebs-Krankenkassen. Darüber hinaus haben sich die DAK, die Allianz private Kranversicherung, die Gothaer und die Süddeutsche Krankenversicherung für Vivy entschieden. Solchermaßen systemübergreifend aufgesetzt kommt Vivy damit auf potenziell 25 Millionen Versicherte oder 28 Prozent und wird damit der große Gegenspieler von TK-Safe.

Vivy auf dem Smartphone (6 Bilder)

(Bild: Vivy)

Vivy – der Name leitet sich vom lateinischen vivere her – wird als Gesundheits-App auf dem Smartphone installiert, wenn die Anmeldeprozedur mit dem Personalausweis und eines verifizierenden Video-Selfies abgeschlossen ist. Danach erzeugt Vivy auf dem Gerät die nötigen öffentlichen/geheimen Schlüssel für die sichere Ende-zu-Ende-Kommunikation und gestattet genau eine Speicherung des geheimen Schlüssels auf einem externen Speicher. Weder die Krankenkassen und Versicherungen noch der Cloud-Betrieber können die Daten in Vivy einsehen: der Versicherte ist allein Herr seiner Daten, wie Vivy-CEO Christian Rebernik bei dem Vorstellungs-Symposium in Berlin mehrfach betonte.

Gefüttert wird Vivy über die Open Source-Schnittstelle KV Connect mit den Daten aus den Arztpraxen und den Entlassbriefen der Krankenhäuser. Letztere werden einfach abfotografiert. Auch das Faxen von Daten in die Cloud-Speicherung soll möglich sein. Alle Befunde, Laborwerte, Impfungstestate und die Daten bildgebender Verfahren wandern nach der Einverständniserklärung des behandelnden Arztes mit der dazugehörigen Entbindung von der Schweigepflicht in die Cloud und können von dort aus vom Versicherten an weitere Ärzte freigegeben werden. Demonstriert wurde dies mit einem Röntgenbild: nach Auswahl des Bildes verschlüsselt Vivy das Bild für den Arzt und gibt einen Shortlink plus eine sechsstelligen Zugriffscode aus, der 24 Stunden lang gültig ist.

Alle beteiligten Kassen auf einem Bild

(Bild: heise online/Detlef Borchers)

Vivy bewegt sich derzeit abseits der telematischen Infrastruktur. Die elektronische Gesundheitskarte kann von der Krankenkasse in Vivy revisionssicher hinterlegt und so in der Praxis vorgezeigt werden. Weiterhin beherrscht Vivy das Einscannen der QR-Codes von Medikationsplänen und Impfpässen. Im Betatest war nach Angaben von Rebernik die Übertragung von Impfdaten für 50 Prozent der Versicherten das Erste, was in die App eingepflegt wurde, gefolgt vom Medikationsplan. Die App besitzt eine Schnittstelle, um Wechselwirkungen von Arzneimitteln anzuzeigen. Außerdem legt Vivy einen Notfalldatensatz an, der je nach Krankenkasse unterschiedlich exportiert wird, z.B. als QR-Code für den Schlüsselanhänger.

Die Daten der Fitness-Funktionen von Wearables wie Fitbit oder die Daten von Apple Health können in Vivy integriert werden. Aus allen vorliegenden Daten erzeugt die App eine Funktion namens "Dein Lebensstil", die Empfehlungen zur Ernährung und zu sportlicher Bewegung gibt. Umgekehrt ist für den Krankheitsfall eine Arztsuche integriert, die den nächsten Facharzt suchen kann und dabei die Bewertung der Ärzte durch Dr. Google mit ausgibt.

Auf dem Symposium betonten vor allem die Versicherer, dass Vivy neue Perspektiven in der Gesundheitsversorgung bieten könnte, ohne die "Systemfrage" im Streit von gesetzlicher und privater Krankenversicherung zu stellen. "Was bei uns nicht abgerechnet werden kann, kann via Vivy bei einer vorhandenen Zusatzversicherung gleich von den Privaten übernommen werden, das ist unsere Vision", erklärte Andreas Storm, der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit. (mho)