Der Sonne entgegen

Die Solarsonde Parker soll in die Atmosphäre der Sonne starten und unserem Zentralgestirn seine Geheimnisse entlocken. Ein Vorhaben, das die Technik an ihre Grenzen bringt.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Richard Webb

Die Sonne ist keine ruhige Kugel. In unregelmäßigen Abständen schleudert sie Materie, Energie und Magnetwellen ins All. 1859 fiel eine besonders starke Sonneneruption mit einem elektromagnetischen Sturm in der Erdatmosphäre zusammen. Die Interferenzen erzeugten Polarlichter, die bis in die Karibik zu sehen waren und Telegrafenleitungen zusammenbrechen ließen. Seitdem ist klar, welche Folgen Sonnenstürme haben können. Ihre Ursachen sind weniger klar. 1956 beschäftigte sich Eugene Parker, damals junger Postdoc an der University of Chicago, mit kosmischen Strahlen, die von weit her auf die Erde treffen. Dabei kam ihm eine Idee:

„Wir wussten, dass kosmische Strahlen mit der magnetischen Aktivität der Sonne korrelieren. Aber wie unsere Detektoren zeigten, bewegten sich die Partikel ganz ungehindert von der Sonne zur Erde. Ungefähr zur gleichen Zeit stellten Astronomen fest, dass Kometenschweife stets von der Sonne weggerichtet sind, und auch das war schwierig zu erklären. Eines Tages im Jahr 1958 fiel mir auf, dass alles ganz einfach war: Die Atmosphäre der Sonne, die Korona, ist nicht fest an die Sonne gebunden. Materie kann ihr entkommen und verhält sich dann wie ein großer, nach außen gerichteter Wind aus Gas. Er beginnt sehr langsam, wird aber immer schneller, und wenn er die Erde erreicht, ist er schneller als der Schall. Er schaufelt kosmische Strahlen zur Erde – und bläst die Kometenschweife in die entgegengesetzte Richtung.

Ich wurde für die Idee ziemlich angegriffen, aber niemand konnte einen Fehler in den Berechnungen finden. 1962 dann wurde Mariner 2 zur Venus geschickt, die erste Mission in den interplanetaren Weltraum. Was die Sonde sah, ließ sich nicht mehr leugnen. Der Gesinnungswandel ging dann sehr schnell: Die Leute sagten, sie hätten schon immer gewusst, dass es einen Sonnenwind gibt. Sie wissen ja, wie das läuft. Ich habe mich nie beschwert.“

Aus Sorge, dass sich ein Sonnensturm wie 1859 wiederholen und große Schäden an Strom- und Kommunikationsnetzen anrichten könnte, wollen sich Forscher die Sonnenwinde näher ansehen. Nicola Fox, Wissenschaftlerin beim Sondenprojekt:

„Der Entstehungsort des Sonnenwinds – die Atmosphäre der Sonne, ihre Korona – muss extrem energiegeladen sein, 300-mal so heiß wie die Oberfläche der Sonne. Das widerspricht den Naturgesetzen: Es sollte keine Wärmequelle geben, die heißer wird, wenn man sich von ihr wegbewegt. Dort gibt es irgendeine zusätzliche Energie, irgendeine schwarze Magie. Der Solarwind löst sich nicht einfach von der Sonne, er nimmt irgendwie auch ihr Magnetfeld mit sich. Egal in welche Richtung es zeigt, wie stark es ist – es erstarrt im Sonnenwind.“

Die Details sind noch voller Rätsel, obwohl es mehrere Erkundungsflüge in den Sonnenwind gab. 1976 näherte sich die Helios-B-Sonde der Sonne bis auf 60 Solar-Radien (42 Millionen Kilometer). Aber eine fundamentale technische Barriere verhinderte eine weitere Annäherung: Es existierte damals kein Material für einen Hitzeschild, das leicht und zugleich hitzefest genug war, erklärt der Ingenieur Andy Driesman:

„So nah, wie wir der Sonne kommen wollten, wären fast drei Millionen Watt Wärmeenergie auf ihre Vorderseite gelangt, und wir mussten dafür sorgen, dass dahinter nur noch 30 Watt übrig blieben. Es gab einige geeignete Hochtemperatur-Metalle für einen solchen Schutzschild, aber die waren zu schwer für den Start. Anfang der 2000er stellten wir Carbonfaser-Materialien her, die leicht und stabil genug waren, um der Hitze standzuhalten; außerdem beschichteten wir sie so, dass sie nicht mehr so schwarz waren und dadurch weniger Wärme absorbierten. Carbon ist sehr spröde und fragil, und viel Arbeit ist in den Versuch geflossen, einen Hitzeschild herzustellen, der dem Start standhält. Als wir endlich eine Lösung hatten, gingen wir zur Nasa, und die sagte: ,Okay, legt los, ihr seid jetzt eine Mission.'“ (rot)