Breitbandförderung: Mittelabfluss für umgesetzte Projekte im Promillebereich

Das milliardenschwere Breitbandprogramm des Bundes verläuft weiter recht schleppend, wobei Geld bisher vor allem an Berater geht.

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Kabelverlegung

(Bild: dpa, Carsten Rehder)

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Die Zahlen, die die Bundesregierung jetzt auf Anfrage der grünen Bundestagsfraktion zu ihrem Förderprogramm Breitbandausbau herausgegeben hat, sind nach wie vor nicht sonderlich rosig. So haben die Behörden zwar mit Stand von Ende Mai mittlerweile knapp über 100 Millionen Euro offiziell für einschlägige Programme von Kommunen, Städten und Kreisen bewilligt, geht aus der heise online vorliegenden Antwort des federführenden Ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hervor. Angesichts der während der vergangenen Legislaturperiode insgesamt prinzipiell zur Verfügung gestellten rund vier Milliarden Euro ist das aber ein Tropfen auf den heißen Stein. Zudem ist der Löwenanteil der zugesagten Gelder mit über 97 Millionen Euro für Beratungsleistungen vorgesehen.

Nur rund 2,7 Milliarden Euro sind für ein Modell eingeplant, mit dem Kommunen und Landkreise die Wirtschaftlichkeitslücke eines privaten Netzbetreibers schließen wollen, der in einem finanziell unattraktiven Gebiet ein Breitbandnetz errichtet. Für das alternative Betreibermodell sind zudem erst 655.183 Euro bewilligt. Damit sollen Städte und Gemeinden in die Lage versetzt werden, eigene Netzinfrastrukturen wie zum Beispiel Glasfaserstrecken zu bauen und an kommerzielle Provider zu verpachten.

Noch viel niedriger sind die Zahlen für die seit 2015 abgeflossenen Mittel. In die Taschen von Beratern sind demnach mittlerweile 23,4 Millionen Euro gewandert, in das Lückenmodell 102.289, in das Betreiberkonzept knapp 3,1 Millionen Euro. Vollständig baulich abgeschlossen sind erst zwei Projekte, für mehrere andere Initiativen meldet die Bundesregierung "Teilinbetriebnahmen". Wie viele Haushalte bisher durch das Programm in den Genuss von Internetanschlüssen mit bis zu 50 MBit/s gekommen sind und damit den angestammten Zielvorgaben der Politik entsprechen, kann das BMVI noch nicht sagen. Dies lasse sich erst ermitteln, "wenn die bauliche Umsetzung der Netzinfrastruktur durchgeführt sowie der Endverbrauchernachweise eingereicht wurde". Dies sei "bisher bei keinem Projekt der Fall".

Die noch offenen Mittel in Milliardenhöhe für insgesamt 2901 Förderbescheide mit einem erneuten Schwerpunkt auf Beratungsleistungen werden laut der Antwort "voraussichtlich bis Ende 2021 ausgezahlt sein". Verfallen werde erst mal nichts jenseits eines befristeten Zukunftsinvestitionsprogramms, da die Gelder "grundsätzlich in das jeweilige Folgejahr übertragbar" seien.

Die Zeitspanne, die zwischen einem ersten Antrag von Fördermitteln bis zum Baubeginn vergeht, ist laut Bundesregierung "von verschiedenen Faktoren abhängig". Zahlen will sie dazu nicht nennen. Zu den erforderlichen Prozessschritten gehörten etwa ein Markterkundungsverfahren oder eine Wirtschaftlichkeitsabwägung. Zudem müsse die Ausschreibung vorbereitet werden, erst dann könne mit einem endgültigen Bescheid der erste Spatenstich erfolgen. Künftig sollten die Förderbedingungen im Einklang mit dem neuen schwarz-roten Koalitionsvertrag vereinfacht werden. Das Verfahren sei dazu evaluiert worden, nun würden Vorschläge für eine "zeitliche Optimierung" erarbeitet. Konkrete Initiativen befänden sich aber innerhalb der Regierung "noch in der Abstimmung".

Zum Vorwurf von Landkreis- und Gemeindevertretern, dass insbesondere die Deutsche Telekom ihr Netz an Stellen mit dem umstrittenen VDSL-Turbo Vectoring ertüchtigen wolle, in denen man selber Glasfaser verlegen wolle, nimmt das BMVI nicht direkt Stellung. Sie merkt nur an, dass der Ausbau "in erster Linie Aufgabe des privaten Telekommunikationsmarktes" sei. Gefördert werden könne nur dort, "wo Marktversagen herrscht". Meldeten Netzbetreiber im Rahmen des Marktsondierungsverfahrens konkrete eigene Ausbaupläne für die nächsten drei Jahre an, habe dies Vorrang. Es bestehe aber "mit mehreren Marktteilnehmern" ein Abkommen, um solche Überschneidungen zu vermeiden.

Für die grünen Abgeordneten Margit Stumpp und Oliver Krischer verbirgt sich hinter den Auskünften erneut ein "Trauerspiel". Der Mittelabfluss für tatsächlich umgesetzte Projekte stagniere "auf knapp einem Promille gemessen an der insgesamt zugesagten Gesamtfördersumme". Die meisten Kommunen kämen über die erste Beratungsphase gar nicht hinaus. Verantwortlich dafür sei vor allem Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Er habe das Programm so kompliziert angelegt, "dass insbesondere die kleineren Städte und Gemeinden nachvollziehbar überfordert sind mit den Anträgen und den sehr umfangreichen Ausschreibungen". Zudem habe gerade die Telekom in den ersten Jahren das Förderprogramm massiv hintertrieben.

Der Geschäftsführer des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), Jürgen Grützner, sieht weniger schwarz. Es sei anhand der Zahlen zwar erkennbar, "dass ein paar Berater gut Geld verdient haben", erklärte er gegenüber heise online. Das Programm sei insgesamt aber "von einem Misserfolg weit entfernt", das meiste Geld sei bei den Kommunen inzwischen angekommen und "fast alles gebunden". Es dauere aber seine Zeit, bis die "Buddel- und Grabearbeiten" abgeschlossen sowie die Leistungen tatsächlich erbracht seien, was Voraussetzung für den Mittelabfluss sei. Erst spät habe die neue Bundesregierung zudem "alles auf Glasfaser hin gedreht", sodass manche Gemeinde ihren Antrag noch einmal dahingehend überarbeite. Diese Verzögerungen seien aber akzeptabel, nachdem die Telekom lange genug mit Vectoring-Überbaumodellen "reingegräscht" habe. (olb)